Mehr als fünf Tonnen Haschisch und Marihuana – dem Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) ist nach jahrelanger Ermittlungsarbeit sein größter Schlag gegen den internationalen Drogenhandel gelungen. Als mutmaßlicher Drahtzieher gilt ein Schreinermeister aus Deutschland, wie der Dezernatsleiter für Rauschgiftdelikte, Jörg Beyser, bei einer Pressekonferenz am Freitag in München mitteilte. Neben dem 61-Jährigen wurden 22 Tatverdächtige im Fall „El Maestro“ festgenommen. Zudem stellten die Ermittler neben 5,3 Tonnen Drogen mehr als eine halbe Million Euro und 20 Kilo Silber sicher.
Ihren Anfang nehmen die Ermittlungen in der Oberpfalz. Die Beamten werden durch einen Tipp auf einen Wiener Rauschgifthändler aufmerksam, der 120000 Euro an einen Neumarkter übergibt. Als dieser ein paar Monate später 80 Kilogramm Haschisch an den Händler nach Wien liefert, werden beide schon von den deutschen und von österreichischen Behörden überwacht. Kurze Zeit später wird der Wiener in seiner Wohnung festgenommen – und die Ermittler beschlagnahmen 93 Kilogramm Haschisch, eine Maschinenpistole, eine Schrotflinte und dazugehörende Munition. Dass der Oberpfälzer und der Wiener nicht nur ein bisschen über den Eigenbedarf hinaus dealen, ist schnell klar.
Es stellt sich heraus, dass sie Teil eines Drogen-Netzwerkes sind, das Millionen-Umsätze macht und europaweit agiert. Denn der Wiener bringt die Ermittler bei einer Vernehmung im Jahr 2015 auf die Spur eines deutschen Schreinermeisters, der in Andalusien lebt. Er soll der Kopf des Netzwerkes sein, er sei der Mann, der die Drogen so präpariert, dass kein Spürhund sie findet: Er taucht die Päckchen in Modellierwachs, verpackt sie in Holzpaletten und verschickt sie dann im doppelten Boden eines Transporters nach Deutschland. Die Drogen bekommt er von Schmugglern, die die Päckchen in Schnellbooten von Marokko nach Spanien bringen.
Den Ermittlern fällt auf, dass der Schreinermeister der gleiche heute 61-jährige Mann sein muss, der schon 2011 und 2015 bei Zollkontrollen aufgefallen ist. Beide Male wurden ihm große Mengen Bargeld abgenommen, deren Herkunft er nicht nachweisen konnte. Insgesamt handelte es sich um knapp 360000 Euro – und er wollte das Geld nie zurück. Im Austausch mit den internationalen Kollegen fällt ihnen auch auf, dass genau diese Art, Drogen in Modelliermasse zu schmuggeln, kurz zuvor in Italien angewendet wurde: 130 Kilogramm Haschisch sollten in Bologna an Mitglieder der Mafia übergeben werden. Die Polizei schritt ein und ließ den Deal platzen.
Ein paar Monate später geht den Ermittlern in Wien ein Österreicher ins Netz, der in Spanien lebt und auch mit Rauschgift handelt. Sie finden bei ihm zehn Kilogramm Haschisch, 100 Gramm Kokain und 57000 Euro Bargeld. Auch hier sind die Drogen nach Art des Schreinermeisters verpackt. Das LKA gründet eine international arbeitende Ermittlergruppe gegen den Schreiner: Spanische, französische und deutsche Ermittler arbeiten zusammen, Kollegen aus Italien und Österreich leisten Rechtshilfe. Und auch Allgäuer Ermittler sind dabei: Das Treffen des Wiener Rauschgifthändlers und des Schreinermeisters, bei dem sie sich zur Begehung ihrer Taten verabredeten, habe in einem Hotel in Kempten stattgefunden, bestätigt ein Pressesprecher des BKA auf Nachfrage unserer Redaktion. Die Staatsanwaltschaft Kempten schaltete sich deshalb in die Ermittlungen ein. Keiner der Beteiligten wohne aber in Kempten.
Im Laufe der Ermittlungen nehmen die Behörden Mittelsmänner fest, die alle zum Netzwerk des Schreinermeisters gehören. Zwischen April und Juli 2017 fangen die Ermittler an der andalusischen Küste fünf Tonnen Cannabis ab. Der Drahtzieher bleibt unter Beobachtung. Erst im September 2017 schlagen die Beamten zu und verhaften ihn zusammen mit zwei italienischen Mafiosi.