Es soll ja Leute geben, die Markus Söder etwas Diabolisches andichten. Seit einem Jahr ist bewiesen, dass das zumindest faktisch nicht stimmen kann. Damals hatte der Ministerpräsident eigenhändig ein Kreuz in den Eingangsbereich der Staatskanzlei gehängt. Anders als der Leibhaftige konnte er es ganz normal berühren, stellten amüsierte Internetnutzer daraufhin fest.
Seitdem sind in Bayern hunderte weiterer Kreuze aufgehängt worden. Nach Söders Kreuz-Erlass vom April 2018, der zum Juni in die Geschäftsordnung der bayerischen Behörden aufgenommen wurde, ist das Kreuz im Eingangsbereich jeder Landesbehörde Pflicht. Der Vorstoß hatte deutschlandweit eine heftige Debatte ausgelöst. Söder ist bis heute von seiner Idee überzeugt: „Das ist ein wichtiges Signal gewesen“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Selbstverständlich“ stehe er auch heute noch dazu. Auf die Frage, ob er die Einführung genauso wieder machen würde, erklärte Söder jedoch: „Über die Art und Weise kann man sicher diskutieren.“
Söders Kreuz-Erlass hatte die Gesellschaft im Wahlkampf entzweit
Söders sogenannter Kreuz-Erlass hatte im Landtagswahlkampf 2018 die Gesellschaft entzweit und das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Teilen der CSU und Teilen vor allem der katholischen Kirche weiter verschlechtert. Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hatte kritisiert, die Anordnung löse „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ aus. Der katholische Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose wurde noch deutlicher und sprach in einem Brief an Söder aus, was vielen in dieser Debatte ein ungutes Gefühl bescherte. In seiner Wahrnehmung und derer vieler anderer Christen, schrieb Hose, werde das Christentum von Söder „zunehmend dazu missbraucht, um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben“.
Auch innerhalb der CSU stieß die Anordnung teilweise auf Unverständnis. Söders Vorschlag von Mitte Mai für einen Runden Tisch zu Werten, Kultur und Identität des Landes sollte die Lage befrieden – sorgte aufseiten der Kirche jedoch erneut für Verdruss. Denn Söder schwebte eine „große Lösung“ vor – eingeladen werden sollten nicht nur Vertreter der beiden großen Kirchen, die die Anordnung kritisiert hatten, sondern auch welche anderer Religionsgemeinschaften und zudem Vertreter aus Wissenschaft, Brauchtum und Kultur, insgesamt zwischen 20 und 30 Teilnehmer. Im Juni hätte das Treffen stattfinden sollen. Ende August erklärte eine Sprecherin auf Anfrage, dass es „einen intensiven, ehrlichen und fruchtbaren Dialog und Gespräche“ zwischen Söder und dem katholischen Münchner Erzbischof Marx sowie dem evangelisch-lutherischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm gegeben habe. Von einem Runden Tisch war keine Rede mehr.
Kreuze in Behörden: Söder wollte Runden Tisch mit den Kirchen
Ein Sprecher des Erzbistums München und Freising sagte am Mittwoch auf Anfrage: „Wir stehen im guten Dialog mit der Staatsregierung, es gibt einen produktiven Austausch über aktuelle Themen. Ein Treffen im Rahmen eines von Markus Söder angekündigten Runden Tisches hat aber bislang nicht stattgefunden.“
Ist denn der Kreuz-Erlass wenigstens inzwischen umgesetzt? Söder sagte: „Das weiß ich nicht zu 100 Prozent. Dafür ist das Innenministerium zuständig, aber wir haben das immer sehr liberal gehandhabt.“ Eine Überprüfung finde nicht statt, heißt es dann auch aus dem Innenressort. Die Regelung sei – wie alle anderen Vorschriften der Geschäftsordnung – von den Behörden zu beachten und umzusetzen, erklärte ein Sprecher. „Das hat in der Vergangenheit völlig problemlos funktioniert.“ Die Regelung gilt für mehr als 1100 staatliche Stellen im Freistaat – etwa Landratsämter, Finanzämter und Gerichte. In Schwaben hatten viele Behörden schnell reagiert. Im Kreis Donau-Ries etwa hing bereits wenige Wochen nach dem Erlass in allen Einrichtungen ein Kreuz. Anderswo hatte es kurzzeitig Lieferengpässe gegeben.
Anders als den Landesbehörden steht es städtischen Einrichtungen frei, ob sie Besucher mit einem Kreuz empfangen. In Augsburg war schon kurz nach dem Erlass klar, dass es keine neuen Kreuze geben würde. Die Haltung der Stadt ist unverändert: Im Rathaus und rundherum würden zahlreiche Bauwerke, Gegenstände und Symbole „auf die christlich-abendländische Prägung der Stadt hinweisen“, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Das Anliegen, das der Freistaat mit dem Erlass verfolgt, sei für Augsburg damit bereits erfüllt.
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