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Kreis Würzburg: 20-Jährige stirbt bei Raserunfall: War es Absicht?

Kreis Würzburg

20-Jährige stirbt bei Raserunfall: War es Absicht?

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    In den vergangenen Jahren kamen auch in Bayern unbeteiligte Menschen bei illegalen Autorennen ums Leben.
    In den vergangenen Jahren kamen auch in Bayern unbeteiligte Menschen bei illegalen Autorennen ums Leben. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Für viele Täter ist es ein Nervenkitzel, ein Adrenalinrausch. Sie liefern sich tollkühne Rennen und gefährliche Verfolgungsjagden mit schnellen Autos, meist bei Nacht durch die Stadt. Das Tragische dabei: Immer wieder sterben bei solchen illegalen Autorennen unbeteiligte Menschen.

    Auch in Bayern sorgten solche Unglücke schon für Schlagzeilen. Zum Beispiel im Jahr 2014, als in Nürnberg eine 18-jährige Inlineskaterin vor den Augen ihrer Schwester von einem Raser angefahren und getötet wurde. Oder im vergangenen Jahr, als ein 14-Jähriger in München frontal von einem viel zu schnell fahrenden Auto erfasst wurde, dessen Fahrer auf der Flucht vor der Polizei war. Und in Eisenheim im Landkreis Würzburg. Dort soll 2017 die 20-jährige Theresa von einem alkoholisierten Mann totgefahren worden sein.

    Illegale Autorennen - das ist die Rechtslage

    Seit Oktober 2017 gilt der Paragraf 315 d des Strafgesetzbuchs. Er wurde eingeführt, nachdem bei mehreren illegalen Rennen Menschen getötet und schwer verletzt worden waren. Der Paragraf stellt "verbotene Kraftfahrzeugrennen" unter Strafe.

    Die Teilnahme an einem solchen Rennen wird mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft. Wer damit Leib und Leben einer Person gefährdet, muss sogar mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Bei einer gravierenden Verletzung oder beim Tod einer Person durch ein solches Rennen erhöht sich die mögliche Strafe auf bis zu zehn Jahre.

    Ein Rennen muss nicht organisiert sein. Die Gerichte werten auch sogenannte spontane Ampelrennen als illegales Rennen. Es müssen auch nicht mehrere Fahrzeuge beteiligt sein. Es reicht auch eine Fahrt eines Autos "gegen die Uhr".

    Der Täter, Niclas H., war im Herbst 2019 in erster Instanz noch zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt worden. Doch jetzt nimmt der Prozess um eben jene Todesfahrt eine dramatische Wende: Die Ermittler gehen jetzt der Spur nach, ob nicht ein weit schwereres Verbrechen vorliegt: Mord und Anstiftung zum Mord durch einen Mitfahrer.

    Der Beifahrer soll gesagt haben: „Hopp, fahr auf die zu!“

    Am 9. September hatte in Würzburg die Berufungsverhandlung des Falles begonnen. Direkt danach haben Ermittler aus dem Umfeld der Angeklagten Hinweise erhalten, die den Fall in neuem Licht erscheinen lassen: Einer der vier Männer, die in der Tatnacht im Auto saßen, soll Folgendes erzählt: Der Fahrzeuglenker habe – animiert von einem Mitfahrer – die arglose Fußgängerin am Straßenrand gezielt angepeilt und Gas gegeben. Dies erfuhr unsere Redaktion aus mehreren Quellen. Dies würde zu Zeugenaussagen passen, die beschrieben: Der Wagen habe plötzlich einen Schlenker auf Theresa zu gemacht. Bisher war man davon ausgegangen, dass der betrunkene Fahrer lediglich Schlangenlinie gefahren war.

    Die neuen Hinweise müssen den Ermittlern zumindest so glaubwürdig erschienen sein, dass sie den Beifahrer festnahmen – nach Informationen unserer Redaktion wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord. Er soll sinngemäß zum Fahrer gesagt haben: „Hopp, fahr auf die zu!“ Der junge Mann wurde am Landgericht Würzburg vorgeführt und dann in Untersuchungshaft genommen. Thorsten Seebach, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigte die Festnahme. Nähere Details zu den laufenden Ermittlungen nannte er nicht.

    Wird gegen den mutmaßlichen Täter nun wegen Mordes verhandelt?

    Anwalt Hanjo Schrepfer, der den Fahrer Niclas H. vertritt, nannte die „plötzliche Zeugenaussage nach so langer Zeit befremdlich“. Auf der Grundlage dieser Zeugenaussagen „lässt sich ein dringender Mordverdacht gegen meinen Mandanten nicht begründen“. Der Anwalt des Festgenommenen war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „Wir hoffen bis zuletzt, dass sich jeder meldet und dabei hilft, die Sache aufzuklären, der etwas über den Fall weiß“, sagt Rechtsanwalt Philipp Schulz-Merkel. Er vertritt den Vater der getöteten Theresa S.

    Der Berufungsprozess am Landgericht Würzburg – bisher unter der Anklage der fahrlässigen Tötung in einem und der unterlassenen Hilfeleistung in drei Fällen – wird voraussichtlich in dieser Woche fortgesetzt. Bestätigen sich dort die neuen belastenden Aussagen, wird er wohl schnell beendet und beim Schwurgericht als Mordprozess von vorne beginnen.

    Das Urteil in erster Instanz aus dem Herbst 2019 gegen Niclas H. hatte für Empörung gesorgt. Ein Gutachter hatte den jungen Mann wegen seines Blutalkoholwertes von 2,9 Promille im ersten Prozess am Amtsgericht für schuldunfähig erklärt. Da konnte ihn der Richter nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilen, sondern nur zu einer Geldstrafe wegen fahrlässigen Vollrausches.

    Der Bundestag hat das Strafmaß für Raser verschärft

    Doch nach einer Aussage des Notarztes aus der Unfallnacht will der Sachverständige im Berufungsprozess die Schuldunfähigkeit „eher verneinen“. Dies deckt sich mit einem neuen Gutachten, das noch nicht öffentlich bekannt ist. Laut dem Vorsitzenden Reinhold Emmert erklärt es Niclas H. zum Unfallzeitpunkt für schuldfähig – was bei einer Anklage wegen Mordes von großer Bedeutung wäre.

    Weil es bundesweit immer wieder zu ähnlich tragischen Fällen im Zusammenhang mit Raserunfällen kommt, hat der Bundestag die Gesetzeslage vor drei Jahren verschärft. Während illegale Autorennen vor dieser Gesetzesänderung noch als Ordnungswidrigkeit bestraft wurden, wenn es zu keinem Unfall kam, wurde vor drei Jahren das Strafmaß hochgestuft. Der Bundestag hatte im Oktober 2017 ein Gesetz zur Ahndung illegaler Straßenrennen verabschiedet und einen neuen Straftatbestand geschaffen: den Paragrafen 315d im Strafgesetzbuch. Demnach droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren, wenn ein Mensch ums Leben kommt. (mit dpa)

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