„Vorsicht Schulkinder“ steht auf einem Banner an der Hauptstraße von Ludenhausen (Kreis Landsberg am Lech). Und: „Schulanfänger – Verkehrsanfänger“. Nur: In der Schule von Ludenhausen lernt gerade niemand. Die alternative Sudbury-Schule dort hat keine Genehmigung mehr.
Das wollen Kinder, Eltern und Mitarbeiter nicht hinnehmen. Sie treffen sich täglich im Schulgarten, um sich gegen die Argumente der Behörden zu wappnen. Auch an diesem Abend diskutieren sie wieder am Lagerfeuer. Mitarbeiterin Monika Wernz ist eine der emotionalsten. Sie gestikuliert mit den Händen, ihre Wangen sind im Licht des Feuers gerötet. „Unsere Gemeinschaft wird zusammenbleiben, ganz klar.“ Aufgeben, das kommt hier für keinen infrage. Schließlich hätten sie neun Jahre lang um die Genehmigung ihrer Schule gekämpft.
Vor zwei Jahren dann hatte die Regierung von Oberbayern als Schulaufsichtsbehörde die Sudbury-Einrichtung als „private Ersatzschule“ (Grund- und Mittelschule) zugelassen – allerdings nur befristet auf zwei Jahre. In dieser Pilotphase sollte die Schule nachweisen, dass sie die Lehrziele und Lerninhalte einer öffentlichen Grund- und Mittelschule einhält. Dieses Ziel, so die Regierung von Oberbayern, sei aber nicht erreicht worden. Die staatliche Schulaufsicht habe keine oder nur ungenügende Erkenntnisse zum Ausbildungsstand der Sudbury-Schüler erhalten. Zudem habe sich die Schulversammlung geweigert, an einer schriftlichen Leistungsprüfung teilzunehmen. Es folgten Besuche vor Ort und viele Krisengespräche. Nach und nach wurde der Ton schärfer, was beide Seiten bestätigen.
Schulgemeinschaft demonstrierte vor dem Kultusministerium
Und so lief die Betriebsgenehmigung für die Sudbury-Schule in Ludenhausen am 31. Juli 2016 aus. Verlängert wird nicht. Doch die Vertreter der Schule geben sich nicht geschlagen: Gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern hat der Schulträger Klage beim Verwaltungsgericht München eingereicht, das Verfahren läuft. Vor dem Kultusministerium demonstrierte die Schulgemeinschaft für den Erhalt ihrer Einrichtung.
Monika Wernz würde man in einer Regelschule wohl einfach als Lehrerin bezeichnen. Sie selbst nennt sich „Mitarbeiterin“, manche Sudbury-Schüler sagen „Lernbegleiterin“. Die ehemalige Kindergarten-Erzieherin kommt wie so viele andere jeden Abend ans Lagerfeuer. Diesmal klinkt sie sich kurz aus der Diskussion aus, zeigt das Schulhaus. Im Kunstraum liegen noch die Farben, mit denen die Schüler Plakate für die Demonstration vor ein paar Tagen gemalt haben. Wernz ist überzeugt: Lässt man die Schüler sprechen, versteht man am besten, warum es die Sudbury-Schule weiter geben muss. Chiara etwa war bis vor zwei Jahren auf einer Regelschule. „Dort war ich immer schüchtern“, sagt die Zwölfjährige. „Ich habe den Druck gespürt und konnte nicht mehr richtig rechnen und lesen.“ Einen Tag vor Schulbeginn hat Chiara erfahren, dass sie jetzt wieder an eine Regelschule soll. „Das ist das Härteste, was ich mir vorstellen kann.“
Rund 45 Schüler müssen an andere Schulen wechseln
Doch die rund 45 Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren, die bislang die Sudbury- Schule besuchten, müssen sich auf die Umstellung gefasst machen. Wie die Regierung von Oberbayern mitteilt, müssen die Erziehungsberechtigten ihre Kinder in den jeweiligen Schulsprengeln oder an Privatschulen anmelden. Die betreffenden Schulen seien informiert. Die Schüler verteilen sich auf verschiedene Schularten und die Jahrgangsstufen eins bis neun. Ihre Verteilung sei daher kein Problem, so die Aufsichtsbehörde.
Chiara versteht die Aufregung um Leistungsnachweise nicht: „Laufen und Sprechen haben wir ja auch einfach so gelernt, warum sollte es mit Mathe anders sein? In der Regelschule wird alles so kompliziert gemacht.“