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Kreis Aichach-Friedberg: Nach Amokläufen: Schützen wollen keine Ballermänner sein

Kreis Aichach-Friedberg

Nach Amokläufen: Schützen wollen keine Ballermänner sein

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    Die Familie wurde mit einer Pistole bedroht.
    Die Familie wurde mit einer Pistole bedroht. Foto: dpa

    Über 4700 Schützengesellschaften mit rund einer halben Million Mitglieder zeugen davon, dass Schießen in Bayern Volkssport ist. Nach Fußball und Turnen ist Schießen die drittbeliebteste Sportart. Doch zuletzt geriet sie nach Amokläufen immer wieder in die Kritik.

    Denn die Täter, zuletzt eine 41-jährige Rechtsanwältin aus Lörrach, waren Sportschützen. Helmut Golling, Schützenkönig des 1925 gegründeten "Schützenkranzes Wulfertshausen" im Landkreis Aichach-Friedberg, hält die "Verteufelung" seiner Sportart für weit überzogen.

    Sie sagen, Sie fühlen sich als Sportschütze verunglimpft, wenn nach einem Amoklauf die Öffentlichkeit das Verbot von Waffen in Privathand fordert.

    Golling: Es ist bedauerlich, dass das so aufgebauscht wird. Es heißt, in Schützenvereinen werde nur geballert. Ich sage Ihnen: In den allermeisten Vereinen ist das anders. Wir haben beispielsweise 38 Vorderladerschützen. Jeder von ihnen besitzt einen Sprengstoffschein. Jeder wird angehalten, die Waffe sicher und vorschriftsgemäß aufzubewahren. Es darf einfach nicht passieren, dass der Schlüssel einfach so herumliegt.

    Wo ist denn Ihrer?

    Golling (lächelt): Immer am Mann.

    Was lagern Sie im Waffenschrank?

    Golling: Einen Wehrmachtskarabiner K98 zum Traditionsschießen. Dazu zwei Zimmerstutzen und ein Kleinkalibergewehr.

    Dafür haben Sie einen Waffenschein?

    Golling: Ja.

    Wofür brauchen Sie denn einen Wehrmachtskarabiner?

    Golling: Natürlich bräuchte ich ihn nicht. Aber ich hänge an der Waffe. Sie ist das erste scharfe Gewehr, das ich mir angeschafft habe.

    Müssen Privatpersonen überhaupt großkalibrige Waffen besitzen?

    Golling: Nein, im Grunde natürlich nicht. Und unter Waffensammlern gibt es natürlich auch problematische Charaktere. Bei denen müsste man tatsächlich besser aufpassen.

    Es gibt Kritiker, die jetzt wieder fordern, die Gesetze zu verschärfen, um es für potenzielle Amokläufer schwieriger zu machen, an Waffen zu kommen.

    Golling: Das Problem ist der Zugriff auf die Waffe. Wenn sie nicht ordnungsgemäß aufbewahrt ist, kann das weitreichende Folgen haben. Ich weiß nicht mehr, wo es war. Ein Bub hat seinem Vater die Schlüssel aus dem Nachtkästchen geklaut …

    In Winnenden.

    Golling: Genau. So etwas darf einfach nicht passieren. Der Schlüssel darf nicht für jeden zugänglich sein.

    Doch genau das ist das Problem. Es passiert immer wieder.

    Golling: Freilich. Daher kommen auch die Vorwürfe. Aber was kann man da schon machen?

    Vielleicht doch die Gesetze verschärfen?

    Golling: Das bringt rein gar nichts. Denn entscheidend ist, wie das dann überwacht wird. Wie soll das bitte geschehen?

    Mit unangemeldeten Kontrollen.

    Golling: Ich weiß nicht. Da entsteht doch wieder jede Menge Bürokratie. Gerade wurde ich vom Landratsamt angeschrieben, drei Fotos vom Waffenschrank zu machen. Mittlerweile muss das Gewehr beim Wettkampfschießen auch im Futteral abschließbar sein. Die Kunststofftasche muss also mit einem Vorhängeschloss versperrt werden. Doch ich sage Ihnen: Wenn es einer drauf anlegt, dann kommt er auch an die Waffe. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass weitere Verschärfungen noch etwas bringen. Auf gut Bayerisch: I hoit's für an Schmarrn!

    Und was halten Sie davon, alle Waffen zentral im Schützenheim aufzubewahren?

    Golling: Auch das bringt nichts. Die Sicherheitsmaßnahmen würden wahnsinnig teuer. Und wer sollte die Verantwortung bei einem Einbruch tragen? Ich würde sofort mein Amt als Schützenmeister niederlegen.

    Wie schaut eigentlich so ein Schützenabend aus?

    Golling: Wir sind - abgesehen von den Vorderladern - ein Verein, in dem nur mit Luftdruckwaffen geschossen wird. Wir machen Wettkämpfe und trainieren dafür. Das Ganze wird sportlich schon ernst genommen. Natürlich kommt auch das Gesellige nicht zu kurz. Bei uns spielt der Erhalt von Tradition eine große Rolle. Beim Friedberger Altstadtfest treten wir mit einer historischen Vorderlader-Gruppe auf.

    Wenn ich Mitglied in einem Schützenverein werden will, gibt es da eine Aufnahmeprüfung oder eine Art psychologischen Test?

    Golling: Nein. Man sieht doch, wer da kommt. Jugendliche dürfen ab zwölf Jahren im Verein mitschießen. Wenn einer ein richtiger Treibauf ist, dann holt man die Eltern und erkundigt sich. Im Dorf wird das alles auf kurzem Weg besprochen.

    Aber ein Gutachten braucht niemand?

    Golling: Nein. Wir verfügen über so viel klaren Menschenverstand, einen Neuling einschätzen zu können. Wenn einer zu uns zum Ballern kommt, dann nehmen wir uns den zur Brust. Bei Jugendlichen bis zum 14. Lebensjahr muss außerdem eine Aufsichtsperson dabei sein.

    Was kostet eigentlich der Einstieg in den Schießsport?

    Golling: Für Kinder und Jugendliche können wir als Verein die Ausrüstung stellen. Ansonsten ist man mit 1500 Euro dabei.

    Wie steht es mit dem Nachwuchs?

    Golling: Es könnte besser sein. Die Berichte nach Amokläufen tun unserem Image sicher nicht gut. Außerdem tendieren die meisten Jugendlichen zum Fußball. Viele Buben, die zu uns kommen, verstehen das Schießen nur als Zweitsport. Bei uns in Wulfertshausen sind übrigens die Einheimischen im Schützenverein, die Zugezogenen nicht. Interview: Josef Karg

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