Sie hat sich Zeit gelassen. Oder besser: Sie hat sich einfach ihre Zeit genommen. Denn das beschreibt wohl viel treffender, wie Sade zu den üblichen Abläufen des Musikgeschäfts steht. Während seit Mitte der 80er, als sie mit sinnlichen Liedern wie „Smooth Operator“ zum Weltstar wurde, die für einen Erfolg geforderte Präsenz und Veröffentlichungstaktung stetig zunahm, hat sie sich immer wieder ausgedehnte Pausen gegönnt, zuletzt eine von ganzen elf Jahren – um dann ein großartiges Album abzuliefern.
Und so lässt sie halt auch an diesem Donnerstagabend in München eine volle Olympiahalle lange warten, kommt erst um kurz vor halbzehn auf die Bühne – um dann ein zweistündiges, zauberhaftes Konzert hinzulegen.
52 ist die Nigerianerin inzwischen. Doch als sie mit dem streng nach hinten gebunden Haar und ganz in Schwarz treppan aus einer Bodenluke erscheint, wirkt sie nicht nur schön wie einst. Auch ihre Stimme tönt warm und rauchig in den Tiefen, kräftig und klar in den Höhen wie einst, vielleicht sogar noch besser.
Damit verleiht sie nicht nur all den alten Hits wie „No ordinary love“ oder „Sweetest Taboo“ oder dem diesen Abend abschließenden „Cherish the day“ ihre unverwechselbare Note. Gerade die neuen Lieder wie „Soldier of love“ , mit dem sie diesen Abend beginnt, sind damit eindeutig Sade, auch wenn sie deutlich rhythmusbetonter, rauer daherkommen.
Das Erstaunliche, das ihr somit bereits auf dem Album gelungen ist und sich nun auch live zeigt: Diese Frau vermag auch mitten in die Zeit einer Schwemme an poppigem R’n’B und neuer „Soul“-Sängerinnen eine ganz eigene Note zu setzen.
Das hat Stil und ist ästhetisch überzeugend wie auch die Bühnenshow, die ohne das verbreitete Revuebrimborium auskommt und, statt auf ein Maximum zu schielen, aus Schatten, Kontrasten und kleinen Bewegungen ein Optimum herausholt. Zauberhaft! Und wenn diese Frau mit dieser Stimme dann auch noch innige Balladen singt wie Jezebel – dann darf sie sich getrost alle Zeit der Welt nehmen.