Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Konzert in München: Bye bye, Placebo? So verkackt man seine Geburtstagsfeier

Konzert in München

Bye bye, Placebo? So verkackt man seine Geburtstagsfeier

    • |
    Brian Molko konnte mit seiner Band Placebo beim Konzert in München nur für wenig Begeisterung sorgen.
    Brian Molko konnte mit seiner Band Placebo beim Konzert in München nur für wenig Begeisterung sorgen. Foto: Michele Danze/Archiv (dpa)

    Ein Jubiläum ist neben dem Grund zur Feier ja immer auch einer zum Innehalten und Fragen: Die Vergangenheit war groß, ein Abschnitt endet hier – und weiter? In diesem Fall: Haben die britischen Pop-Helden von Placebo nach 20 Karrierejahren noch eine Zukunft? Ist noch was zu erwarten? Der Festabend in München an diesem Freitagabend gibt tatsächlich eine Art Antwort…

    Sie treten auf wie Legenden. Mit atemberaubender Souveränität lassen Brian Molko und Co. den Hit, der einst die große Pop-Karriere der Briten begründet hat, „Every You Every Me“, zu Beginn ihres Konzertes über Video an den großen Hallenleinwänden ablaufen – so wie dereinst Oasis dazu übergingen, ihren Evergreen „Wonderwall“ am Ende des Konzert, während die Gallagher-Brüder die Bühne räumten, vom Band laufen zu lassen. Heldenarroganz? Britische Coolness? Erst danach jedenfalls und nach vielen Jubelbildern aus der darauf folgenden Karriere kommen Placebo leibhaftig (mit fünf musikalischen Begleitern) auf die Bühne der Münchner Olympiahalle. Und servieren mit „Pure Morning“ dann gleich den nächsten großen Song der Band, die ja so viele Hits gelandet hat seit Erscheinen ihres Debütalbums vor 20 Jahren. Und kann, ja muss das nicht ein großer Abend werden, wenn Placebo hier angetreten sind, diesen Geburtstag mit ihren Fans zu feiern? Und damit nur ein Episodenschnitt auf dem Weg in eine Altern als Legenden?

    Nur ein wirklich großer Moment beim Placebo-Konzert in München

    Eine Stunde später reißt der einzig wirklich große Moment dieses Abend aus der da fast schon zur Verzweiflung gerinnenden Ernüchterung. Molko, der genialische Quäker, bald 44 Jahre alt und mit seiner Haarmütze aktuell eine Art Look-Alike des alten Gründgens in seiner Rolle als Mephisto, stimmt mit „Without You I’m Nothing“ eine der Monsterballaden der Band an, und im Hintergrund zeigen Bilder den britischen der dieses Jahr verstorbenen Pop-Götter, David Bowie. Früh schon hatte der Placebo als seine neue Lieblingsband geadelt, war mit ihnen aufgetreten und Molko befreundet gewesen. So ballt sich mit wahrer Legendenhilfe an diesem für einen Moment das, was man doch über den ganzen Abend hätte erwarten können: dass die musikalische Theatralik, das Meldodrama dieser Band, die Molko später selbst als „supreme melancholists and professional onanists“ bezeichnet, aufgeladen durch Können, Substanz und das doch schon oft unter Beweis gestellte inszenatorische Geschick im Verbund mit immerhin 8500 offene Fanherzen in der deutlich nicht ausverkauften Olympiahalle zu bewegenden Momenten führt. Aber: Nix da! Placebo schaffen es tatsächlich, sich die Jubiläumssause selbst zu verkacken – und das auch noch nicht als Ausnahme in München, sondern mit zwei Problemen, die sie gleich in Konzept der ganzen Tour eingeschrieben haben.

    Placebo in München: Falsches Set und schlechter Ton

    In allen Ort spielen Molko und Co. das gleiche Set, 25 Songs, inklusive der Zugaben, deren letzte nach exakt zwei Stunden das Kate-Bush-Cover „Running Up That Hill“ ist. Es ist bei all den Möglichkeiten, die sich den Herren aus ihren Alben bietet, eine merkwürdige Mischung mindestens, eine missglückte Dramaturgie jedenfalls. Nach „Pure Morning“ zu Beginn hätten sie die Halle leicht weiter anheizen können, brechen aber mit „Loud Like Love“ und „Jesus’ Son“ die anhebende Stimmungswelle. Und selbst als dann bald darauf eine eigentlich weitgehend gelungene Kombination folgt, weil das ja eigentlich vielseitige Songwriting der Band zum Tragen kommt, vom noch sehr frischen „Too Many Friends“ über das mittelalte „20 Years“ und das ganz alte „I Know“ bis zum mittelmäßigen „Devil in the Details“ und dem großartigen „Space Monkey“ – selbst dann bleibt alles gedämpft. Und es liegt eben nicht nur daran, dass, wie Molko später sagt, die ersten zwei Drittel der Show Schmerzenslieder sind, während hinter raus dann tatsächlich („No Spaß without Dancing!“, schreit der Sänger) die Party anhebt – vom stumpfen „For what it’s worth“ über „Special K“ zu „The Bitter End“ und in den Zugaben dann mit „Teenage Angst“, Nancy Boy“ und „Infra-Red“. Es ist vor allem auch, weil Placebo ihren Sound so auf Wucht aufgepolstert haben, dass von den doch so wichtigen die Differenzierungen der Songs wenig übrigbleibt. Auch der wie gewöhnlich geschlechtsmäandrierende Method-Act-Sänger Molko schraubte die Stimme immer und immer und immer Richtung High Pitch. Es war also: Das falsche Set und dem ist auch noch alle Schönheit ausgetrieben. Zu allem Überfluss ist der Ton der Halle zu Beginn auch noch eher zu leise und gegen später dann zu breiig. Ja, mäkel, mäkel, Mäkelei!

    Fans feiern Placebo trotzdem

    Denn diese Band hat schon so viel bessere Konzerte gespielt, die einem den Zweifel nehmen konnten, ob von ihnen auch nach dem Höhepunkt der Nuller-Jahre noch etwas zu erwarten ist. Wie leicht hätte es da doch sein können, ein solches Geburtstagsfest als Signal zum Durchstarten zu nutzen, auch wenn das letzte Album „Loud Like Love“ nun eben nicht der Brüller war? Das Publikum in der Olympiahalle war ziemlich weiblich und im Alter auch bis in die Jugend hinein so gemischt, dass einem eigentlich nicht bange sein müsste, oder? Wie groß die Liebe jedenfalls unter ihnen ist, zeigten sie, als sie am Ende der Show, das durften, was ihre Helden ihnen trotz aller wuchtiger und wirkungsvoller Helden-Inszenierung auf den Videoleinwänden über lange Strecken des Konzerts hin verbaut hatten: einfach Placebo feiern.

    Und so bleibt nach einem solchen Jubiläum eher der Befund: Die Strickmuster der Songs werden an einem solchen, breiigen Abend dermaßen schmerzhaft sichtbar, dass die Geschichte dieser Band auserzählt wirkt. Vielleicht ist von Molko und Co. nichts mehr zu erwarten als bloß noch neue, irgendwie dann eben wuchtigere Aufgüsse („Lazarus“?) – und dann lieber nichts mehr. Adieu, Placebo?

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden