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Konzert: Green Day in München: Friede, Freude – Fuck!

Konzert

Green Day in München: Friede, Freude – Fuck!

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    Green Day spielte sein einziges Deutschland-Konzert in München.
    Green Day spielte sein einziges Deutschland-Konzert in München. Foto: Luis Tejido, dpa (Archivfoto)

    Viele Millionen hatten sich an diesem Mittwoch im Internet angeschaut, wie tags zuvor ein netter Nürnberger namens Ferdinand im vollen Olympiastadion seinen Helden Chris Martin von Coldplay am Piano begleiten durfte. Toll! Den Green-Day-Fans, die am Abend dann nebenan die Olympiahalle bis zum Bersten füllten, mag das nur ein sanftes Lächeln entlockt haben. Seit Jahren schon holen holt sich der unstillbare Aufpeitscher Billie Joe Armstrong Fans auf die Bühne, lässt sie ganze Strophen singen, seine Gitarre spielen (die auserwählte Verena in München bekam das gute Stück danach sogar gleich noch geschenkt) und verwandelt überhaupt jeden Auftritt unermüdlich zu einem gemeinsamen Exzess der Lebenslust. Blinkend bunte Effektspektakel brauchen Green Day dafür nicht. Denn das hier ist eben kein Pop.

    Dabei wurden die Amerikaner Mitte der Nuller Jahre quasi parallel zu Coldplay zu echte Hitparadenhelden. Mit dem Album "American Idiot" und Liedern wie dem Titelsong und "Holiday", vor allem aber "Boulevard of Broken Dreams" und "When September Ends" schafften sie es sogar in die Hitradios – die großen Stadien dieser Welt schienen sich für Billie Joe Armstrong, Mike Dirnt und Tre Cool zu öffnen. Aber die machten viel lieber da weiter, wo sie einst begonnen hatten und gut zehn Jahre zuvor die ersten Hits gelandet hatten, mit dem Album "Dookie", Songs wie "Basket Case": Sie wurden zu den Superstars des großen Punk-Rock-Revivals. Und auch heute zeigen sie noch, wo der Hammer hängt. Jenseits aller Nettigkeit nämlich.

    Green Day in München: Lustvoller Wahn

    Der Bandname Green Day spielt ja eigentlich auf einen bekifften Tag an – wer die Herren aber gut 25 Jahre nach ihrem Debütalbum nun etwa in München erlebt, denkt da eher an ganz andere, eher stimulierende Substanzen. Nach ellenlangem Intro, das sowohl Queens "Bohemian Rhapsody" wie den "Blitzkrieg Bop" der Ramones ausspielt und danach auch noch in Ennio Morricones Titelsong zu "The Good, the Bad and the Ugly" mündet (auf Deutsch noch immer die blödeste Filmtitelübersetzung aller Zeiten: "Zwei glorreiche Halunken") und damit der Kurs Richtung lustvollem Wahn gesetzt ist, knallen die formidablen Drei (ergänzt wie immer durch Jason White, Jason Freese und Jaff Matinka) gleich mal "Know Your Enemy" und "Bang Bang" auf die Bühne.

    Zweieinhalb Stunden voller Punk-Rock servieren sie im Anschluss, servieren außer "When September Ends" natürlich auch die Hits, bevor Billie Joe nach einem prächtig ausufernden "Jesus of Suburbia" ein letztes Mal auf die Bühne zurückkehrt, um mit dem in Feierfreude aufgelösten Publikum zur Akkustischen "Ordinary World" und "Good Riddance" zu singen.

    Billie Joe: "No to Donald Trump"

    Die Höhepunkte? Wahrscheinlich "When I Come Around" und "Minority" und "Basket Case" und "She", aber so genau kann das in diesem hin und wieder doch von Feuerfontänen und Böllerschüssen begleiteten Taumel keiner sagen. Aber gehört natürlich auch das einst George W. Bush gewidmete "American Idiot", das auch diesmal wieder hübsche Pogo-Tumulte auslöst und dabei einen neuen Adressaten hat. Billie Joe jedenfalls sagt: "No to racism, no to sexism, no to homophobia" und schickt ein "no to Donald Trump" hinterher, dem er später auch noch ein herzhaftes Fuck folgen lässt. Erwartbar? Klar. Aber aus dem Herzen einer Band gesprochen, für die die Freiheit das Elixier ihres Schaffens geblieben ist und eine gemeinsame Ekstase mit ihren Fans in der Musik das Ziel, muss das halt auch raus.

    Ein bisschen blöd vielleicht zwischendurch eine Art punkiges Faschings-Cover-Medley aus "Shout", "Always look on the bride side of life", "Satisfaction" und "Hey Jude" – und immer wieder albern auch, wie Billie Joe mit seiner Luftdruckknarre Band-Shirts ins Publikum feuert. Unnötig, weil mehr Coldplay als Green Day schließlich auch das bisschen Konfetti am Ende. Aber sonst war es eben mal wieder der erhoffte herzhafte Auftritt. Mit Billies Worten: so "weird, fucked up and crazy", dass die Welt schon wieder Sinn macht. Nicht weil, wie er tatsächlich auch predigt, Rock’n’Roll die Welt verändern könne – sondern weil hier in positiver Wucht Friede und Freude herrschen, Freiheit regiert (wenn die Fans tatsächlich mal ihre Smartphones ganz auslassen, wie der Sänger, inzwischen auch schon 45, immer wieder fordert, weil er deren Gesichter sehen will, glücklich, im Jetzt und nichts für morgen speichernd). Und ein bisschen Fuck. Das ist in einem solchen Hexenkessel viel besser aufgehoben als in den großen Stadien dieser Welt.

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