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Kommunalwahl 2014: Drei Landräte legen ihr Amt nieder - doch nur einer freiwillig

Kommunalwahl 2014

Drei Landräte legen ihr Amt nieder - doch nur einer freiwillig

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    Sie stehen in zwei Wochen nicht mehr zur Wahl als Landrat (von links): Erich Josef Geßner und Gebhard Kaiser dürfen wegen ihres Lebensalters nicht mehr ran. Und Christian Knauer hat nach zwölf Jahren genug.
    Sie stehen in zwei Wochen nicht mehr zur Wahl als Landrat (von links): Erich Josef Geßner und Gebhard Kaiser dürfen wegen ihres Lebensalters nicht mehr ran. Und Christian Knauer hat nach zwölf Jahren genug. Foto: Mathias Wild

    War es vor acht oder zehn Jahren? Erich Josef Geßner weiß es nicht mehr genau. Aber an den Spitzenbeamten in Brüssel erinnert er sich noch. Im Büro eines EU-Kommissars wurde dem Neu-Ulmer Landrat deutlich gemacht, wie Deutschland sich von anderen Ländern unterscheidet. „So viele Beschwerden erreichen uns jedes Jahr aus Frankreich“, sagt der Mann und hebt den Zeigefinger seiner Hand vom Daumen drei, vier Zentimeter ab. „Und so viele aus Italien“ – der Abstand zwischen den beiden Fingern wird noch etwas größer. „Und jetzt

    "Wer sich etwas traut, muss damit rechnen, irgendwann den Staatsanwalt im Haus zu haben"

    Geßner (CSU) hat sich das gemerkt. „Der Staat hat seine Hausaugaben beim Abbau der Bürokratie nicht getan“, sagt ausgerechnet ein diplomierter Rechtspfleger, der Zeit seines Berufslebens Akten ganz und gar nicht mit Widerwillen begegnete. Doch das, was sich auch auf Landkreisebene auftürmt, ist dem 69-Jährigen zu viel. „Ich habe so wenige mutige Leute in der Verwaltung erlebt“, sekundiert der Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser. Geßner kann sich das erklären: „Wer sich heute etwas zutraut, muss immer damit rechnen, irgendwann den Staatsanwalt im Haus zu haben.“ Auch der Posten des Landrates, für den Ältesten des schwäbischen Kreischef-Trios „eigentlich das schönste Amt der Welt“, sei nicht mit dem zu vergleichen, was er vor 18 Jahren vorgefunden habe. „Man steht heute unter ständiger Beobachtung. Außerdem hat das Arbeitspensum gewaltig zugenommen – vor allem in den letzten Jahren.“

    Christian Knauer hört mit 62 Jahren auf

    Fast ein halbes Jahrhundert haben die drei Kommunalpolitiker zusammengerechnet Landrats-Erfahrung. Christian Knauer (Landkreis Aichach-Friedberg) ist der Einzige, bei dem es eine Überraschung war, dass er nach zwölf Jahren nicht mehr antritt. Knauer ist mit bald 62 Jahren der „Benjamin“ in der Runde. Aber: Am Ende einer dritten Amtszeit wäre er dann fast 68. „Und mein Vater hat den 62. nicht mehr erlebt“, sagt er und nimmt das als Hinweis, seinen beruflichen Weg nicht weiterzugehen: Es gibt auch noch ein Leben nach dem Landrat.

    Alle Landräte stehen vor ähnlichen Herausforderungen

    Alle Landräte standen in ihrer Laufbahn vor ähnlichen Herausforderungen: Schulden mussten vermindert, Infrastruktur musste verbessert und beispielsweise in Bereichen wie Bildung und Gesundheitsvorsorge kräftig investiert werden.

    Geräusch- und widerstandslos ist das nicht abgelaufen. Das „Pfui“ auf den Schildern von Demonstranten und die verbalen Anfeindungen im Zuge der Krankenhaus-Reform im Kreis Neu-Ulm vergisst Geßner nicht. Er konnte alle drei Standorte erhalten, weil die defizitären Einrichtungen alle etwas abgaben (Abteilungen, Betten) und sich profilierten. „Seit 2010 werden schwarze Zahlen geschrieben.“ Im Oberallgäu musste an zwei Klinikstandorten sogar ganz geschlossen werden.

    Ein Landrat darf sich nicht vor unangenehmen Aufgaben drücken

    Das beste Mittel, um heftigen Gegenwind auszuhalten, sei: Haltung bewahren, Rückgrat zeigen, so Knauer. „Sich vor unangenehmen Dingen zu drücken, das ist der größte Fehler, den du machen kannst.“ Knauer will sich nach dem Abschied auf historisch-wissenschaftliche Weise der Heimat seiner Eltern annähern und das Fluchtgeschehen in Schlesien erforschen.

    Einer will mehr Zeit für die kranke Frau, der andere ärgert sich über den Zwangsurlaub

    Geßner wurde bereits für eine Kanzelpredigt engagiert und kann sich vorstellen, Politik und Recht an Schulen zu lehren. Ein Angebot als Geschäftsführer einer Firma für knapp 250 000 Euro im Jahr hat er abgelehnt. Im Mittelpunkt wird seine kranke Ehefrau stehen, um die er sich intensiv kümmern will.

    Gebhard Kaiser fällt das Loslassen am schwersten. Er hat sich zwar damit arrangiert und kündigt schon mal an: „Am Samstag und Sonntag mach ich nix mehr.“ Posten im Kolping-Bildungswerk und im Oberallgäuer Klinikverbund wird er aber weiter ausüben. CSU-Mann Kaiser mit seiner zupackenden Art kann nicht verstehen, warum er mit 65 Jahren in den Zwangsruhestand geschickt wird. Dass im Landtag so entschieden worden sei, „verüble ich meinen Parteikollegen“.

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