Kommt es wirklich so, wie die Bundesregierung und die Länder am Montag beim Impfgipfel verkündet haben, dürfen sich ab Juni alle Erwachsenen in Deutschland zur Impfung anmelden - unabhängig davon, welcher Prioritätengruppen sie zugeteilt sind. In Bayern soll das sogar schon im Mai möglich sein. Alle Erwachsenen? Nein. Die allermeisten Schwangeren sind nach wie vor von einer Impfung ausgeschlossen. Das ist falsch - zumal Daten aus anderen Ländern wie den USA gezeigt haben, dass durch die Impfung kein Risiko für die Schwangere und ihr Baby besteht.
Natürlich hat die ständige Impfkommission (Stiko) Gründe für ihre Einschätzung: Ihr fehlen trotz der Zahlen aus den USA belastbare Daten. Und gerade nach dem Contergan-Skandal in den frühen 60er Jahren, ist die Angst davor mit unbekannten Medikamenten dem ungeborenen Kind zu schaden groß. In diesem Fall sollte die Stiko dennoch umdenken und Schwangeren die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, was sie möchten.
Corona-Pandemie: Für Schwangere ist Verzicht gerade die einzige Möglichkeit, sich und das Baby zu schützen
Wer während dieser Pandemie schwanger ist, muss auf vieles verzichten: Geburtsvorbereitungskurse finden meist nur online statt, der Kontakt zu anderen Schwangeren, den eigenen Eltern oder Verwandten ist eingeschränkt. Ob der Partner bei der Geburt im Krankenhaus dabei sein kann, ob er nach der Geburt im Krankenhaus bleiben oder nur als täglicher Besucher ein Stündchen vorbeikommen darf, ist ungewiss. Wer gerade schwanger ist, verzichtet auf vieles. Weil Verzicht die einzige Möglichkeit ist, sich selbst und das Baby vor einer Corona-Erkrankung zu schützen. Das ist wichtig - gibt es doch Daten, dass Schwangere, sollten sie sich mit dem Coronavirus anstecken, mit höherer Wahrscheinlichkeit einen schweren Krankheitsverlauf haben.
Um Schwangere wenigstens etwas vor einer Infektion zu schützen, dürfen sich enge Kontaktpersonen bevorzugt impfen lassen. Das hilft zwar für das eigene Umfeld. Aber Schwangere verstecken sich ja nicht bis zur Geburt in den eigenen vier Wänden. Sie nehmen am Alltag teil, gehen einkaufen, arbeiten und mindestens alle vier Wochen sind sie beim Arzt. Viele haben schon Kinder, die in die Schule, den Kindergarten oder die Krippe gehen - und nicht geimpft werden dürfen.
Schwangere sind darauf angewiesen, dass die Mehrheit sich für sie mitimpfen lässt
Das Risiko, sich anzustecken, ist bei ihnen genauso hoch wie bei allen anderen auch. Nur im Gegensatz zu allen anderen gibt es für Schwangere keine Hoffnung auf eine baldige Impfung. Sie können selbst nichts tun, um ihr Corona-Risiko zu senken. Sie sind darauf angewiesen, dass die Mehrheit der Deutschen sich für sie mitimpfen lässt. Ein unangenehmes Gefühl, wenn gleichzeitig Impfgegner und Corona-Leugner laut protestierend durch die Straßen ziehen.
Zwar ist die Impfbereitschaft nach einer aktuellen Umfrage des RKI recht hoch - etwa 70 Prozent der Deutschen wollen sich impfen lassen. 30 Prozent lehnen eine Impfung aber ab oder sind noch unentschieden. Wenn sich also im Juni wirklich alle Erwachsenen zur Impfung anmelden können, sollte das auch für Schwangere gelten. Sie sollten die Möglichkeit bekommen - nach einer guten Aufklärung über die möglichen Risiken - selbst für sich und ihr Baby zu entscheiden, ob sie sich impfen lassen möchten oder nicht. Dabei geht es nicht um Privilegien, sondern um den Schutz vor einer tödlichen Krankheit.
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