Mit dem Vorgehen gegen ausländische Berichterstatter fügt die türkische Regierung nicht nur dem ohnehin bereits reichlich ramponierten Ansehen des Landes in der internationalen Gemeinschaft neue Kratzer zu. Sie schadet auch sich selbst: Mit dem Rauswurf von Auslandskorrespondenten verliert das Land sachverständige Experten, die einem internationalen Publikum erklären können, was in der Türkei geschieht und warum. Das ist für Ankara wichtiger denn je.
In den 80ern war die Türkei pressefreundlich
In den 1980er Jahren ging der damalige Staatspräsident Turgut Özal mit gutem Beispiel voran. Er bemühte sich, die damals mehrheitlich in Griechenland oder Zypern stationierten westlichen Journalisten zum Umzug in die Türkei zu bewegen. Özal versprach sich davon ein besseres Image seines Landes, das vielerorts als hoffnungslos zurückgebliebener Tummelplatz orientalischer Folterknechte galt. Für die Türkei war die Entscheidung ein Gewinn.
Doch Özals Erkenntnis scheint in der türkischen Regierung in Vergessenheit geraten zu sein. Auslandskorrespondenten werden als Spione oder Terroristenhelfer betrachtet, durch die Verweigerung der Akkreditierung aus dem Land gejagt oder gleich festgenommen, abgeschoben oder vor Gericht gestellt. Dass sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan über so manche Depesche der jüngsten Zeit ärgert, ist nicht verwunderlich. In einer solchen Lage braucht die Türkei jedoch mehr Dialog, nicht weniger.
Ohne Türkei-Experten könnte Erdogan im Ausland komplett zur Karikatur werden
Wenn die Regierung bewusst jene vertreibt, die sich eingehend mit dem Land beschäftigen, Türkisch lernen und versuchen, die Sichtweise der handelnden Politiker jenseits von Pauschalurteilen darzustellen, dann nimmt sie sich selbst die Möglichkeit, Verständnis für ihre eigenen Positionen zu wecken. In Ankara regieren schließlich keine Verrückten, sondern wie in anderen Hauptstädten auch Politiker mit persönlichen Erfahrungen, Prägungen und Interessen, die sich in einem bestimmten Umfeld von Geschichte, Religion und Kultur bewegen. Ohne Türkei-Experten im Land riskiert Erdogan, im Ausland vollends zur Karikatur zu werden.
Lesen Sie dazu auch: Inhaftierte Journalistin: Wie Freunde und Familie für Mesale Tolu kämpfen