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Kommentar: Fall Peggy: Ein Justizskandal wird spät bereinigt

Kommentar

Fall Peggy: Ein Justizskandal wird spät bereinigt

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    Die gute Nachricht nach dem Freispruch im Fall Peggy: Die bayerische Justiz ist in der Lage, ein früheres Fehlurteil zu korrigieren. Nichts anderes war die Verurteilung des geistig Behinderten Ulvi Kulac vor zehn Jahren.

    Das ganze Verfahren war aus heutiger Sicht eine Farce. Die erste Soko der Polizei scheiterte bei der Tätersuche. Die zweite Soko schoss sich - möglicherweise unter politischem Druck - auf einen geistig behinderten Mann ein. Er gestand – offenbar von der Polizei unter Druck gesetzt. Dann widerrief er sein Geständnis wieder. Ein V-Mann der Polizei belastete Ulvi Kulac und sagte später, er habe gelogen. Ein Gutachten entstand unter falschen Voraussetzungen. Ernst zu nehmende Zeugen ignorierte das Landgericht Hof 2004.

    Aus diesen Gründen ist der Fall Peggy ein Justizskandal zu nennen. Diesen Skandal hat das Landgericht heute bereinigt.

    Die schlechte Nachricht:  Die Beharrungskräfte in der Justiz sind immer noch sehr groß. Es erfordert einen immensen Aufwand und meist auch beträchtlichen Druck der Öffentlichkeit, bis ein festgezurrtes Urteil noch einmal überprüft wird. Zehn Jahre hat es so gedauert, bis dem geistig Behinderten nun Gerechtigkeit widerfahren ist.

    Der Fall Peggy

    07. Mai 2001: Die neunjährige Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg wird letztmalig auf dem Heimweg von der Schule gesehen. Ihre alleinerziehende Mutter gibt noch am Abend eine Vermisstenanzeige auf. Wochenlange Suchaktionen - unter anderem mit Tornados der Bundeswehr - bleiben ohne Erfolg.

    August 2001: Der geistig behinderte Gastwirtssohn Ulvi K. wird festgenommen. Er gesteht, sich an Peggy und drei weiteren Kindern sexuell vergangen zu haben.

    22. Oktober 2002: Die Ermittler präsentieren den 24-jährigen Gastwirtsohn als mutmaßlichen Mörder der spurlos verschwundenen Schülerin.

    28. Februar 2003: Die Staatsanwaltschaft Hof erhebt Anklage wegen Mordes.

    07. Oktober 2003: Vor dem Landgericht Hof beginnt der Prozess. Nach fünf Verhandlungstagen platzt er wegen einer fehlerhafter Besetzung der Strafkammer.

    11. November 2003: Das Verfahren beginnt erneut.

    30. April 2004: Nach 26 Verhandlungstagen wird Ulvi K. wegen Mordes an Peggy zu lebenslanger Haft verurteilt.

    17. September 2010: Ein wichtiger Belastungszeuge hat seine Aussage widerrufen und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden.

    19. Juli 2012: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth kündigt eigene Prüfungen an.

    04. April 2013: Der Anwalt Michael Euler beantragt beim Landgericht Bayreuth die Wiederaufnahme des Falls.

    22. April 2013: Die Polizei sucht wieder nach Peggys Leiche. Hinweise führen die Ermittler zu einem Anwesen mitten in Lichtenberg. Knochen in einer Sickergrube stammen aber nicht von Peggy-

    21. November 2013: Ein Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt ist ins Visier der Ermittler gerückt. Er war ein enger Freund von Peggys Familie und gilt für die Staatsanwaltschaft mittlerweile als Tatverdächtiger. Sein Elternhaus wird durchsucht.

    09. Dezember 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Ulvi K. an.

    08. Januar 2014: Auf dem Friedhof Lichtenberg öffnen die Ermittler ein Grab - sie vermuten, dass im Zuge einer Beerdigung im Mai 2001 Peggys Leiche dort abgelegt worden sein könnte. Doch es gibt laut Staatsanwaltschaft keine Hinweise auf die sterblichen Überreste eines Kindes in dem Grab.

    02. April 2014: Der im Fall Peggy zuständige Staatsanwalt wird auf eigenen Wunsch ausgewechselt. Er hatte einem neuen Verdächtigen bei einer Vernehmung den Anwalt verweigert.

    10. April 2014: Prozessauftakt im Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi K. vor dem Landgericht Bayreuth.

    07. Mai 2014: Das Landgericht Bayreuth beendet die Beweisaufnahme aus Mangel an Beweisen nach nur sechs Verhandlungstagen vorzeitig.

    14. Mai 2014: Ulvi K. wird freigesprochen.

    Ulvi Kulac bleibt trotz des Freispruchs vorerst in der Psychiatrie. Er ist 2004 wegen Sexualdelikten an Kindern verurteilt worden. Der geistig minderbemittelte Mann hatte erhebliche Probleme mit seiner Sexualität. Ein Gutachten soll nun prüfen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Kulac wieder solche oder andere Straftaten begehen könnte.

    Nach dem Freispruch haben sich wesentliche Gesichtspunkte für diese Gefährlichkeitsprognose geändert. Es ist der einzig richtige Schritt, ein neues Gutachten zu erstellen. Immerhin sitzt Kulac bereits zehn Jahre in der Psychiatrie. Die Verhältnismäßigkeit dieser Unterbringung muss neu bewertet werden.

    Ein Justizskandal ist der Fall Peggy aber auch deshalb, weil die Ermittlungsbehörden ohne Vorliegen eines echten Beweises gegen Ulvi Kulac andere mögliche Täter über viele Jahre hinweg ausgeblendet haben. Das macht es 13 Jahre nach dem Verschwinden des neunjährigen Mädchens ganz schwierig, den wahren Täter zu finden.

    Die Justiz hat mit der Verurteilung des falschen Mannes auch Peggys Mutter einen Bärendienst erwiesen. Sie weiß immer noch nicht, was mit ihrer Tochter geschah und wer für ihr Verschwinden verantwortlich ist.

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