Die 112.400 Erstklässler, die am Dienstag Bayerns Klassenzimmer betreten, werden Schule anders erleben als die Generationen vor ihnen. Viele werden auch nachmittags lernen. Sie werden oft am Tablet arbeiten, statt mitzuschreiben. Am Gymnasium werden sie wieder nach neun Jahren ihr Abiturzeugnis bekommen statt nach acht. Und sie werden ganz selbstverständlich neben Kindern aus anderen Ländern sitzen, die seit 2015 zu Zehntausenden nach Deutschland geflüchtet sind.
Hinter all diesen Entwicklungen stecken wahre Mammutprojekte. Die Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium ist so eines. Das endlos scheinende Gezerre um das G9 hat dem Ruf des bayerischen Schulsystems geschadet. Das neue Gymnasium hat Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) schon groß angepriesen: „Mehr Lernzeit, mehr digitale und politische Bildung, starke Kernfächer und Naturwissenschaften.“ Jetzt kommt es darauf an, den Übergang vom einen System ins andere flüssig hinzubekommen. Geht es wieder so drunter und drüber wie bei der Einführung des G8, könnten Eltern das Vertrauen ins Gymnasium bald verlieren.
Genug Lehrer sind nötig
Die Grund- und Mittelschulen stecken schon mittendrin in einer der größten Herausforderungen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten meistern mussten. In der Primarstufe lernen ab Dienstag 5300 Kinder mehr als im Vorjahr. Ein großer Teil von ihnen stammt aus Asylbewerberfamilien. In 610 speziellen Klassen werden diese an Grund- und Mittelschulen auf den Unterricht in Regelklassen vorbereitet und lernen, sich hierzulande gut zurechtzufinden. Bis die Ersten ihr Zeugnis in den Händen halten, haben die Schulen arbeitsreiche Jahre vor sich. Deutsche Schüler dürfen dabei natürlich nicht zu kurz kommen. Gerade die Schwächeren brauchen ebenso viel Aufmerksamkeit wie ein Kind mit Migrationshintergrund. Dafür sind genug Lehrer nötig.
Zuletzt gab es an Grund- und Mittelschulen aber viel mehr Stellen als geeignete Bewerber. Und das, obwohl hunderte fertig ausgebildete Pädagogen auf einen Job warten. Das Problem: Sie haben Lehramt für Gymnasium oder Realschule studiert – und werden dort nicht gebraucht. Spaenle muss sich etwas einfallen lassen, um sie dauerhaft an die Schulen zu locken, an denen Fachkräfte fehlen. Erste Angebote gibt es schon. Doch die Zusatzausbildung ist so langwierig, dass potenzielle Bewerber sich oft wie Lückenbüßer fühlen, die dem Staat Ausgaben für „richtige“, verbeamtete Lehrer sparen. Das Ministerium muss den Kandidaten attraktivere Angebote machen. Und es braucht einen Weg, pädagogische Inhalte in allen Lehramtsstudiengängen stärker zu verankern. Zudem ist es längst überfällig, dass Lehrer an allen Schularten gleich viel verdienen.
Eltern wünschen sich eine Schule, die mit der Zeit geht
Eltern und Schülern dürfte egal sein, wer am Lehrerpult steht, solange der Unterricht gut ist und die Schule mit der Zeit geht. Immer mehr Familien wünschen sich eine Einrichtung, die auch nachmittags für die Schüler da ist. Dass die Regierung Ganztagsangebote künftig stärker fördern will, zeigt, dass sie auf gesellschaftlichen Wandel reagiert – wenn auch später als manches andere Bundesland. Bei der Digitalisierung will Bayern vorn dabei sein, Schulen mit digitalen Lernmitteln ausstatten, Lehrer fortbilden.
Es gibt viel zu tun: 87 Prozent der Lehrer fühlen sich nach eigenen Angaben kaum auf den Umgang mit digitalen Medien vorbereitet. Kritiker bemängeln, dass die Schulen größere Probleme haben als die IT-Ausstattung. Toiletten sind verstopft, Turnhallen marode, durch die Fenster pfeift der Wind. Das wiederum kennen Eltern dann doch noch aus ihrer eigenen Schulzeit.
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