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Kommentar: Die Veterinärämter müssen endlich transparenter arbeiten

Kommentar

Die Veterinärämter müssen endlich transparenter arbeiten

Sonja Dürr
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    Nach dem Tierskandal in Bad Grönenbach - unser Bild zeigt einen der Betriebe - ist eine ganze Reihe von Tierschutzverstößen öffentlich geworden.
    Nach dem Tierskandal in Bad Grönenbach - unser Bild zeigt einen der Betriebe - ist eine ganze Reihe von Tierschutzverstößen öffentlich geworden. Foto: Ralf Lienert

    Es ist wieder ein Fall, der sprachlos macht – diese Woche im Ostallgäu: Das Veterinäramt verbietet einem Landwirt, Kühe zu halten. Der Mann hatte unter anderem zwei verletzte Rinder nicht vom Tierarzt behandeln lassen, bei einem Folgetermin war die Lage noch schlimmer: Fünf Rinder mussten wegen irreparabler Klauenschäden eingeschläfert werden. Weil der Bauer nicht wollte, dass ihm die restlichen Tiere weggenommen werden, verkaufte er sie.

    Die Milchwirtschaft in der Region – das muss man leider so konstatieren – kommt auch ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Tierskandals in Bad Grönenbach nicht zur Ruhe. Ende Januar: Ein Bauer aus Thannhausen steht in Memmingen vor Gericht. Ein Jahr muss er in Haft, weil es an ausreichender Stallhygiene, medizinischer Versorgung und vernünftigem Futter für die Tiere fehlte. Oder das Beispiel Dietmannsried: Ein erster beanstandeter Hof ist dort aufgelöst worden. Bei einem zweiten stellen die Veterinäre massive Tierschutzverstöße fest: Die Hälfte der 480 Kühe und 100 Kälber finden sie in so schlechtem Zustand vor, dass sie umgehend vom Tierarzt behandelt werden müssen, ein Rind wird notgeschlachtet. Gegen den Landwirt wird ein Tierhalteverbot verhängt, gegen das er klagt. Dabei hatten die Veterinäre den Betrieb in den letzten Jahren mehrmals kontrolliert. Wie kann so etwas passieren? Oder, wie der schwäbische Bauernpräsident Alfred Enderle fragt: „Stimmt da das Kontrollsystem noch?“

    In 294 Fällen gab es 2019 Tierschutzverstöße – das sind vier Prozent der Betriebe

    Wer wissen will, wie häufig die Veterinärämter Tierschutzverstöße feststellen, wer nachvollziehen will, ob das Problem größer geworden ist, stößt an Grenzen. Eine detaillierte Anfrage unserer Redaktion bei den Landkreisen und kreisfreien Städten in unserer Region fördert nur bruchstückhafte Informationen zutage. Klar ist nur: In Schwaben und den oberbayerischen Landkreisen Landsberg und Neuburg-Schrobenhausen gab es zuletzt 6739 Milchviehbetriebe mit 573.936 Tieren. Und: In 294 dieser Betriebe gab es 2019 Tierschutzverstöße – das sind vier Prozent der Höfe. Ein Beleg für das, was viele nicht müde werden zu betonen: Die meisten Bauern machen ihre Arbeit gut!

    Wie hoch aber die Zahl der schwarzen Schafe ist, die ihre Tiere im Dreck stehen lassen oder ihnen nicht genug Futter geben? Das bleibt leider unbeantwortet. Zum einen, weil es keine einheitliche Datenerhebung bei den Veterinärämtern in Bayern gibt. Zum anderen, weil man sich in den Behörden zum Teil nicht in der Lage sieht, die Tierschutzverstöße zu klassifizieren. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass es sich um Einzelfallentscheidungen des Kontrolleurs handle. Oder dass eine genaue Auswertung nicht möglich sei.

    Zum Glück gibt es auch Gegenbeispiele – Behörden, die ihre Kontrollen transparent darstellen: Im Oberallgäu etwa verzeichnete man 2019 (einschließlich Kempten) 36 Verstöße – vier davon strafrechtlich relevant, 22 Fälle ordnungswidrig – und hält fest, dass die Zahl von Jahr zu Jahr schwankt. Oder im Landkreis Landsberg, wo bei jeder siebten Kontrolle ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz festgestellt wurde – so viel wie nirgendwo sonst in der Region.

    Foodwatch sagt: Die Angaben der bayerischen Behörden sind lückenhaft

    Ob die Situation in den Kuhställen rund um Landsberg gravierender ist als anderswo? Oder dort nur mehr kontrolliert wird? Auch das übergeordnete Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bleibt eine Antwort schuldig.

    Auch Foodwatch wollte wissen, wie viele der vorgeschriebenen Kontrollen Lebensmittelüberwacher und Veterinäre schaffen – schließlich sind viele der Ämter chronisch unterbesetzt. Doch 18 Landratsämter in Bayern verweigerten Foodwatch über Monate eine aussagekräftige Auskunft. „Die Angaben zu den bayerischen Behörden sind so lückenhaft wie in keinem anderen Bundesland“, bilanzieren die Verbraucherschützer.

    Dabei wäre es dringend notwendig, dass die Veterinärämter ihre Ergebnisse öffentlich machen. Es reicht nicht, dass das bayerische Verbraucherschutzministerium auf die neu gegründete Kontrollbehörde für Großbetriebe verweist, auf die 25 Stellen, die neu geschaffen werden. Von Transparenz und Vergleichbarkeit profitieren alle. Die Veterinärämter, weil der Wert ihrer Arbeit klarer wird. Die Landwirte, die naturgemäß Sorge vor den Kontrollen haben, weil klar wird, wer seine Tiere gut behandelt. Und die Verbraucher, die ein Recht haben zu erfahren, wie groß die Probleme auf den Milchviehbetrieben tatsächlich sind.

    Lesen Sie dazu auch: Die Opfer der Tierskandale: Wo leidende Kühe eine neue Bleibe finden

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