Wieder und wieder stoßen evangelische und katholische Kirchenverantwortliche Missbrauchsbetroffene vor den Kopf. Das geschieht auf allen Ebenen und allen Beteuerungen, Missbrauchsfälle umfassend aufarbeiten zu wollen, zum Trotz. Es passiert elf Jahre nach Bekanntwerden des massenhaften sexuellen Missbrauchs in Reihen der katholischen, aber auch der evangelischen Kirche. Der Umgang der Organisation, die Täter schützte, mit Opfern ist ein fortgesetzter Skandal.
Zu diesem Skandal gehört, dass die Kirchen unverändert versuchen, die Deutungshoheit über die Aufarbeitung zu behalten. Sie geben Gutachten in Auftrag, sie „gewähren“ Akteneinsicht, sie sind in „unabhängigen Aufarbeitungskommissionen“ vertreten. Dem von Kirchenverantwortlichen häufig bemühten Wort „unabhängig“ muss damit stets ein Fragezeichen folgen.
Missbrauch: Betroffene werden immer noch als Störenfriede empfunden
Gewiss, es besteht durchaus Einsicht und der Wille, aufzuarbeiten und Betroffenen ehrlich zu begegnen. Allerdings viel zu selten auf Augenhöhe. Immer noch werden sie als Störenfriede empfunden, als „Aktivisten“ eben, die der Institution Kirche schaden wollten. Dabei haben sie nun wirklich jedes Recht, unbequem zu sein.
Und sie haben jedes Recht, an (kirchlichen) Aufarbeitungsprozessen beteiligt zu werden. Nicht nur die aktuellen Beispiele zeigen jedoch, dass manche von ihnen für diese Mitwirkung einen hohen Preis zahlen müssen. Warum Politiker zu diesem Trauerspiel dröhnend schweigen, ist ein weiterer Skandal. Mit jedem Beispiel kirchlichen Versagens wird der Ruf nach staatlich eingesetzten Kommissionen oder Räten berechtigter.
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