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Kommentar: Der geplatzte Goldfinger-Prozess zerstört das Vertrauen in die Gerechtigkeit

Kommentar

Der geplatzte Goldfinger-Prozess zerstört das Vertrauen in die Gerechtigkeit

Holger Sabinsky-Wolf
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    Der Augsburger Goldfinger-Prozess steht vor der Einstellung.
    Der Augsburger Goldfinger-Prozess steht vor der Einstellung. Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild)

    In Deutschland herrscht Steuerungerechtigkeit. Zwar ist die Idee hinter dem System richtig: Jeder muss sich gemäß seinem Einkommen und seinen Möglichkeiten am Allgemeinwohl beteiligen. Die Steuergesetze werden aber nicht gerecht angewendet. Eine breite (gehobene) Mittelschicht trägt die größte Steuerlast. Reiche haben dagegen viel mehr Mittel, massiv Steuern zu vermeiden.

    Das beginnt schon bei der Steuergesetzgebung. Lobbygruppen von Vermögenden nehmen da bereits massiven Einfluss. Und mithilfe von findigen Finanzberatern, die sich nur wenige leisten können, nutzen Millionäre jedes noch so winzige Schlupfloch, um Steuern zu sparen. Deshalb ist es völlig richtig, dass der Staat ganz genau darauf achtet, ob jemand die Finanzbehörden über den Tisch ziehen will.

    Goldfinger-Prozess: Die Anklage blieb Beweise schuldig

    Im Goldfinger-Prozess hatte die Staatsanwaltschaft viele Jahre lang den Verdacht, dass mittels eines illegalen Tricks Steuern hinterzogen wurden. Sie ist mit Razzien, U-Haft und einer Anklage über Jahre hinweg sehr heftig gegen die Verdächtigen vorgegangen.

    Jetzt, da der Prozess vor einer Einstellung steht, muss festgehalten werden: Dieses Einsteigen war wohl überzogen. Den Beweis für die Vorwürfe blieb die Anklage schuldig und sieht sich ihrerseits schweren Vorwürfen ausgesetzt, das Verfahren wider besseren Wissens immer weiter getrieben zu haben. Es gibt solche Fälle immer wieder, in denen die Ermittlungsbehörden auf Härte setzen und auf ein Einknicken der Beschuldigten hoffen. Es wäre aber ganz falsch, ein so brachiales Vorgehen auf einer so wackeligen Verdachtsgrundlage einfach als Kollateralschaden einer robusten Strafverfolgung hinzunehmen.

    Fazit beim Goldfinger-Prozess: Der normale Steuerzahler ist der Dumme

    So, wie sich die Lage im Moment darstellt, haben im Goldfinger-Fall clevere Anwälte und Steuerberater das Steuergesetz bis zum Äußersten ausgereizt. Aber sie haben es nach Ansicht des Gerichts nicht gebrochen. Steuervermeidung mit allen Mitteln mag moralisch verwerflich sein. Aber sie ist nicht verboten. Und der Staat kann nun einmal nicht Menschen strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen, die sich an seine eigenen Gesetze halten. Vorerst ungeklärt bleibt die Frage, ob das Verfahren nicht auch auf politischen Druck hin derart massiv vorangetrieben wurde.

    So funktioniert der "Goldfinger"-Steuertrick

    Der "Goldfinger"-Steuertrick kurz erklärt

    Vereinfacht ausgedrückt funktioniert „Goldfinger“ so: Die Goldhandelsfirma musste in einem Land gegründet werden, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen hat. Auf diese Weise konnten Verluste beim Ankauf von Gold in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden.

    So wurden Einkünfte aus dem Verkauf des Goldes im Jahr darauf steuerlich kompensiert. Die Steuerlast konnte massiv gedrückt werden.

    Im besten Fall konnte im ersten Jahr der Steuersatz auf null Prozent gesenkt werden. Im nächsten Jahr erhöhte sich der Steuersatz nur minimal, weil der Betroffene ohnehin nahe am Spitzensteuersatz lag.

    Beim „Goldfinger“-Modell hat der Gesetzgeber über Jahre ein Schlupfloch gelassen. Vor allem bei Einkommensmillionären war dieser Trick beliebt, sie konnten ihre Steuerlast massiv reduzieren. Doch seit 2013 ist die Steuervermeidung über dieses Modell gesetzlich verboten.

    Der Bundesfinanzhof in München, das höchste deutsche Finanzgericht, hatte 2017 allerdings zwei spezielle „Goldfinger“-Modelle unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig akzeptiert. Hier stellt sich aber die Gerechtigkeitsfrage. Denn dieses Modell können sich nur Reiche leisten, weil dafür hohe Summen und teure Top-Steuerberater nötig sind. (hogs)

    So hinterlässt der Goldfinger-Prozess aus verschiedenen Gründen immensen Flurschaden. Es bleibt der Eindruck, der ohnehin bei vielen Menschen besteht: Der normale Steuerzahler ist der Dumme. Wenn er auch nur eine Kleinigkeit bei seiner Steuererklärung falsch macht, ist er dran. Die Reichen können tricksen, wie sie wollen und werden dafür nicht einmal belangt.

    Ging es im Prozess um persönliche Animositäten und Rache?

    Die Atmosphäre im Prozess war verheerend, ja feindselig. In weiten Teilen entstand der Eindruck, dass es hier nicht mehr um eine Rechtsfrage geht, sondern um persönliche Animositäten und Rache. In der Sache kann gerne mit Argumenten hart gerungen werden, derlei Emotionen haben in einem Strafprozess aber auf keiner Seite etwas verloren.

    Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat zum wiederholten Male in einem großen Wirtschaftsstrafverfahren eine krachende Niederlage einstecken müssen. Sie hat mit ihrem Vorgehen nach außen den Eindruck erweckt, dass man es bei Goldfinger mit besonders dreisten Steuerbetrügern zu tun hat und damit hohe Erwartungen an eine saftige Bestrafung dieser Leute geweckt. Das Gericht konnte diese Erwartungen wegen seiner ganz anderen Rechtsauffassung aber nicht erfüllen. Solche Verfahren sind geeignet, das Vertrauen in die Justiz und in das deutsche Steuerrecht nachhaltig zu erschüttern.

    Lesen Sie auch: Goldfinger-Prozess wird eingestellt: Die Angeklagten zahlen keinen Cent

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge über den außergewöhnlichen Goldfinger-Prozess an:

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