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Kommentar: Der Fall des Uli Hoeneß

Kommentar

Der Fall des Uli Hoeneß

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    Uli Hoeneß am ersten Prozesstag.
    Uli Hoeneß am ersten Prozesstag. Foto: Christof Stache (dpa)

    Woher rührt das ungewöhnlich große Interesse der Öffentlichkeit am Fall des Ulrich Hoeneß? Es hat sicher nicht nur mit der Prominenz des 62-Jährigen und seiner exponierten Stellung im boomenden Fußballgeschäft zu tun. Vieles andere spielt da mit hinein. Da ist die klammheimliche Freude darüber, dass ein reicher und mächtiger Mann beim Schummeln erwischt wurde. Da ist die Tatsache, dass Hoeneß und sein Verein Deutschland in glühende Anhänger und unbedingte Gegner spalten. Da ist die Genugtuung darüber, dass Staat und Justiz mit dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung ernst machen und wirklich Schluss ist mit der nachsichtigen Behandlung von ertappten Betrügern. Aber es ist vor allem auch der diesen Fall umwehende Hauch von Tragik, der dem Verfahren gegen Hoeneß so viel Aufmerksamkeit beschert.

    Warum nur zockt ein Mann, der als Bayern-Manager und Unternehmer so viel erreicht hat, an den Börsen mit irrsinnigen Millionenbeträgen – auch auf das Risiko hin, seinen guten Ruf und sein Lebenswerk zu zerstören? Und wie ist es zu erklären, dass Hoeneß Politikern, Managern und Bankern früher ständig die Leviten gelesen, die Steuerflucht angeprangert und selber sehr viel Geld am Fiskus vorbeigeschleust hat?

    Abgrund zwischen Selbstdarstellung und Wirklichkeit

    Uli Hoeneß: Die Geschichte der Steueraffäre

    Uli Hoeneß: Vor vielen Jahren begann er an der Börse eine Zockerei, die ihn 2013 ins Visier der Justiz brachte.

    2001: Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Hoeneß in Form eines Kredits und einer Bürgschaft 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto in der Schweiz.

    2002 bis 2006: In diesen Jahren handelt Hoeneß nach eigenen Worten teilweise Tag und Nacht an der Börse und macht weltweit Geschäfte.

    2008: Hoeneß machte nach eigenen Angaben schon in den Vorjahren zu viele Verluste. Mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sei es «endgültig in den Keller» gegangen, und er habe seine Geschäfte stark reduziert.

    August 2011: Nach langen Verhandlungen einigen sich Deutschland und die Schweiz darauf, dass in der Schweiz gebunkerte unversteuerte deutsche Vermögen nachversteuert werden. Das Abkommen, das später noch präzisiert wird, soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

    November 2012: Die von SPD und Grünen regierten Länder lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern - damit kann Hoeneß seine Gewinne nicht nachträglich steuerrechtlich legalisieren.

    Am 17. Januar 2013 reicht Hoeneß nach eigenen Angaben Selbstanzeige bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim ein.

    März 2013: Das Finanzamt hat die Selbstanzeige schnell an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Am 20. März kommt es zur Hausdurchsuchung in Hoeneß' Anwesen am Tegernsee. Ihm wird der Haftbefehl eröffnet, dieser wird gegen eine Kaution und Auflagen außer Vollzug gesetzt.

    April 2013: Der «Focus» macht den Fall öffentlich.

    Juli 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt am 30. Juli Anklage gegen Hoeneß. Diese wird im November vom Landgericht München II unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.

    März 2014: Hoeneß wird wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

    Juni 2014: Hoeneß tritt seine Haft in der JVA Landsberg an.

    September 2014: Erster Ausgang - für einige Stunden kann Hoeneß das Gefängnis verlassen, um sich mit seiner Familie zu treffen.

    Januar 2015: Hoeneß wird Freigänger. Er muss jetzt nur noch zum Übernachten in die JVA, tagsüber arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern.

    Januar 2016: Die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg entscheidet, dass die Haftstrafe zum 29. Februar zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Münchner Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Beschwerde.

    Februar 2016: Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß kommt mit 64 Jahren vorzeitig aus der Haft frei.

    Am 8. August 2016 teilt der FC Bayern auf seiner Homepage mit, dass Hoeneß wieder für das Präsidentenamt kandidieren wird. Sein Nachfolger Karl Hopfner verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Im November wird Hoeneß wiedergewählt.

    Es ist dieser Abgrund zwischen Selbstdarstellung und Wirklichkeit, der dem Ganzen eine menschlich tragische Note verleiht und allenfalls unter Zuhilfenahme psychologischer Deutungsmuster zu verstehen ist. Uli Hoeneß war eine moralische Instanz, ein Vorbild. Er schien zu verkörpern, was die sogenannten „Verantwortungseliten“ ausmacht. Aus und vorbei. Er hat gegen die Grundregel verstoßen, wonach sich alle – gerade auch die bestens Situierten – um des gesellschaftlichen Zusammenhalts willen an die Gesetze zu halten haben.

    Er hat nicht nur sich selbst schweren Schaden zugefügt, sondern auch dem ohnehin schon ramponierten Vertrauen der Bürger in die Redlichkeit der Führungseliten einen Schlag versetzt. Dass viele Bürger in ihrer Empörung über Hoeneß die eigenen kleinen und größeren Steuerschummeleien gerne ausblenden, zeugt von einer Neigung zu doppelter Moral. Doch wie soll Steuerehrlichkeit im Kleinen einkehren, wenn es die Großverdiener damit nicht so genau nehmen? Und es macht schon einen Unterschied, ob jemand zig Millionen hinterzieht oder ein paar hundert Euro. Jeder Bürger ist verpflichtet, seine Einnahmen ordnungsgemäß zu versteuern. Die Steuerehrlichkeit der Masse hat allerdings auch mit der Steuermoral in den Spitzen der Gesellschaft zu tun.

    Haft ist wahrscheinlicher geworden

    Der Fall Hoeneß liegt jetzt dort, wo er hingehört: vor Gericht. Dort geht es nicht um moralische Erwägungen, sondern um die möglichst gerechte Bemessung des Strafmaßes für die von Hoeneß eingestandenen Verfehlungen. Es ist viel spekuliert worden über die Wirksamkeit der Selbstanzeige und die Frage, ob Hoeneß womöglich sogar in Haft muss. Letzteres ist nun, da er „reinen Tisch“ gemacht hat und die hinterzogene Summe noch weit über die bisher gehandelten 3,5 Millionen hinausgeht, wahrscheinlicher geworden. Das juristische Urteil hierüber haben die Richter zu treffen.

    Die Gleichheit aller vor dem Gesetz gebietet, weder besondere Schärfe noch besondere Milde walten zu lassen. Der Angeklagte genießt gewiss keinen "Promi-Bonus". Strafmildernde Umstände stehen jedem Straftäter zu. Das Gericht wird zu würdigen wissen, dass Hoeneß ein bis dato unbescholtener, sozial engagierter, um Bayern verdienter Mann ist, der den Schaden wiedergutmachen will. Ob ihm dies das Gefängnis erspart, ist nach dem Paukenschlag am ersten Prozesstag ungewisser denn je.

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