Knapp ein Jahr nach dem Kabinettsbeschluss will am Donnerstag auch der bayerische Landtag über das nach wie vor bei vielen Experten umstrittene Klimaschutzgesetz abstimmen. Die dafür notwendige Mehrheit ist wegen der Stimmverhältnisse im Parlament eine Formsache, dass dem Gesetz aber neben den Koalitionspartnern CSU und Freien Wählern noch andere Fraktionen zustimmen, ist sehr unwahrscheinlich.
Das im November 2019 vom Kabinett beschlossene Gesetz sieht vor, dass die CO2-Emissionen bis 2030 auf unter fünf Tonnen pro Kopf und Jahr sinken sollen. Bis 2030 sollen die Staatsverwaltung und bis 2050 der gesamte Freistaat komplett klimaneutral werden. Dabei verzichten CSU und Freie Wähler aber bewusst auf Verbote und wollen die Ziele einzig mit einer Vielzahl von Anreizen erreichen. Die Handlungsfelder im Überblick:
So will die bayerische Regierung das Klima retten
Umbau des Waldes
Bis 2025 sollen 30 Millionen Bäume im bayerischen Staatswald gepflanzt werden. Hinzu kommen Forschungsprogramme für sogenannte klimatolerante Bäume und die Stärkung der Klimaforschung in den bayerischen Nationalparken.
Reanturierung der Moore
Bayernweit sollen möglichst viele Moore geschützt werden. Unter anderem soll es ein neues Moorwaldprogramm mit 147 Maßnahmen und ein neues Moorbauernprogramm geben. Vorgesehen ist die Förderung moorverträglicher Bewirtschaftungsformen auf 20.000 Hektar Fläche bis 2029.
Schutz des Wassers
Um Auenlandschaften als CO2-Speicher zu schützen, wird an der Donau bei Neuburg ein 2000 Hektar großes Auwald-Schutzgebiet ausgewiesen.
Agrar und Ernährung
Der Ökolandbau soll in Bayern bis 2030 auf 938.000 Hektar ausgebaut werden. Zudem wird die Forschung zur klimaangepassten und klimaschonenden Landwirtschaft intensiviert.
Innovationen
In Augsburg wird ein Zentrum für Klimaresilienz und Klimaforschung eingerichtet. Das Ressourceneffizienz-Zentrum wird zum «Clean-Tech-Hub für Kreislaufwirtschaft der Zukunft» ausgebaut. Bei Resilienz geht es um die Robustheit und Stabilität von Ökosystemen.
Energie
In den Staatswäldern sollen etwa 100 neue Windkraftanlagen entstehen, ein Energieeffizienzfonds wird eingerichtet und das 10.000-Häuser-Förderprogramm für energieeffizientes Bauen und Sanieren ausgeweitet. Die umstrittene 10-H-Regel, die den Bau von Windanlagen in der Nähe von Siedlungen regelt, soll aber weiter gelten.
Mobilität
Der öffentliche Personennahverkehr soll attraktiver und das Netz soll ausgebaut werden. Das 365-Euro-Jugendticket für Schüler und Auszubildende soll mehr Menschen in Busse und Bahnen bringen.
Klimaarchitektur
Schon beim Städte(um)bau sollen Klimafolgen besser mitgedacht werden. Die Umweltinitiative «Stadt. Klima. Natur» soll dazu Impulse geben. Zudem werden städtebauliche Modellprojekte zu einem energieeffizienten Städtebau von der Regierung gefördert.
Holzbau
Der nachwachsende Rohstoff soll wieder verstärkt bei Bauvorhaben im staatlichen Hochbau genutzt werden. Dazu werden Leuchtturmprojekte besser gefördert und die Forschung gestärkt.
Verkehr
Die staatliche Fahrzeugflotte - also auch die Autos der Polizei - soll bis 2025 mit 66 Prozent weniger Verbrennungsmotoren auskommen. Bei Neuanschaffungen sollen etwa Elektro- oder Hybridfahrzeuge bevorzugt gekauft werden.
Umweltverbände und Experten kritisieren, dass es an konkreten Zielen und Vorgaben fehlt
Experten, Umweltverbände und Vertreter der Oppositionsparteien hatten die Pläne der Regierung in den vergangenen Monaten kritisiert. Kürzlich erklärten etwa bei einer Expertenanhörung im Landtag die geladenen Fachleute mehrheitlich, dass es dem Gesetz an konkreten Zielen und Vorgaben zur Einsparung klimaschädlicher Emissionen und einem unabhängigen Monitoring fehle. Doch alle Forderungen nach Nachbesserungen verpufften.
"Angesichts der dramatischen Konsequenzen der Klimakrise für Bayerns Zukunft ist das Klimaschutzgesetz enttäuschend und verantwortungslos", sagte der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner, der Deutschen Presse-Agentur. Beim Klimaschutz seien nur die vollmundigen Ankündigungen von Söder und der Landtagsmehrheit von CSU und Freien Wählern "Champions League". In der Realität spielten sie allenfalls in der Kreisliga. "Im zurückliegenden Jahr wurde jedwede Verbesserung des so wichtigen Gesetzes abgelehnt."
SPD-Umweltpolitiker Florian von Brunn forderte die Absetzung des Gesetzes
Auch die am Donnerstag zur Abstimmung stehenden Änderungsanträge der Opposition - alleine die Grünen haben dazu elf Stück vorgelegt, in denen sie unter anderem die Klimaneutralität bis 2040 und klare Vorgaben zur Erreichung des Ziels benennen - dürften am Ende keine Aussicht auf Erfolg haben. "Das Klimaschutzgesetz der CSU ist wie ein missglückter Maßanzug, bei dem sowohl der Schnitt als auch die Passform missraten sind", sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann.
SPD-Umweltpolitiker Florian von Brunn geht noch einen Schritt weiter und forderte die Absetzung des Gesetzes: "Dieser Gesetzentwurf wird den großen Gefahren und Herausforderungen durch die Klimaerhitzung in keiner Weise gerecht. Er ist so mangelhaft, dass er dringend überarbeitet werden muss", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bevor das Parlament sich damit befasse, müsse die Regierung erst einmal die gravierenden Fehler und Defizite im Entwurf beseitigen. "Das sind wir unseren Kinder schuldig."
Dagegen verteidigten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) die Pläne und sprachen von einem "großen Schritt für den Klimaschutz". Sie erhoffen sich konkrete Einsparungen von einem zum Gesetz vorgelegten Zehn-Punkte-Plan, welcher 96 Einzelmaßnahmen zum Klimaschutz enthält. Darunter finden sich der klimatolerante Umbau der Wälder, ein deutlicher Ausbau des Ökolandbaus und eine stärkere Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Energiewende. (dpa)
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