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Klimaschutz in Bayern: Klimaschutzgesetz: In Trippelschritten zum Klimaziel?

Klimaschutz in Bayern

Klimaschutzgesetz: In Trippelschritten zum Klimaziel?

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    Klimaschutz ist ein komplexes Thema – das beweist auch das 126 Projekte umfassende Maßnahmenpaket der Bayerischen Staatsregierung.
    Klimaschutz ist ein komplexes Thema – das beweist auch das 126 Projekte umfassende Maßnahmenpaket der Bayerischen Staatsregierung. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Die Bayerische Staatsregierung muss sich nicht vorwerfen lassen, bei der Reform des Klimaschutzgesetzes und der damit verbundenen Projekte nicht auch an klitzekleine Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2040 gedacht zu haben. Die Liste über das vergrößerte „Maßnahmenpaket – Klimaschutzoffensive“, die mittlerweile auf der Homepage des Umweltministeriums veröffentlicht wurde, enthält auch so amüsante Projekte wie die „klimaverträgliche Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betriebe der Justizvollzugsanstalten“ oder das „Angebot eines Jobrad-Modells für Bedienstete des Freistaats Bayern.“ Könnte heißen: Besen statt Laubbläser für Häftlinge bei der Gartenarbeit oder Radl statt Auto für Beamte auf dem Weg zur Arbeit.

    In der bayerischen Klimaschutzdebatte gibt es eine grundsätzliche Verwirrung

    Wer sich nicht mit derlei Kleinkram aufhalten will, sondern nach den großen Schritten in Richtung CO2-Einsparung und Klimaneutralität sucht, dem stellen sich bei der Lektüre der Liste mit insgesamt 126 Projekten ganz andere Fragen. Da steht zum Beispiel unter Punkt 1.27 „10H reformieren“. Das widerlegt zwar jene Kritiker, die der Staatsregierung diese Woche in ersten Reaktionen auf den neu gefassten Gesetzentwurf vorgeworfen haben, sie wolle bei der Reform des Klimaschutzes die Windkraft außen vor lassen. Doch was mit „10H reformieren“ genau gemeint ist, bleibt unklar. Über die Abstandsregel für Windräder (mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von der nächstgelegenen Wohnbebauung) wird im Landtag seit Jahren erbittert gestritten. Bisher hält vor allem die CSU-Fraktion eisern daran fest.

    In der politischen Debatte über den Klimaschutz in Bayern gibt es eine grundsätzliche Verwirrung: Es wird oft nicht zwischen dem Klimaschutzgesetz und den damit verbundenen Projekten unterschieden. Das bayerische Gesetz, das erst Anfang dieses Jahres in Kraft getreten war, musste nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Klimaschutzgesetz des Bundes überarbeitet werden, weil darin – sehr vereinfacht gesagt – keine nachvollziehbaren Etappen auf dem Weg zur Klimaneutralität festgelegt waren. Da wurde jetzt nachgebessert: Der Freistaat soll bis 2040 klimaneutral werden (bisher 2050) und bis 2030 mindestens 65 Prozent der Treibhausgasemissionen einsparen (bisher 55 Prozent).

    Ein neues Gesetz zu schreiben, reicht freilich nicht. Man muss den Klimaschutz auch in die Tat umsetzen. Mehr noch als auf das Gesetz wird es also darauf ankommen, wie substanziell das Maßnahmenpaket ist. Welche Projekte vermindern den Ausstoß von Treibhausgasen? Wie schnell geht das alles? Wie viel Geld steht dafür zur Verfügung?

    Die Staatsregierung will eine Milliarde in den Klimaschutz investieren

    Die Staatsregierung hat angekündigt, allein kommendes Jahr eine Milliarde Euro für den Klimaschutz auszugeben. Wie das Finanzministerium auf Anfrage mitteilte, geht der Löwenanteil mit 481 Millionen Euro in den Bereich „Moderne Klimaforschung und Clean-Tech“ (Wasserstoff, Speicher- und Batteriefertigung). Rund 284 Millionen sind für klimafreundliches Bauen und Holzbauinitiativen vorgesehen, 131 Millionen Euro für die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen und Bahn. 70 Millionen Euro gibt es für natürliche CO2-Speicher (Moore, Wälder) und für ländliche Entwicklung. Mit 27 Millionen Euro sollen erneuerbare Energien, vor allem die Geothermie gefördert werden. Fünf Millionen sind für den Erhalt von Streuobstwiesen vorgesehen. Der Rest verteilt sich auf kleinere Projekte.

    Die größten Effekte bei der CO2-Einsparung erhofft sich das Umweltministerium durch die Fortführung der staatlichen Gebäudesanierung, den Ausbau des ÖPNV, die Renaturierung von Mooren und Waldumbau, durch Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie und durch den „Ausbau des Sonnenlands Bayern mit neuer Photovoltaik-Pflicht plus weiteren Maßnahmen zur Stärkung der Photovoltaik.“ Die PV-Pflicht für Neubauten war lange umstritten. Vor allem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) war dagegen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wollte sie ursprünglich für alle Neubauten und bei Dachsanierungen. Nun soll diese Pflicht auf gewerblich genutzte Gebäude beschränkt werden.

    Grüne, SPD und Naturschützer kritisieren die Klimaschutz-Maßnahmen

    Grüne, SPD und Naturschützer sind überzeugt, dass die 126 Projekte nicht ausreichen werden, um die Klimaziele zu erreichen. Der Abgeordnete Martin Stümpfig, Energie- und Klimaexperte der Grünen im Landtag, sagt: „Die allermeisten Maßnahmen sind noch nicht begonnen oder sind so schwammig formuliert, dass eine Überprüfung nicht möglich ist.“ Das gelte gleichermaßen für neue wie für bereits früher angekündigte Projekte.

    Richard Mergner, der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern, sieht zwar „einige gute Ansätze und Verbesserungen“, bezeichnet aber die Pläne in den wichtigen Bereichen Energie und Verkehr als „mangelhaft“. Mergner sagt: „Wenn wir den Klimaschutz wirklich ernst nehmen wollen, brauchen wir einen grundlegenden Umbau unseres Verkehrssystems.“ Klar sei auch: „Es sind nirgendwo Strategien erkennbar, die dringend notwendigen Prozesse in Gang zu bringen.“

    Ludwig Hartmann über Markus Söder: "Große Worte, keine Taten"

    Ähnlich äußern sich die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Florian von Brunn, und Ludwig Hartmann. „Auch mit der jetzt angekündigten Reform des Klimaschutzes bleibt sich Markus Söder treu: Große Worte, keine Taten. Das ist und bleibt der Markenkern seiner ambitionslosen Klimaschutzpolitik in Bayern. So verspielt er die Chancen, die neue, saubere Technologien uns allen bieten würden“, sagt Hartmann. „Es reicht hinten und vorne nicht“, sagt auch von Brunn. Der Vorsitzende der Bayern-SPD fordert unter anderem eine schrittweise Aufstockung der Landesmittel für den ÖPNV auf eine Milliarde Euro pro Jahr. Er fordert mehr Windkraft und eine allgemeine PV-Pflicht, um die Umstellung auf klimaneutrale Stromgewinnung zu forcieren. Und er kündigt an: „Wir werden das in der Ampelkoalition im Bund massiv beschleunigen und auch Bayern in die Pflicht nehmen.“

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