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Klassik: Wallfahrt zu Wagner

Klassik

Wallfahrt zu Wagner

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    Gäste des Staatsempfangs anlässlich der Bayreuther Festspiele.
    Gäste des Staatsempfangs anlässlich der Bayreuther Festspiele. Foto: dk_ck

    Bayreuth. Wie so oft wollte der Meister in die Vollen gehen und noch ein wenig weiter. Er werde, fantasierte Richard Wagner 1850, für seine geplante "Siegfried"-Oper ein eigenes, aus Brettern roh gezimmertes Theater errichten und dort drei Aufführungen seines Werks stattfinden lassen. "Nach der dritten", so sah es der Komponist, "wird das Theater abgerissen und meine Partitur verbrannt."

    Nur in Teilen ging diese Zukunftsschau des gerne groß denkenden Wagner (1813-83) in Erfüllung. 1876 hob er seinen aus dem "Siegfried"-Vorhaben riesenhaft herausgewachsenen Musiktheaterkosmos "Der Ring des Nibelungen" in einem neu erbauten Theater aus der Taufe. Doch weder ging danach die Partitur in Flammen auf, noch wurde das Bühnenhaus wieder abgetragen. Vielmehr steht es noch immer und ist Zentrum eines allsommerlichen Auftriebs, auf den die Musikwelt stets mit Neugier blickt: die Bayreuther Festspiele, die am Samstag wieder beginnen.

    In der mittlerweile kaum noch überschaubaren internationalen Festivallandschaft nehmen die vier Wochen in der fränkischen Provinz einen singulären Platz ein. Denn seit jeher wird im Festspielhaus ausschließlich Wagner gegeben. Und seit inzwischen mehr als eineinviertel Jahrhunderten liegt die Leitung der Festspiele fest in der Hand der Nachfahren des Komponisten.

    Das Publikum strömt, Bayreuth kann die Kartennachfrage bei weitem nicht befriedigen, jahrelange Warteschleifen sind für Normalbesteller obligatorisch. Seit langem übt Bayreuth auch einen starken Sog auf sogenannte Prominenz aus. Die Festivaleröffnung ist ein Schaulaufen mehr oder minder bekannter und wahrer wie vorgeblicher Wagner-Verehrer, deren Spektrum von der Kanzlerin Merkel bis hin zu einem Schlagerstar wie Roberto Blanco reicht. Fraglos sind die Festspiele der deutsche Klassik-Event.

    Der Mythos Bayreuth, die Aura, die diesen Musikwallfahrtsort umgibt, speist sich aus mehreren Quellen. Da ist einmal das Festspielhaus selbst, das den Geist seines Gründers atmet und dessen verdeckter Orchestergraben jenen berühmten mystischen Klang mitformt, von dem alle Besucher schwärmen. Wer Wagners Opern nach Wagners Vorstellungen erleben will, hat hier zumindest räumlich und akustisch beste Voraussetzungen.

    Untrennbar mit den Festspielen verbunden ist die seit Stammvaters Tagen weitverzweigte Familie Wagner, die wie mancher Clan, der einen großen Namen trägt, durch die Generationen hindurch dem Ränkespiel nicht abgeneigt war, ja sogar einige dunkle Flecken hat. Die Wagners, und davon profitieren die Festspiele, sind ein Faszinosum.

    Ränkespiel im weitverzweigten Familienclan

    Das beginnt bereits mit Witwe Cosima, die nach Richards Tod Bayreuth mit eiserner Strenge regierte und den homosexuellen Sohn Siegfried dazu bewog, eine blutjunge Engländerin zu heiraten. Diese Winifred Wagner empfing nach der Machtübernahme der Nazis den glühenden Wagnerianer Hitler regelmäßig privat bei den Festspielen. Mit der Folge, dass nach 1945 Bayreuth als schwer kontaminiert galt und sechs Jahre lang kein Wagner mehr aufgeführt wurde.

    Es waren die Söhne Winifreds, Wieland und Wolfgang Wagner, denen ab 1951 ein radikal mit der Vergangenheit brechender Neustart gelang. Vor allem

    Zur Faszination Bayreuth gehört, dass die viel beschworene "Familienoper" der Wagners oft nicht weniger bühnenwirksam erscheint als das im Festspielhaus Gezeigte. Als Wolfgang Wagner 2008 von seinem Amt zurücktrat, war wieder einmal eine Kabale um die Macht in Bayreuth vorausgegangen, die den Finten des "Ring"-Göttervaters Wotan ebenbürtig gewesen sein dürfte. Die erstgeborene Tochter Eva, die lange Jahre an der Seite ihres Vaters mitgearbeitet hatte, wurde verstoßen, als Wolfgang Wagner zum zweiten Mal heiratete und erneut Vater einer Tochter, Katharina, wurde. Als es dann um die Frage der Nachfolge der Festspielleitung ging und seitens der mitbestimmenden Richard-Wagner-Stiftung Tochter

    Seit einem Jahr nun sind die Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier (64) und Katharina Wagner (31) gemeinsam Chefinnen in Bayreuth. Eva agiert im Hintergrund, Katharina vertritt die Festspiele medienwirksam nach außen. Eine künstlerische Handschrift der beiden ist noch kaum erkennbar, auch, weil diesen Sommer keine Neuinszenierung ansteht. Klar ist nur, dass die Urenkelinnen des Festspielgründers das Haus für breitere Schichten öffnen und an moderne Zeiten anbinden wollen. Und so gibt es neuerdings Public Viewing, Livestream und Podcasts, Einführungsveranstaltungen zu den Inszenierungen sowie eine eigens für Kinder eingerichtete Wagner-Oper.

    Vorerst bis 2015 stehen die ungleichen Schwestern unter Vertrag. Werden Eva und Katharina die Festspiele, die unter der Regie ihres Vaters schon so manches Jahr nicht mehr, wie noch vor einigen Jahrzehnten, die Speerspitze der Wagner-Interpretation bildeten, zu altem künstlerischem Glanz zurückführen können? Und die große übrige Wagner-Familie (es gibt allein zehn weitere Urenkel): Wird aus ihrem Kreis, wie bisher schon die Wieland-Tochter Nike, ein weiteres Mitglied die Festspielführung für sich reklamieren wollen?

    Es gibt gute Gründe zur Annahme, dass Bayreuth auch künftig nicht nur ein Ort großer Musik, sondern auch spannungsvollen Theaters sein wird.

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