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Kirchweih 2017: So feiern die Bayern heute Kirchweih

Kirchweih 2017

So feiern die Bayern heute Kirchweih

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    Kirta-Hutschn, große Schaukeln aus Holzbalken, sind in vielen Gemeinden ein Teil der Kirchweih-Tradition.
    Kirta-Hutschn, große Schaukeln aus Holzbalken, sind in vielen Gemeinden ein Teil der Kirchweih-Tradition. Foto: Thorsten Jordan

    Knarzend öffnet sich die kleine Seitentür des Stadels. Es riecht nach feuchtem Gras, nach Kühen und Holz. Das fahle Herbstlicht erhellt den Raum, in dessen Mitte Alfred Müller steht und auf den Boden deutet. Es ist ein Stück Tradition, auf das er zeigt. Ein Teil bayerischen Kulturguts. Auf einem Bretterhaufen liegt die Kirta-Hutschn, eine hölzerne Schaukel, die jedes Jahr an Kirchweih an die Decke des

    In Raisting, einem kleinen Dorf in der Nähe des Ammersees, wird Kirchweih ganz groß zelebriert. Der Trachtenverein richtet das Fest aus, schon eine Woche vorher beginnen die Vorbereitungen. Deswegen ist Alfred Müller an diesem Spätnachmittag auch hier. Er trägt einen Filzhut, Jeans, einen blauen Pulli, darunter ein Karohemd. Gemeinsam mit den anderen Vereinsmitgliedern baut er gerade die Holzhütte auf, in der es am Kirchweihsonntag Bier, Schweinsbraten, Weißwürste und Schupfnudeln geben wird. „Es kommen Alte und Junge, Kinder und Senioren“, sagt Müller und hämmert zwei Wandteile der Hütte zusammen.

    Seit 23 Jahren veranstaltet der Trachtenverein das Fest, das nach dem Gottesdienst am Vormittag beginnt. Mit Blasmusik, Geselligkeit, deftigem Essen und eben der großen Holzschaukel. „Kirchweih ist eine uralte Tradition, die wir wieder aufleben lassen“, sagt Roland Happach, der Vereinsvorsitzende.

    Kirchweih 2017: Festes Datum

    In Bayern fand das Fest früher jeweils an dem Tag statt, an dem die Kirche geweiht worden war. Oder, wenn man das Datum nicht wusste, am Namenstag des Schutzheiligen. Das hatte zur Folge, dass landauf landab ständig gefeiert wurde. Denn zünftig ging es nicht nur im eigenen Dorf zu – die Menschen besuchten auch die Feste der Nachbargemeinden. „Im ländlichen Raum war das der Festtag für die Bevölkerung. Es wurde gegessen, getrunken und getanzt – ein Tag der ausgelassenen Freude und der Üppigkeit“, erläutert Schwabens Bezirksheimatpfleger Peter Fassl. Vor allem für die ärmeren Leute auf dem Land war es ein willkommener Anlass, um einmal ausgiebig zu schlemmen. Es gab Fleisch, Kuchen und Gebäck. Speisen, die Knechte oder Mägde sonst eher selten auf die Teller bekamen. So viel zügellose Feierei war der Obrigkeit aber irgendwann zuviel. Deswegen wurde in

    An dieses Datum halten sich noch heute viele Gemeinden – vor allem in Ober- und Niederbayern. Im Norden des Freistaats indes, besonders in der Oberpfalz, feiert man vielerorts noch an den alten Terminen. Oberbayern sei immer schon ein wenig königstreuer gewesen, sagt Manuel Trummer, Kulturwissenschaftler der Universität Regensburg. Deswegen habe man dort auch immer am dritten Oktobersonntag festgehalten.

    Roland Happach überprüft die aufgehängte Hutsch.
    Roland Happach überprüft die aufgehängte Hutsch. Foto: Thorsten Jordan

    Trummer hat sich intensiv mit der Geschichte der Kirchweih beschäftigt. Nachdem in den Kriegsjahren die Bedeutung des Festes enorm zurückgedrängt wurde – auch, weil viele junge Männer, die es organisiert hatten, in Kriegsgefangenschaft waren –, wurde in der Nachkriegszeit wieder mehr gefeiert, erklärt Trummer. „Und seit den 90er Jahren hat Kirchweih wieder eine überragende Bedeutung, vor allem in Nordbayern“, sagt der Kulturwissenschaftler. So langsam aber flaue der große Boom wieder ab. „In manchen Orten geht die Kirchweihtradition zurück, das hat auch mit dem demografischen Wandel zu tun“, sagt Trummer. Gleichzeitig aber gebe es vielerorts eine enorme Professionalisierung der Kirchweih, mit Bierzelten und Blaskapellen.

    Kirchweih: Begeisterung der Menschen für die Heimat

    Was Trummer zudem beobachtet, ist eine enorm große Begeisterung der Menschen für die Heimat, das Land, das Brauchtum. Auch Bezirksheimatpfleger Fassl glaubt, dass es bei vielen Bürgern wieder ein größeres Bedürfnis nach Traditionen gibt. Zu Erntedank sei er in mehreren Kirchen gewesen, die reich geschmückt waren. „Da sieht man, dass da viele Leute daran mitgearbeitet haben.“ Auch die Tracht sei ein Spiegel dieses wieder aufblühenden Traditionsbewusstseins. „Lederhosen und Dirndl finden wieder mehr Akzeptanz. Gerade auch bei jungen Leuten“, sagt Fassl. Bei all den Bräuchen, die in Bayern gefeiert werden, steht seiner Ansicht nach der soziale Aspekt im Vordergrund. Die Geselligkeit, das Miteinander, seien immer schon tragende Elemente gewesen, sagt er. Die Religion indes spiele heute oft eine eher untergeordnete Rolle.

    Martin Bestele, der Pfarrer von Raisting, sieht das ein wenig anders. Sich an die Weihe der Kirche zu erinnern, sei für die Gläubigen wichtig. „Es ist für viele Menschen eine Herzensangelegenheit, dass sie eine Kirche haben, wo man den Glauben feiern kann“, sagt er. Und Roland Happach vom Raistinger Trachtenverein meint: „Die Religion und das Feiern gehören bei uns zusammen.“ An Kirchweih würden auch deutlich mehr Menschen als sonst den Gottesdienst besuchen.

    Happach steht inmitten der meterhohen dunklen Scheune. Unter seinen Schritten knarzt der alte Holzfußboden. Draußen wird es langsam dunkel. Am Sonntag wird der Stadel nicht wiederzuerkennen sein, Biertische werden aufgestellt sein, an denen die Leute lachen, essen, trinken. Oben auf der Empore wird die Musikkapelle aufspielen. Es wird nach deftigem Braten riechen, und von draußen wird der Duft von frisch gebackenen Küchlein hereinziehen. „Kirchweih gehört bei uns einfach zum Jahr dazu“, sagt Happach.

    Dann dreht er sich um, will nach draußen, wo mittlerweile das Dach auf die Außenwände der Ausschankhütte geschraubt wird. Im Gehen deutet er noch nach oben, auf ein paar schwarze Haken an der Stadeldecke. Dort wird die Holz-Hutschn aufgehängt. Die Schaukel, die in Raisting untrennbar mit dem Kirchweihfest verbunden ist. Sie ist ein Stück Tradition. Ein echter Teil bayerischer Feierkultur.

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