Althergebrachtes verpflichtet. „Schon mein Opa und der Vater waren Kirchenpfleger und haben sich darum gekümmert. Und ich soll’s jetzt hergeben?“ Fast verzweifelt klang der Einwand, den Diane Rußwurm in Benediktbeuern hörte. Seit zwei Jahren hat die Finanzfachfrau die Aufgabe, die sogenannten Pfründestiftungen in der Diözese Augsburg zu zentralisieren. Die Emotionen schlagen hoch.
Pfründe in der Diözese werfen jedes Jahr 5 Millionen ab
Eine „zeitgemäße und transparente Verwaltung dieses kirchlichen Sondervermögens“ und eine Entlastung der Ortspfarrer verspricht sich der Augsburger bischöfliche Finanzdirektor Klaus Donaubauer von dem im Juni 2016 errichteten Katholischen Pfründestiftungsverbund St. Ulrich, kurz KPV genannt. „Man kann diese Stiftungen ganz anders managen, wenn alles zusammengeführt wird“, sagt er. Es geht um Wiesen, Wälder oder Äcker, die über Jahrhunderte hinweg den Unterhalt der Geistlichen sicherstellen sollten. Doch die Bedeutung der Pfründeerträge ist längst nicht mehr so groß wie ehedem, als eine Pfarrstelle je nach ihrer Einträglichkeit im Klerus mehr oder weniger begehrt war. Im Jahr werfen die Pfründestiftungen laut aktuellem Diözesanhaushalt rund fünf Millionen Euro ab. Zum Vergleich: Die Kirchensteuer erbrachte 2017 insgesamt 360 Millionen Euro.
Katholiken hängen an „ihren“ Pfründen und beklagen Enteignung durch die Diözese
Trotzdem hängen eingesessene Katholiken an „ihren“ Pfründen. „Die Stifter hätten ihre Liegenschaft immer schon dem Bischof geben können, wenn sie gewollt hätten. Sie haben sie aber der Kirche am Ort gegeben. Und diesen Willen bricht die Diözese jetzt“, zürnt einer, der sich aber scheut, seinen Namen zu nennen. Er spricht von Enteignung.
Davon könne überhaupt keine Rede sein, beteuert Finanzdirektor Donaubauer. „Das Vermögen am Ort wird nicht abgezogen und auch die Widmung der Stifter bleibt vollumfänglich gewahrt“, sagt er. Freilich: Im Grundbuch steht zukünftig der KPV als Eigentümer und nicht mehr die örtliche Pfründestiftung.
Schon vor 60 Jahren hatte Bischof Joseph Freundorfer den Pfründekapitalienfonds gegründet, wohin das Geld floss, wenn ein Pfründegrundstück etwa wegen des Baus einer Straße verkauft werden musste. Aus dem Kapital veräußerter Pfründe kann etwas Neues entstehen, zum Beispiel eine Wohnanlage für elf Millionen Euro in Landsberg auf einem Pfründegrundstück. Die bischöfliche Finanzkammer habe zuvor die Pfarrgemeinde und deren Kirchenverwaltung in die Planung einbezogen. „Vor allen bedeutsamen Entscheidungen über das Pfründegut haben der Pfarrer und die Kirchenverwaltung ein Anhörungsrecht“, betont Donaubauer.
Das möge schon sein, „aber halten sie sich in Augsburg dann auch an das, was aus den Pfarrgemeinden kommt?“, wirft der Kritiker ein. Für ihn hocken die Behörden der Diözese auf einem hohen Ross. Wer wisse schon, worauf sie das nächste Mal zugreifen, um die Selbstständigkeit der Pfarrgemeinden auszuhöhlen? Vielleicht auf die örtlichen Pfarrkirchenstiftungen? Diese tragen im Unterschied zu den Pfründestiftungen vor allem die ihre Kirche betreffenden rechtlichen Beziehungen. Zudem dienen sie mit ihrem Vermögen wie dessen Ertrag den ortskirchlichen Bedürfnissen, heißt es in der Kirchenstiftungsordnung. Zum Vermögen zählt etwa die jeweilige Pfarrkirche.
„Ausschließlich emotionale“ Einwände gegen die KPV höre sie auf den Konferenzen in den Dekanaten und Pfarreien, berichtet Diane Rußwurm weiter. „In dem Moment, wo ich unter vier Augen mit den Kritikern spreche, verstehen sie, warum das Bistum die Pfründestiftungen zusammenführt.“
Rechtlich weiß sich die Diözese auf der sicheren Seite. Staatlicherseits hat das Kultusministerium die KPV genehmigt, das kirchliche Gesetzbuch sieht die Übertragung der Pfründestiftungen in Kanon 1274 sogar ausdrücklich vor. Die KPV erlaubt es außerdem, erstmals dieses Sondervermögen nach Vorgaben des Handelsrechts zu bilanzieren.
Anlagenvermögen der KPV könnte 2022 eine Milliarde betragen
Ende 2017 belief sich das Anlagevermögen auf 123,4 Millionen Euro, darin enthalten sind die Pfründestiftungen der Dekanate Benediktbeuern, Schwabmünchen und der beiden Augsburger Dekanate. Wenn die KPV bis zum Jahr 2022 planmäßig den Bestand aller 23 Dekanate zentralisiert hat, könnte es gut eine Milliarde sein. Derzeit sind Donauwörth, Günzburg, Kempten und Marktoberdorf an der Reihe.
Ein Zuckerl gibt es dabei für die Pfarreien: Sollte ein nicht mehr genutztes Pfarrhaus verkauft werden, gehen 50 Prozent des Erlöses an die örtliche Kirchenstiftung. „Wir erkennen an, dass frühere Generationen hier Eigenleistungen erbracht haben“, sagt Donaubauer. Zudem trägt die Diözese künftig die Baulast der Pfarrhäuser zu 100 Prozent. Bisher musste die Kirchenstiftung ein Fünftel erbringen. An deren Aufgaben ändere sich sonst nichts. Die Kirchenverwaltung – das handelnde Organ der Kirchenstiftung – werde weiter den laufenden Betrieb der Pfarrei samt ihrer Kindergärten abwickeln, das Personal dafür anstellen und mit dem „Gotteshausvermögen“ wirtschaften – alles ehrenamtlich und gewählt auf sechs Jahre. Am 18. November finden Neuwahlen statt.