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Kirche in Bayern: Missbrauchsskandal: Der Druck auf die Kirchen steigt

Kirche in Bayern

Missbrauchsskandal: Der Druck auf die Kirchen steigt

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    Sechs Bekannte Juristen haben aufgrund der MHG-Studie und der darin beschuldigten Kleriker Strafanzeige erstattet. Auch darauf reagierte Marx am Donnerstag.
    Sechs Bekannte Juristen haben aufgrund der MHG-Studie und der darin beschuldigten Kleriker Strafanzeige erstattet. Auch darauf reagierte Marx am Donnerstag. Foto: Lübke, dpa (Symbolbild)

    Tief greifende Reformen haben die deutschen katholischen Bischöfe in Aussicht gestellt – um den möglicherweise vieltausendfachen Missbrauch in den eigenen Reihen aufzuarbeiten und künftigen Fälle entgegenzuwirken. Am Donnerstag nun wurden die bayerischen Bischöfe konkreter, zumindest ein wenig. Zum Abschluss ihrer Herbstvollversammlung in München sagte Reinhard Kardinal Marx, der sowohl Vorsitzender der Deutschen als auch der Freisinger Bischofskonferenz ist, dass die katholische Kirche auf Kooperation mit den Staatsanwaltschaften setze. Zudem werde man auf Bundesebene diskutieren, ob man eine neutrale Anlaufstelle für Opfer einrichte – eine Forderung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern.

    Die engagierten Laien hatten Ende September einen Maßnahmenkatalog formuliert, „den es zügig umzusetzen“ gelte. Neben der Schaffung einer Anlaufstelle für Opfer verlangten sie Eignungsprüfungen für Interessenten, die ins Priesterseminar eintreten wollen. Und bemängelten, die „bisherigen Hauptkriterien männlich und unverheiratet“ seien „nicht zukunftsweisend“ als Zugangsbedingungen zum Priesterberuf. Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx sagte dazu, die Bischöfe müssten weiter an der Reform der Priesterausbildung arbeiten; den Umgang mit Sexualität, die Rolle der Frau in der Kirche und den Zölibat müsse man offen und angstfrei ansprechen.

    Ausgelöst hatte die jüngste Debatte um Strukturreformen in der Kirche die Veröffentlichung der von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebenen Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (MHG-Studie)“ Ende September in Fulda.

    Nickolai: „Bisher ist bei der Staatsanwaltschaft Augsburg keine Anzeige erfasst“

    Sie beschäftigt die Justiz. Am 2. Oktober forderte etwa die auch für Augsburg zuständige Generalstaatsanwaltschaft München die bischöflichen Ordinariate in ihrem Bezirk schriftlich auf, Missbrauchsfälle, die sich aus deren jeweiligem Aktenbestand ergeben, bei den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften oder Polizeidienststellen anzuzeigen.

    „Bisher ist bei der Staatsanwaltschaft Augsburg keine Anzeige erfasst, die im Zusammenhang mit der Studie steht“, sagte Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai dazu auf Anfrage. Auch bei der Generalstaatsanwaltschaft München sei keine Strafanzeige in diesem Zusammenhang eingegangen, sagte Oberstaatsanwalt Christoph Oberhauser am Donnerstag. Seine Behörde habe auf ihr Schreiben jedoch „mehrere Rückmeldungen von Ordinariaten erhalten. Es werden weitere Gespräche in dieser Sache geführt werden“. Worum es dabei genau gehen soll, könne er nicht sagen.

    Mit Blick auf das Bistum Augsburg betonte der Augsburger Oberstaatsanwalt Nickolai: Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Diözese die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger nicht umsetze. Diese Leitlinien beinhalten die Verpflichtung, einen Missbrauchsverdacht den Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.

    Nickolai bestätigte zudem den Eingang einer Strafanzeige gegen Unbekannt von sechs renommierten Juristen aufgrund der MHG-Studie. „Wir prüfen, inwieweit es Handlungsmöglichkeiten gibt“, sagte er. Auch die Staatsanwaltschaften Passau, München I und Ingolstadt prüfen nach Informationen unserer Redaktion die Strafanzeige. Diese wurde bundesweit am 26. Oktober eingereicht – unter anderem von den Strafrechtsprofessoren Eric Hilgendorf (Würzburg), Holm Putzke (

    EKD-Synode spricht von Montag an über Missbrauch in der evangelischen Kirche

    Anders als in der katholischen gibt es in der evangelischen Kirche keine vergleichbare Untersuchung – sondern nur vereinzelt Berichte und Schätzungen über das Ausmaß der Missbrauchsfälle. Möglicherweise ändert sich das: Erst am Mittwoch hat die „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ mit einer Stellungnahme den Druck auf die evangelische Kirche erhöht. Diese müsse „eine eigene wissenschaftliche Studie in Auftrag geben, die vergleichbar der MHG-Studie“ sei. „Denn die Fälle von Missbrauch in einzelnen Institutionen in ihrer Trägerschaft und durch ihre Amtsträger lassen auf strukturelle Ursachen in der Kirche schließen.“ Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wird von Montag an bei ihrer Tagung in Würzburg darüber diskutieren. Ob sie eine umfassende Missbrauchsstudie auf den Weg bringt, ist ungewiss.

    Keine Bewegung gibt es in der Frage der Verjährungsfristen, für deren Abschaffung sich Missbrauchsopfer einsetzen. Während in Spanien Missbrauch nicht mehr verjähren soll, sieht das Bundesjustizministerium hierfür keine Notwendigkeit. Ein Sprecher sagte unserer Redaktion: „Es gibt keine Initiative der Bundesregierung und keine unseres Hauses, in diesem Bereich tätig zu werden.“ In Deutschland gelten seit 2015 längere Verjährungsfristen für Kindesmissbrauch. Sie beginnen, sagte er, mit Vollendung des 30. Lebensjahres und betragen bei schweren Sexualdelikten in der Regel mindestens 20 Jahre.

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