Dem Brief von Papst Franziskus, der Kardinal Reinhard Marx den Verbleib als Erzbischof von München und Freising auferlegt, misst der Augsburger Bischof Bertram Meier auch grundsätzliche Bedeutung zu. „Interessant ist, was der Papst nicht sagt: Obwohl er synodale Prozesse in allen Ortskirchen will, verliert er kein Wort über den Synodalen Weg. Sein Anliegen ist eine spirituelle Erneuerung, die sich der Krise stellt, aber sich nicht in Konflikten verausgabt“, erklärte Meier auf Anfrage der Redaktion.
Bischof Meier liest "Zeichen der herzlichen Beziehung zwischen Papst und Kardinal Marx"
In den Worten des Papstes sehe er „ein Zeichen der herzlichen Beziehung, die zwischen Franziskus und Kardinal Marx herrscht. Darauf wird Marx in seinem weiteren Wirken bauen können.“ Im Unterschied zu ihm rede Franziskus aber nicht vom „toten Punkt“, sondern vom Keim der Hoffnung, der in der Krise steckt. „Krise heißt für ihn auch, sich der Wüste auszusetzen. An diesem Gedanken kann sich jeder Bischof in dieser delikaten Zeit ausrichten und mit Franziskus die ernste Frage stellen: Was muss ich angesichts dieser Katastrophe tun? So gesehen, scheint der Brief wohl an Marx adressiert zu sein, doch eigentlich zeigt er eine pastorale Piste für alle Hirten in Deutschland auf.“
Ähnlich äußerte sich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Interessanter als die Personalie ist aus seiner Sicht der Inhalt des Briefes des Papstes an Marx. Franziskus stelle seine Sicht der gegenwärtigen Situation der Kirche dar. „Er verlangt Aufklärung und Aufarbeitung des Missbrauchs“, betonte Schick. „Die Opfer müssen im Mittelpunkt stehen und nicht die Institutionen. Dazu braucht es radikale Bekehrung aller Einzelner zu den Werten und Tugenden des Evangeliums und auch Reform der kirchlichen Institutionen.“ Kardinal Marx solle „an seinem Platz“ weiterhin mitwirken.
Theologe wünscht sich mehr Klarheit von Papst Franziskus
Der Eichstätter Theologe Martin Kirschner wünschte sich mehr Klarheit von Papst Franziskus. „Das Zeichen von Kardinal Marx war in der Beziehung eindeutig. Das des Papstes noch nicht“, sagte der Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt der Deutschen Presse-Agentur. „Was zählt, sind die Taten, nicht die Worte. Und da bin ich unsicher, ob sich der Papst selbst wirklich genug der Reichweite der Krise und der Perspektive des Betroffenen ausgesetzt hat, gerade, wenn es um Deutschland geht“, sagte Kirschner. „Der Aufruf zur inneren Umkehr darf kein Ersatz sein für personelle Konsequenzen dort, wo sie nötig sind.“
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