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Kirche: Oberster Glaubenshüter der Katholiken liefert eine düstere Zeit-Diagnose

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Oberster Glaubenshüter der Katholiken liefert eine düstere Zeit-Diagnose

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    Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat sein neues Buch "Die Botschaft der Hoffnung" vorgestellt.
    Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat sein neues Buch "Die Botschaft der Hoffnung" vorgestellt. Foto: Sven Hoppe/dpa

    Wie einer, dessen Ablösung bevorsteht, wirkt Kardinal Gerhard Ludwig Müller an diesem Abend in Regensburg wahrlich nicht. Unverändert ist er Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, der oberste Glaubenshüter der katholischen Kirche also und damit einer ihrer mächtigsten Männer. Die Frage, die manchen im

    Papst Franziskus und Kardinal Müller, sie passten nicht zusammen, hätten unterschiedliche Ansichten zu wichtigen theologischen und kirchenpolitischen Themen. „Dummes Gerede“, meinte Müller einmal dazu. Und das meint am Mittwochabend auch Prälat Wilhelm Imkamp, der Wallfahrtsdirektor von Maria Vesperbild. Franziskus und Müller seien keine Diplomaten, beide hätten sie Humor – was sie unterscheide, das sei: „Der eine ist Chef, der andere Diener.“

    Die rund 70 geladenen Gäste lächeln. Der Kardinal: konzentriert, fast reglos. Der vielen als konservativer Scharfmacher Geltende – ein stiller Zuhörer. Und so hört er zu, wie über ihn geredet, wie das zum Buch gewordene Interview, das er dem spanischen Priester Carlos Granados gab, gewürdigt wird. „Die Botschaft der Hoffnung“ heißt das Buch, und deswegen sitzen sie hier, in einem der Prunksäle von Schloss St. Emmeram.

    Mariae Gloria Fürstin von Thurn und Taxis hat eine bemerkenswerte Runde zu dieser Buchvorstellung versammelt. Unter ihren Gästen: der CSU-Politiker und Protestant Peter Gauweiler, der Publizist und Jude Henryk M. Broder. Die Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger und Martin Mosebach. Michael Klonovsky, der Medienberater von AfD-Chefin Frauke Petry, ist da. Und, natürlich, der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger, Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI.

    Müller bezeichnete Papst Franziskus als "Terror-Versteher"

    Noch nie habe er vor so einem Kreis gesprochen, spricht Broder dann als einer der Laudatoren. „Entweder trete ich im Fernsehen oder vor Gericht auf.“ Überhaupt, Müller und ihn verbinde die Zahl der einstweiligen Verfügungen. Lächelndes Publikum, fast regloser Müller. Der auch nicht reagiert, als Broder Papst Franziskus als „Terror-Versteher“ bezeichnet. Weil Franziskus in einem Interview mit Blick auf Anschläge radikalislamischer Attentäter gesagt hatte: „In fast jeder Religion gibt es immer eine kleine Gruppe von Fundamentalisten – bei uns auch.“ Broder ist bekannt für seine Zuspitzungen, in Müller sieht er einen Geistesverwandten.

    Er habe dessen Buch zwar weder ganz gelesen noch habe er die Sachkenntnis, es zu rezensieren. Aber: „Es beeindruckt mich, dass Sie vom Recht, eine eigene unbequeme Meinung zu haben, Gebrauch machen.“ Die Gäste klatschen. Peter Gauweiler, der anschließend das Müller-Buch vorstellt, knüpft daran an. Es sei das Buch eines „Unerschrockenen“. Ob der Kardinal ein „katholischer Scharfmacher“ sei? „Jedenfalls kein gottloser Stumpfbleiber“. Die Botschaft des Buches an Gläubige, meint Gauweiler, sei, „sich um Himmels Willen nichts gefallen zu lassen in ihrem Glauben“.

    Erst gegen Mitternacht wird Müller ein paar Worte an die Gäste richten. Nichts Scharfmacherisches. Derart „spritzig und witzig“ wie die Redner des Abends könne er, der Professor, nicht sprechen, wird er beginnen – und beim Thema seines Buches, der Hoffnung, enden.

    Ganz anders sein Auftritt bei der Fürstin vor einem Jahr: Damals stellte er ein Buch von Kardinal Robert Sarah aus Guinea vor, dem Star (erz-)konservativer Katholiken. Die Welt schrieb von einer „Wutrede“, Müller habe den Abend genutzt, „um die liberalen Kräfte der Deutschen Bischofskonferenz heftig zu kritisieren“.

    Müller liefert eine düstere Zeit-Diagnose

    Auch jetzt wird wieder zwischen den Zeilen gelesen und gedeutelt werden. Müllers Buch wird auf Franziskus-kritische Stellen untersucht werden. Die lassen sich ihm aber nur mit einiger Mutwilligkeit unterstellen. Etwa, wenn er einen „Papismus“ anprangert, der entstehe, „wenn man den Papst übertrieben anhimmelt, als wäre er nur eine weitere Berühmtheit“.

    Ansonsten ist „Die Botschaft der Hoffnung“ eine Vermessung der (katholischen) Welt aus Sicht eines „entschiedenen Verteidigers der Kirchlichkeit“, wie ihn Papst Benedikt nennen würde. Müller liefert eine düstere Zeit-Diagnose, die man teilen oder an der man sich reiben kann. An klaren Meinungen mangelt es ihm jedenfalls nicht. „Unsere säkularisierten Gesellschaften werden von innen her durch Trivialität und Vulgarität ausgehöhlt“, behauptet er und fordert: „Angesichts einer aggressiven laizistischen Welt dürfen wir uns nicht fürchten, uns als überzeugte und praktizierende Christen zu zeigen!“ Die Hoffnung auf eine bessere Welt setzt er unter anderem auf die traditionelle Familie aus Vater, Mutter, Kind – als konkrete „Form, der Kirche anzugehören und sie aufzubauen“.

    Die Botschaft der Hoffnung. Gedanken über den Kern der christlichen Botschaft. Verlag Herder, 288 Seiten, 24,99 Euro

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