Allein das Wort genügt, und schon ist der Erinnerungsmechanismus am Rotieren: Protz und Prunk der Kirche. Verschleierung, Täuschung, Uneinsichtigkeit. Es reicht, wenn irgendwo Limburg in großen Lettern steht, und schon denkt Deutschland an einen kirchlichen Sündenpfuhl. Die jüngsten Schlagzeilen waren nicht besser. Die Welt titelt „Schon wieder Limburg“, als bekannt wird, dass gegen einen Mitarbeiter des bischöflichen Stuhls wegen Kinderpornografie auf seinem Arbeitscomputer ermittelt wird. Eine Imagepolitur war nie so fern wie jetzt.
Franz Kaspar ist weggezogen. Er verbrachte noch drei Jahre in Limburg, nachdem den Posten des Generalvikars ein anderer übernommen hatte. Dann besuchte er fünf Kirchen und Klöster in Deutschland, die dem Domkapitular im Ruhestand einen adäquaten Altersruhesitz angeboten haben. Vergangenes Jahr hat er sich entschieden. Er lebt nun als Kirchenrektor in Bergen bei Neuburg an der Donau, hält als Pfarrer täglich in der Wallfahrtskirche Heilig Kreuz einen Gottesdienst, tagt mit der Kirchenverwaltung des 383-Einwohner-Dorfes, zeigt als Experte für Kunst und Geschichte den Wallfahrern die Pietà von Maria mit dem Schwert im Herzen. Franz Kaspar hat sich zurückgezogen, und am liebsten wäre es ihm, wenn auch jene beiden Geschichten eines Tages verschwinden, die sein Lebenswerk als ehrenwerter Mann der Kirche bedrohen.
Kaspar und Tebartz-van Elst haben keinen Kontakt mehr
Franz Kaspar hat im Bergener Klosterbräu Platz genommen. Der Pfarrhof, in dem er nun lebt, blickt vom kleinen Hügel herab, an dem das Ensemble aus Wehrturm und Wallfahrtskirche im Herzen des Dorfes liegt. Kaspar weiß, dass ihn auch am südlichsten Ende des Bistums Eichstätt jene Fragen erwarten, die alle mit Limburg enden. Was ist wirklich passiert, damals in Limburg? Wer war schuld an dem 30-Millionen-Euro-Schauspiel?
Schließlich gab im März 2014 der zu diesem Zeitpunkt abtretende Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst eine Erklärung ab, die dem Generalvikar die Hauptlast an den Finanzgeschäften auflud. Tebartz-van Elst ist nun als Delegat im Vatikan, Kaspar hat den Kontakt zu ihm abgebrochen, berichtet er. In Limburg bleiben jene Gebäude zurück, die samt Bischofssitz eine Krise in der katholischen Kirche auslösten. Die Kirchenaustritte wuchsen an, und die Öffentlichkeit sprach vom Tebartz-Effekt. Zeitungen veröffentlichten Bilder aus den Innenräumen des als Prunk-Baus in die Geschichte eingegangenen Projekts. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, die Bischofskonferenz prüfte. Welchen Teil der Schuld schleppt aber Franz Kaspar tatsächlich mit sich nach Bergen?
Rechtlich keine. Die Staatsanwaltschaft Limburg hat die Ermittlungen gegen ihn und den Bischof eingestellt. Das sei Kirchenrecht, gab die Staatsanwaltschaft Limburg im Juli 2014 bekannt. Religionsgesellschaften, besagt ein Gesetz aus der Weimarer Republik, verwalten sich eigenständig. Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio kritisierte im Spiegel das veraltete Gesetz, das Quasi-Staaten im Staat schaffe. Aber der Vorwurf der Untreue war aus juristischer Sicht vom Tisch. Und auch Papst Franziskus sah keinen Anlass, gegen die Verantwortlichen zu ermitteln. Dass der Fall schließlich doch von der Bischofskonferenz untersucht wurde, habe er mitveranlasst, sagt Franz Kaspar. Er sei es gewesen, der das höchste Organ der katholischen Kirche in Deutschland mit dem Anliegen aufgesucht hat, den Fall genau zu prüfen.
Franz Kaspar sagt, das Thema sei beendet
Im Abschlussbericht heißt es darin über die Rolle Kaspars: Der Generalvikar habe, „obwohl es dem Bischöflichen Stuhl an Geldmitteln mangelte, Tranchen auf das Treuhandkonto freigegeben, um immer neue Rechnungen (...) begleichen zu lassen.“ Das bestätigt Kaspar auch drei Jahre später über seine Rolle im Bistum: „Ich musste nur sehen, dass die Rechnungen bezahlt werden.“ Und: „Ein Generalvikar hat keine eigenen Rechte.“ Die Entscheidungen habe der Bischof gefällt. Wie es so weit kommen konnte? „Man hätte das Projekt nie beschließen dürfen.“ Das sei allerdings vor seiner Zeit als Generalvikar, auch vor der Amtszeit des Bischofs Tebartz-van Elst vom Domkapitel in die Wege geleitet worden. Irgendwann habe es niemand mehr interessiert, dass die berühmt gewordene bischöfliche Badewanne gar nicht 15.000 Euro, sondern 1500 Euro gekostet hat, sagt er über das mediale Kreuzfeuer damals.
Franz Kaspar sagt, das Thema sei beendet. Dennoch wurden Fragen laut, was seine guten Verbindungen zum Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke damit zu tun haben, dass er nun Bergen lebt. Dass Hanke enge Kontakte nach Limburg pflegte und für seine Kollegen Partei ergriff, ist hinlänglich bekannt. Es wurde spekuliert, dass Tebartz-van Elst ins Bistum ziehen wird, was sich allerdings als falsch erwies.
Über Franz Kaspars Ernennung zum Kirchenrektor gab es im November keine öffentliche Bekanntmachung. Auch auf der Internetseite des Bistums taucht sein Name nicht auf. Das habe allerdings andere Gründe, sagt er. Bergen wurde Teil der Großpfarrei Nassenfels, und zu jener Zeit standen groß angelegte Umstrukturierungen an. „Hanke ist ein Freund“, sagt Kaspar. Auch das sei einer der Gründe gewesen, sich im Bistum Eichstätt niederzulassen. Aus Limburg sei er weder verbannt worden noch geflohen, sagt er rückblickend. Er pflege weiter seine Kontakte und werde eines Tages dort beerdigt.