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Kernkraftwerk Gundremmingen: Mauern um Atomlager sollen vor Terroranschlägen schützen

Kernkraftwerk Gundremmingen

Mauern um Atomlager sollen vor Terroranschlägen schützen

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    Das AKW Gundremmingen. Hier soll das Atommüll-Zwischenlager auf dem Gelände des Atomkraftwerks mit einer zehn Meter hohen, 85 Zentimeter dicken und 210 Meter langen Mauer aus Stahlbeton geschützt werden.
    Das AKW Gundremmingen. Hier soll das Atommüll-Zwischenlager auf dem Gelände des Atomkraftwerks mit einer zehn Meter hohen, 85 Zentimeter dicken und 210 Meter langen Mauer aus Stahlbeton geschützt werden. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die Bundesregierung reagiert offenbar auf die Zweifel an der Sicherheit der deutschen Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle: Wie das Bundesumweltministerium bestätigt, wird an den Sicherheitsvorkehrungen nun bundesweit nachgerüstet. Betroffen davon sind alle

    Die baulichen Maßnahmen an den Anlagen dienen laut Bundesumweltministerium dem Schutz vor "Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter", wobei explizit auch Terroranschläge genannt werden. Eine Stellungnahme des Umweltministeriums Niedersachsen, in der es um das Atommülllager Gorleben geht, wird etwas konkreter. Demnach gebe es "neue Erkenntnisse über Tatmittel und Täterverhalten."

    In Gundremmingen stimmte der Gemeinderat den entsprechenden Planungen am Dienstagabend zu. Demnach soll das Atommüll-Zwischenlager auf dem Gelände des Atomkraftwerks mit einer zehn Meter hohen, 85 Zentimeter dicken und 210 Meter langen Mauer aus Stahlbeton geschützt werden. Die Nachrüstung sorgt in der Gemeinde für große Verwirrung. Denn obwohl der Rat den Bauantrag einstimmig bewilligte - über die Hintergründe des Mauerbaus ist kaum etwas bekannt. Auf Nachfrage im Gemeinderat erklärte Bürgermeister Wolfgang Mayer lediglich, es handle sich um keine freiwillige Maßnahme der Betreiber. "Wieso, weshalb, warum entzieht sich - ehrlich gesagt - meiner Kenntnis", räumte er in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk ein.

    Baubeginn noch in diesem Jahr

    Auf welche konkreten Bedrohungsszenarien die Baumaßnahmen abzielen, darüber schweigt sich das Bundesumweltministerium aus. Die Betreiber von Gundremmingen und das Bayerische Umweltministerium verweisen beide darauf, dass Details der Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen.

    Diese Atomkraftwerke werden in Deutschland betrieben

    Wo stehen welche Atomkraftwerke in Deutschland, wer betreibt sie und wann werden oder wurden sie abgeschaltet? Eine Übersicht:

    Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein wird von E.ON betrieben. Baubeginn war im Januar 1976, im kommerziellen Betrieb ist das AKW seit Dezember 1986. Brockdorf ist ein Druckwasserreaktor und soll 2021 abgeschaltet werden.

    Das Kernkraftwerk Isar liegt nahe Landshut und wird von E.ON betrieben. Isar/Ohu 1 ist ein Siedewasserreaktor. Bauzeit war von 1972 bis 1979. Isar/Ohu 2 ist ein Druckwasserreaktor und ging nach sechsjähriger Bauzeit im April 1988 ans Netz. Isar 2 soll im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Der Atommeiler Isar 1 wurde bereits im August 2011 vom Netz genommen.

    Das Atomkraftwerk Philippsburg steht im Landkreis Karlsruhe (Baden-Württemberg). Betreiberin ist die EnBW. Philippsburg 2, ein Druckwasserreaktor, ging nach achtjähriger Bauzeit 1985 in den kommerziellen Betrieb, der Siedewasserreaktor Philippsburg 1 im Jahr 1980. 2011 wurde Philippsburg 1 vom Netz genommen.

    Das Kernkraftwerk Grohnde (KWG) ist ein Druckwasserreaktor und steht im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. Betreiben wird es von der Firma E.ON. Baubeginn für Grohnde war im Jahr 1986, Betriebsstart 1985, Ende soll 2021 sein.

    Das Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen wird von RWE betrieben. Es wurde in den Jahren 1982 bis 1988 gebaut. In Betrieb bleiben soll der Druckwasserrreaktor bis zum Jahr 2022.

    Das Atomkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg wird von enBW betrieben. Es hat zwei Druckwasserreaktoren, von denen derzeit noch einer in Betrieb ist. Neckarwestheim II soll als eines der letzten deutschen AKW 2022 vom Netz gehen.

    Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld liegt südlich von Schweinfurt am Main. Baubeginn für Grafenrheinfeld war 1974, die Inbetriebnahme war 1981. Das Atomkraftwerk wird von der E.ON Kernkraft GmbH betrieben und wurde 2015 abgeschaltet.

    Gundremmingen B und Gundremmingen C im Landkreis Günzburg sind zusammen das leistungsfähigste Atomkraftwerk Deutschlands. Betrieben werden die Siedewasserreaktoren von der RWE. Baubeginn war im Jahr 1976, Gundremmingen B ging 1984 ans Netz, Gundremmingen C ein Jahr später. Block B soll spätestens 2017 vom Netz gehen, Block C spätestens im Jahr 2021.

    Die Planung wurde nach Behördenangaben bereits vor der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima eingeleitet und sind ein Resultat regelmäßiger Sicherheitsuntersuchungen. Wie das Bundesumweltministerium mitteilt, wurden die Betreiber der Anlagen und die zuständigen Behörden der Länder bereits im vergangenen Jahr informiert und gebeten, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein.

    Größtes Standort-Zwischenlager in Deutschland

    In Gundremmingen steht Deutschlands größtes Standort-Zwischenlager für abgebrannte Brennstäbe. Diese werden zunächst fünf Jahre lang in Abklingbecken innerhalb des Reaktorgebäudes gelagert, bevor sie in den Castoren im so genannten Standort-Zwischenlager untergebracht werden. Das Gebäude, in dem 192 Behältern Platz haben, gleicht von außen einer gewöhnlichen Industriehalle, ist laut Beschreibung der Betreiber mit seinen 0,85 Meter starken Außenwänden und dem 0,55 Meter dicken Dach - beide aus Stahlbeton - aber "eine äußerst robuste Konstruktion". Trotzdem soll dieses Gebäude nun mit der massiven Stahlbetonmauer weiter verstärkt werden.

    Grüne fordern Aufklärung vom Umweltminister

    Nicht nur in der Gemeinde Gundremmingen wurde man von dieser neuen Sicherheitslage offensichtlich völlig überrumpelt, auch die Grünen im Landtag zeigen sich überrascht und forderten die bayerische Atomaufsicht auf, die Öffentlichkeit näher zu informiere. „Diese Nacht-und-Nebel-Politik bei einer so sensiblen Materie ist völlig unangemessen", sagt der energiepolitische Sprecher  Ludwig Hartmann. Der Umweltminister müsse Klarheit darüber herstellen, was es mit den Baumaßnahmen auf sich habe, und ob es für die Bürger ein erhöhtes Sicherheitsrisiko gebe. „Bislang wurde immer versichert, dass die Zwischenlager ausreichend geschützt seien."

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