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Kemptener Oberstaatsanwalt: Von Beruf Mafia-Jäger

Kemptener Oberstaatsanwalt

Von Beruf Mafia-Jäger

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    Die Zerschlagung eines Mafia-Stützpunktes in Sonthofen war der größte Erfolg für Gunther Schatz.
    Die Zerschlagung eines Mafia-Stützpunktes in Sonthofen war der größte Erfolg für Gunther Schatz. Foto: Symbolbild: dpa

    Der Kampf gegen das Verbrechen ist das tägliche Brot von Oberstaatsanwalt Gunther Schatz (49). Seit Ende des vergangenen Jahres leitet er die Abteilung für Organisierte und Betäubungsmittelkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Kempten. Wir sprachen mit ihm über die Herausforderungen, die Härten und die Erfolge seiner Arbeit.

    Von Beruf Mafia-Jäger – würden Sie diese Bezeichnung für sich gelten lassen?

    Schatz: Es geht immer um die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Und hier hat die Staatsanwaltschaft Kempten seit Ende der Achtziger Jahre immer wieder große Erfolge gegen die italienische Mafia gefeiert und die notwendigen Strukturen zum Kampf gegen das organisierte Verbrechen aufgebaut – das ist deutschlandweit einzigartig. Seit etwa fünf Jahren liegt der absolute Schwerpunkt auf der Verfolgung der Russenmafia. Da geht es um Rauschgift, Schutzgeld-Erpressung, um Dokumentenfälschungen. Und auch hier haben wir überaus erfolgreich gearbeitet und eine Vielzahl von Verurteilungen erreicht. Also ja: Was wir hier tun ist Mafia-Jagd.

    Wie kommen Sie den Verbrechern auf die Schliche?

    Schatz: Das Problem an dieser Arbeit ist, die mafiösen Strukturen zu erkennen. Es kommt ja keiner von den Kriminellen zu uns und sagt: „Hört mal, ich wurde für meine zwei Kilo Kokain nicht richtig bezahlt.“ Daher brauchen Sie bei Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst einmal ausgebildete Spezialisten mit extrem großer Erfahrung. Und dann sehr viel Zeit: Manchmal dauern Ermittlungen zwei, zweieinhalb Jahre. Auf die Spur kommen wir der Mafia durch eine Vielzahl von verdeckten operativen Maßnahmen. Manchmal bekommen wir zudem anonyme Hinweise oder ein Krimineller legt eine Lebensbeichte ab.

    Sie kämpfen schon lange gegen das Organisierte Verbrechen. Wie hält man das aus?

    Schatz: Diese Arbeit ist ein hartes Brot, körperlich und psychisch belastend. Der Zeitaufwand und der Stress sind hoch. Es gibt eigentlich keinen Dienstschluss, da man Tag und Nacht erreichbar sein muss. Permanent sind Absprachen zu treffen mit Polizei oder der Generalstaatsanwaltschaft, dann sind wir bei Festnahmen und Durchsuchungen dabei. Dazu kommen in ganz Bayern die Verhandlungen gegen die Russenmafia, zu denen wir fahren müssen – richtige Büroarbeit ist da manchmal gar nicht mehr möglich.

    Verändert einen diese Arbeit als Mensch?

    Schatz: Man muss aufpassen, dass man durch die ständige Beschäftigung mit dem Verbrechen nicht zum Zyniker wird. Da hilft es nur, sich immer wieder selbst zu sagen: Die Masse der Menschen in Deutschland ist rechtstreu. Wir haben es nur mit einem kleinen Prozentsatz zu tun, der so kriminell handelt – und immer so handeln wird. Diese Typen lassen sich nicht ändern. Aber was man tun kann: Die Menschen in diesem Land vor ihnen zu schützen.

    Wurden Sie schon einmal bedroht?

    Schatz: Es gibt versteckte Drohungen. In Italien ist es zum Beispiel üblich, dass die angeklagten Mafiamitglieder in ihrem Schlusswort die Richter ansprechen: „Hoffentlich sind Sie sich der großen Verantwortung bewusst.“ Da ist ganz klar, was gemeint ist. So etwas habe ich bei der Russenmafia auch schon erlebt. Aber wir lassen uns von solchen Drohungen nicht beeindrucken, knicken nicht ein. Und wir sind auch nicht käuflich, wie das in manchen Heimatländern der Kriminellen üblich sein mag.

    Was waren für Sie herausragende Erfolge im Kampf gegen die Mafia?

    Schatz: Die Zerschlagung eines Mafia-Stützpunktes in Sonthofen im Jahr 2008, wo der N’drangheta-Clan eine Pizzeria als Basis für den Kokainhandel nutzte. Und zusammengefasst die Arbeit der vergangenen fünf Jahre gegen die Russenmafia. In aufwendigster internationaler Zusammenarbeit gelang es, mafiöse Strukturen aufzudecken und viele Clanmitglieder zu langjährigen, teilweise zweistelligen Haftstrafen zu verurteilen.

    Das Allgäu galt lange als Rückzugsraum für die italienische Mafia. Ist das noch immer so?

    Schatz: Das war so, ist jetzt aber kein akutes Problem mehr. Die größte Gefahr, der wir – übrigens in ganz Deutschland – ausgesetzt sind, ist die Geldwäsche: Die Mafia investiert in Immobilien und Firmen, wäscht so das Geld rein. Dagegen haben wir quasi keine Handhabe.

    Wenn Sie mal abschalten von der Arbeit, schauen Sie dann zur Entspannung Krimis?

    Schatz: Eigentlich schon lange nicht mehr. Und immer wenn ich mich mal zu einem „Tatort“ hinreißen lasse, bin ich deprimiert über die Qualität. Wie da ermittelt wird, ist unprofessionell. Ich mag keinen Staatsanwalt sehen, der nur am Rande vorkommt und dann maximal sagt: „Ich will Ergebnisse sehen.“ Es gibt kein anderes Land, in dem Polizei und Staatsanwaltschaft so eng zusammenarbeiten wie in Deutschland.

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