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Kempten: In Syrien getötet: David, der Gotteskrieger aus dem Allgäu

Kempten

In Syrien getötet: David, der Gotteskrieger aus dem Allgäu

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    Mehr als 270 deutsche Islamisten sind seit Januar 2013 nach Syrien gereist, um sich dort am Bürgerkrieg zu beteiligen. Ein junger Kemptener hatte sich offenbar einer Terrorgruppe angeschlossen, die einen islamistischen Staat in Syrien und dem Irak errichten will. Vor wenigen Tagen kam er im Norden Syrien ums Leben. Unser Bild zeigt bewaffnete Assad-Gegner, die ein Haus in der Altstadt von Aleppo sichern.
    Mehr als 270 deutsche Islamisten sind seit Januar 2013 nach Syrien gereist, um sich dort am Bürgerkrieg zu beteiligen. Ein junger Kemptener hatte sich offenbar einer Terrorgruppe angeschlossen, die einen islamistischen Staat in Syrien und dem Irak errichten will. Vor wenigen Tagen kam er im Norden Syrien ums Leben. Unser Bild zeigt bewaffnete Assad-Gegner, die ein Haus in der Altstadt von Aleppo sichern. Foto: Maysun/dpa

    „Immer mehr Salafisten aus Bayern kämpfen in Syrien.“ Am 30. Dezember hat David diese Schlagzeile einer deutschen Tageszeitung auf seiner Facebookseite gepostet. Da war er schon mittendrin im Bürgerkrieg. Nun ist der junge Allgäuer höchstwahrscheinlich tot. Erschossen als islamistischer Gotteskrieger irgendwo im Norden Syriens. Nicht einmal seine Familie kennt den genauen Ort.

    David ist kein Einzelfall. Bundesweit sind nach Angaben des bayerischen Innenministeriums mittlerweile mehr als 270 Islamisten nach Syrien gereist, um sich dort an Kämpfen zu beteiligen. Etwa 30 davon stammen aus dem Freistaat. Und nicht nur der Kemptener ist gestorben. Auch 15 weitere deutsche Islamisten sollen in Syrien umgekommen sein. Behördliche Bestätigungen gebe es in keinem Fall.

    Familie distanziert sich von Davids Einstellung

    Aber: Wie wurde David, der junge Kemptener mit Job und Mitgliedschaft in einem Sportverein, zu „Dawud“, dem Islamisten? Seine Schwester hat sich die Frage unzählige Male gestellt. Eine Antwort vermag sie nicht zu finden. „Er war auf einmal nicht wiederzuerkennen“, sagt sie. Ihre Stimme ist leise. Sie habe David, ihren Bruder, geliebt. Und „Dawud“, den Gotteskrieger, gefürchtet. Um beide gebangt, seit er im September plötzlich aus Kempten verschwand. Trotz eines verhängten Ausreiseverbots – seine Familie hatte sich in ihrer Not an die Polizei gewandt. „Wir haben alles versucht, um ihn aufzuhalten. Aber wir haben es nicht geschafft“, sagt seine Schwester. Deshalb möchte sie nun sprechen – um damit wenigstens das zu sagen: „Ich finde es sehr schlimm, was mein Bruder getan hat. Wir möchten uns davon distanzieren.“

    Aus dem netten Jungen David wurde "Dawud" der Gotteskrieger

    Auch wenn in dem Fall vieles rätselhaft ist: Irgendwann, vor wenigen Monaten, muss es einen dramatischen Wendepunkt im Leben des damals 18-Jährigen gegeben haben. Seitdem tauchen Hassbotschaften gegen „Kuffar“, alle „Ungläubigen“, in seinen Internetkommentaren auf.

    Einige Zeit zuvor hatte er seinem Boxtrainer berichtet, zum Islam übergetreten zu sein. „Er hat mir gesagt, er werde seine Handschuhe nicht mehr anziehen, um gegen einen Menschen zu boxen.“ Der bodenständige, im Sportverein angesehene Mittsechziger ist immer noch fassungslos. Seit Dienstag weiß er, dass sein früherer Schützling als Gotteskrieger in Syrien gefallen ist.

    Zweifel hat er nicht mehr. „Wir haben uns die Bilder im Internet angesehen“, sagt der frühere Trainer. Sein Kollege und er seien sicher, dass der blutbefleckte Tote mit dem hellen Haar tatsächlich David ist. Auch im Allgäu gibt es Fotos. Sie zeigen einen ganz anderen David. Freundlich sei er gewesen und unter den jungen Sportlern des Vereins einer „meiner Liebsten“. Er habe auf ihn gesetzt, sagt der Trainer und klingt ratlos beim nächsten Satz: „Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“

    Ist in Kempten eine Salafisten-Zelle angesiedelt?

    Er ist nicht der Einzige, der sich in Kempten inzwischen so seine Gedanken macht: Ob es da vielleicht ein größeres Problem mit radikalen Islamisten geben könne, gar eine Kemptener Zelle? Mehr als nur der eine Extremist im Allgäu? Antworten waren gestern bei der Polizei nicht zu erhalten. Allerdings legen Recherchen unserer Zeitung nahe, dass es zumindest weitere Sympathisanten gibt. Im Internet tauchten gestern mehrere Beiträge aus dem extremistischen Umfeld von David G. auf, die von Ausreiseverboten berichten. Zumindest einer der Betroffenen stammt laut seinem Profil aus Kempten. Ein anderer gibt seinen aktuellen Standort mit Aleppo an: Syrien. Nicht weit davon könnte David G. beim Überfall verfeindeter Aufständischer gefallen sein.

    Der Boxtrainer von David G. glaubt unterdessen den jungen Mann zu kennen, der David zum Islam brachte. Über welche Kreise der Kemptener dann in die Fänge der sunnitischen Terrorgruppe „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“ (Isis) geriet, kann auch der 66-Jährige nicht sagen. „Aber ich will nicht, dass so etwas noch einmal passiert.“ Seine Boxabteilung ist Stützpunkt der Integrationsarbeit des Vereins. 16 Nationen betreiben dort gemeinsam Sport – friedlich.

    Über die Türkei reiste er nach Syrien - trotz Ausreiseverbot

    Wie kam der Allgäuer ins Bürgerkriegsgebiet nach Syrien? „Vermutlich ist er über die Türkei eingereist“, sagt seine Schwester. Wahrscheinlich an der Seite weiterer Islamisten. Ein Internetfoto zeigt den Kemptener mit einem Türken aus der Nähe von Duisburg und einem dritten Salafisten. Alle tragen T-Shirts mit der Aufschrift „alqaida“, der Schriftzug ist dem Adidas-Logo nachempfunden. David lächelt, eine Hand zeigt nach oben. Das Gesicht wirkt jung. Als er 19 wurde, befand sich David bereits in seinem Heiligen Krieg. Wieso? Das Bild gibt keine Antwort. Der junge Türke, der möglicherweise auch in Syrien kämpft, kommentiert Tage später Davids Tod: „Ein wahrer Held“ sei er, der sein Leben für Allah gegeben habe.

    Seine Familie wünschte, das alles wäre nie geschehen.

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