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Kempten: Andreas Gabalier: Der Krachlederne

Kempten

Andreas Gabalier: Der Krachlederne

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    Eine Mischung aus Rockabilly-Jimmy, Lederhosen-Sepp und Ballermann-Horst: Andreas Gabalier in der Big Box in Kempten.
    Eine Mischung aus Rockabilly-Jimmy, Lederhosen-Sepp und Ballermann-Horst: Andreas Gabalier in der Big Box in Kempten. Foto: Ralf Lienert

    „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Einen solchen Satz würde Andreas Gabalier natürlich nie sagen. „Läuft doch subba!“ oder „Dös is da Wahnsinn!“ – so was sagt der.

    Andreas Gabalier, der "VolksRock'n'Roller"

    Aber aus zweierlei Gründen passt der Satz des unsterblichen französischen Autors Victor Hugo doch zu dem jungen steirischen Musikanten. Zum einen beschreibt er exakt die Zuversicht, mit der der 28-Jährige gerade seinen Triumphzug durch Deutschland begonnen hat. Er strotzt geradezu vor Gewissheit, der richtige Mann am richtigen Ort zu sein. Daraus folgt zum anderen: „Schön daran ist, dass sich selbst Intellektuelle mit meiner Musik auseinandersetzen müssen, weil sie so omnipräsent ist.“ Da genießt einer die Macht, die seine Idee entfaltet.

    Diese Idee hat einen Namen. Er nennt es „VolksRock’n’Roll“. Andreas Gabalier verknüpft mit zumeist röhrender Stimme und häufigem Einsatz seiner Ziehharmonika volkstümliche Musik mit der Ausgelassenheit und der Härte von Rockklassikern. Er singt ein bisschen über Schweinsbraten, viel von den „Dirndln“ und noch mehr vom „Dahoam“, während ein Kroate, der in zwanzig Jahren so aussehen könnte wie Keith Richards von den Rolling Stones heute, dazu auf der E-Gitarre gniedelt. Die Werte der Tradition bleiben: Ehrlichkeit, Verwurzelung, Treue und auch der Glaube. Die Form wandelt sich.

    20 Termine in Deutschland und zum Abschluss die Olympiahalle

    Andreas Gabalier selbst sieht dabei aus wie eine Mischung aus Rockabilly-Jimmy, Lederhosen-Sepp und Ballermann-Horst: die aufgeföhnte Haartolle und laszives Arschwackeln, die Sonnenbrille mit rot-weiß kariertem Gestell, die Krachlederne, der auftrainierte Bizeps, der Mikrofonständer aus Wurzelholz und Rehgeweih, an dem eine Stoffkuh baumelt. Eine Woche berserkerte er so über die Bühnen Bayerns: Passau, Nürnberg, Regensburg, vergangenen Mittwoch Kempten, Donnerstag Ingolstadt. In Heilbronn begann am Freitag der Zug durch die Restrepublik – Frankfurt, Leipzig, Berlin, Hamburg, insgesamt 20 Termine, am 8. November Abschluss in München: die Olympiahalle, bereits ausverkauft. Bild und RTL präsentieren.

    Eineinhalb Stunden bevor er in Kempten auf die Bühne tritt, ein großer, kahler Raum im dritten Stock des Verwaltungsteils der BigBox, aber sieht Andreas Gabalier aus wie ein ganz normaler 28-Jähriger. Er trägt eine schwarze Baseball-Mütze der US-Lifestyle-Marke Volcom, Tuchturnschuhe von Converse, die Jeans wie der Schal petrolfarben, das Hemd lässig und hellblau. Unten werden währenddessen die Zuschauer von Werbung für Trachten, für deftige Brotzeiten (mit seinem Gesicht) und für Harmonikas (von denen er eine spielt) empfangen. Am Fanartikelstand gibt’s die Andreas-Gabalier-Kuh zu kaufen und die Karo-Sonnenbrillen und die mit seinem Namen bestickten Trachtentücher, auf den Tischen liegen Prospekte für eine dreitägige Mittelmeer-Kreuzfahrt mit Andreas Gabalier. Oben empfängt er mit einem aufgeräumten Lächeln und natürlich festem Händedruck. Gleich werden ihm die örtlichen Veranstalter die Kuhglocke in die Hand drücken, die jeder Künstler hier in Kempten bekommt, wenn er das Haus ausverkauft hat.

    Von den kreischenden Teenagern bis zur Oma

    Was bei ihm gar keine Frage war, so groß war der Andrang laut Agentur, dass das wohl dreimal gereicht hätte. Tatsächlich ist die Halle mit 4000 Zuschauern bis in die seitlichen Zugänge hinein so prall gefüllt, dass das Personal schon verzweifelt in die Menge brüllen muss, um noch einen Rettungsweg frei zu bekommen.

    Zuvor, in der Stille des kargen Funktionsraums, erzählt die dunkle Stimme des Andreas Gabalier von der Faszination dessen, was er eine „Bewegung“ nennt: „Das ist schon irre. Ganze Familien, von den klanen Kindeln bis zur Oma, auch kreischende Teenager – die wolln alle ein Teil der VolksRock’n’Roll-Bewegung sein.“

    Natürlich kennt er die Verweise auf den frühen Alpenrock, den Vergleich mit Hubert von Goisern. Der habe ihn schließlich damals zum Kauf seiner ersten Ziehharmonika inspiriert, nachdem er als Kind Klavier gelernt und in der Jugend dann eine Gitarre gekauft hatte, um den Austropop von Rainhard Fendrich und STS nachzuspielen. Und natürlich kennt er den Vergleich mit Helene Fischer, dem deutschen Superstar der Szene, die auf ihre Art, mit der großen Pop-Attitüde, den Rahmen der volkstümlichen Musik sehr erfolgreich weitet. „Aber wir machn doch a bissl was onders. Die macht ja eher so a Musical, mit fünfmoi umziang – mir mochn a einfache, kräftige Rock-’n’-Roll-Show.“

    Markenzeichen: Arschwackler

    Später, nach gut zweistündigem Programm, wird Andreas Gabalier ausgepumpt auf der Bühne liegen, allein im Lichtkegel, von tosendem Jubel umbraust. Gerade hat er seinen Hit „I sing a Liad für di“ samt seinem zum Markenzeichen gewordenen Arschwackler zum zweiten Mal vorgetragen. Und ganz am Ende wird er dann auch noch seinen ersten Hit, „So liab hob i di“, wiederholen – „aba so, wie damois ois angfangen hot“, solo zur Ziehharmonika. In die vielen lauten Momente wie beim krachenden Refrain von „Die Beichte“ wird er auch manchen stillen eingestreut, sich sogar ans Klavier gesetzt und vor allem auch „Amoi seg’ ma uns wieder“ nur zur akustischen Gitarre gesungen haben.

    Es ist das Lied, das er seinem Vater und seiner jüngeren Schwester gewidmet hat. Der hatte sich vor acht Jahren durch Selbstverbrennung das Leben genommen, sie war ihm zwei Jahre später auf dieselbe Weise gefolgt. Da herrscht plötzlich Andacht im Saal, die Stimme Gabaliers verliert alles Kraftstrotzende. Und in diese Mischung aus Überdrehtheit und Innigkeit hinein erzählt er auch noch schlüpfrig-süffige Albernheiten wie: „Willst du auf die höchsten Gipfel, brauchst du einen gscheiten… Bergschua!“ Was das alles auf verblüffende Weise vereint: Es funktioniert! Sein Publikum folgt ihm. Einzig bei den Liedern der aktuellen Platte, „Home Sweet Home“, die er in simplem Englisch reimt („Wherever I Go Whatever I Do, I’m Still Missing You“) fällt die Spannung ab. Die aber sind ein Herzensprojekt des Andreas Gabalier. Bei einem solchen Erfolg nach nur vier Karriere-Jahren hat er sich den Traum erfüllt und für die Aufnahmen der Platte das vertraute Studio in Berlin verlassen, ist nach Nashville gereist – auf den Spuren der Musiker, die er durch die Plattensammlung seines Vaters kennengelernt hat. Denn auch oben, die Ellenbogen auf den Stehtisch gestützt, lässig lächelnd, spricht Andreas Gabalier nicht von Rock-Einflüssen der Gegenwart, dazu fällt ihm kein einziger Bandname ein. Er spricht von Elvis, er spricht von den Rolling Stones, deren Designer ihm mal die Figur des „Strong Fighting Man“ geschenkt habe, die er nun immer mit sich führe, er, der sich selbst als kapitalen Hirsch, einen „Zwölfender“ bezeichnet. Und die Stones sind es auch, die er, bevor das Konzert losgeht, auf seinem iPod hört. Und Status Quo und Tina Turner. „Aber Live-Aufnahmen – da komm ich in Stimmung!“, sagt Andreas Gabalier.

    Privates bleibt privat und Homestorys soll’s nicht geben

    Dass im nächsten Jahr bei einer Open-Air-Tour alles noch größer werden soll – darüber spricht er nicht, sagt nur: „Wir werden sehen.“ Und grundsätzlich ausgeklammert bleibt das, was etwa Helene Fischers Ruhm mitbefördert: Klatsch für den Boulevard. Sollen die ruhig Gerüchte über ein Verhältnis zur österreichischen Moderatorin Silvia Schneider („Versteckspiel in der Liebe“) orakeln – für Andreas Gabalier bleibt Privates privat: „Des is dahoam. Und Homestorys wird es mit mir ned gebn.“

    Mit Leidenschaft spricht er dagegen vom Trachtenboom, den er bei seinen Konzerten beobachten könne. „Irre!“ und „dodal schön!“ nennt er das. Auch in Kempten ist der Anteil an Landhausmode enorm. Den Verdacht, dass das oftmals ähnliche Kostümierung sei wie beim Oktoberfest, lehnt er vehement ab: „Nein! Des is ganz was anders! Des is echt.“ Es sei ein Beweis, dass sich die Menschen als Teil der VolksRock’n’Roll-Bewegung sähen. „Und des freit mi!“

    Als Andreas Gabalier in die volle Kemptner Big Box hinein fragt, wer schon einmal auf einem Rock-Konzert gewesen sei, fällt die Antwort sehr dünn aus. Er sagt: „Dann is des a guter Anfang.“ Helene Fischer bringt Robbie Williams mit in den Musikantenstadl, Andreas Gabalier die Rolling Stones. Wer da die Nase rümpft, ist offenbar von gestern.

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