Von Augsburg aus soll die Erneuerung der katholischen Kirche ausgehen. Angestoßen durch ein Manifest, gerade als Buch erschienen, mit zehn Thesen, die auf der ökumenischen „Mehr“-Konferenz in Augsburg vorgestellt wurden. Nach menschlichem Ermessen werde, so heißt es im Manifest, die Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz „in wenigen Jahren kaum mehr eine gesellschaftlich wahrnehmbare Rolle spielen“. Dem setzen die Initiatoren entgegen: „Wir wollen, dass Mission Priorität Nummer eins wird.“
Wie sich die katholische Kirche erneuern will
Das „Comeback der Kirche“ soll gelingen durch „eine Welle des Gebets“, den Zusammenschluss verschiedener Initiativen und Gruppen und eine Neuausrichtung kirchlicher Strukturen in der Seelsorge – diese müsse „missionarischer“, „expansiver und offener“ werden. Ohne indoktrinieren zu wollen. Bis Donnerstagabend haben 2151 Personen im Internet das Manifest unterzeichnet.
Wer steckt dahinter? Kann diese Initiative einen Beitrag gegen steigende Kirchenaustrittszahlen und sich leerende Gotteshäuser leisten? Und: Steht das Manifest und die nicht unumstrittene „Mehr“-Konferenz für die Kirche der Zukunft?
Mehr als 11.000 Menschen, überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum mit einem Altersdurchschnitt unter 40, nahmen an der Konferenz teil. Katholiken, Protestanten aus Landes- und Freikirchen, Nichtchristen. Ein Höhepunkt: die Vorstellung des Missions-Manifests durch seine Initiatoren Johannes Hartl, Gründer des Gebetshauses Augsburg und katholischer Theologe, sowie Bernhard Meuser. Der katholische Publizist aus Friedberg arbeitete von 2011 bis 2013 als Geschäftsführer der Mediengruppe Sankt Ulrich Verlag der Diözese.
Das Gebetshaus Augsburg, Veranstalter der Konferenz, lässt sich der „charismatischen Erneuerung“ in der Kirche zurechnen – eine Bewegung, die das Wirken des Heiligen Geistes hervorhebt. Zum Programm gehörten Lobpreis, Konzerte, Vorträge wie „Jubeln für Anfänger“, Themen wie „Ein Leben frei von Pornografie ist möglich“.
Peter Zimmerling, protestantischer Theologie-Professor an der Uni Leipzig, kritisiert, dass in charismatischen Bewegungen Ansichten verbreitet sind wie diese: Krankheiten könnten durch „Heilungsgebete“ besiegt werden oder seien der Wille Gottes. Zugleich sagt er: „Es würde der katholischen und evangelischen Kirche guttun, Impulse der charismatischen Bewegungen zu übernehmen.“ Er denke da an die emotionalere Ansprache der Gläubigen, die Art des intensiven Betens oder der modernen Verkündigung über soziale Netzwerke.
Katholische Kirche will auf junge Gläubige zugehen
Im Bistum Augsburg spielt dies eine immer größere Rolle. Wenn nur noch 13 Prozent der 1,3 Millionen Katholiken zum Gottesdienst kommen, sollte die Kirche die 87 Prozent anders aufsuchen, denkt man. Und so streben das Institut für Neuevangelisierung der Diözese und der Diözesanjugendpfarrer Florian Markter auch mit unkonventionelleren und innovativen Mitteln eine „einladende“ Kirche an.
Bei neuartigen Veranstaltungsformaten wie „Nightfever“, das über die päpstlichen Weltjugendtage ins Bistum kam, funktioniert es. Über tausend Besucher zähle man an solchen Abenden im Augsburger Dom; viele von ihnen Passanten, die anderes im Sinn gehabt hätten, als samstagnachts in eine Kirche zu gehen, berichtet Markter. Junge Leute schenken ihnen eine Kerze und laden sie ein, diese im Dom für ein Herzensanliegen am Altar anzuzünden. „Es ist erstaunlich, was so eine kleine Geste erreichen kann“, sagt Markter. Verblüffendes kann sich bei Kerzenlicht, meditativer Musik, Weihrauchduft und einer irgendwie heiligen Atmosphäre ergeben. Manche Besucher würden sich spontan bei den anwesenden Priestern aussprechen, manche sogar beichten.
Inzwischen gibt es im Bistum auch den „Abend der Versöhnung“, die „Nacht der Lichter“, zentrale Jugendgottesdienste. Jugendpfarrer Markter sagt, solche Veranstaltungen könnten der Beginn für ein Glaubensleben sein. Weil sie eine Beziehung zu Jesus Christus stiften. „Das hat Relevanz für mein Leben: Den ich da erlebe, der will mir Gutes, der liebt mich, so wie ich bin.“
Missionarische Woche: Junge Katholiken ziehen von Haus zu Haus
Sogar von Haus zu Haus ziehen junge Katholiken inzwischen während der jährlichen Missionarischen Woche. Katharina Weiß vom Institut für Neuevangelisierung hört von ergreifenden Erfahrungen. „Gibt es etwas, wofür wir für Sie beten können?“, fragten die Missionare einen Mann, der eben noch ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen wollte. „Es kamen ihm die Tränen und es folgte ein Gespräch über eine Stunde.“
„Niederschwellig“ sollen die Angebote einer missionarischen Kirche sein, viele richten sich an junge Menschen. Wie das WhatsApp-Gebetsnetzwerk „Einfach gemeinsam beten“. Oder credo-online.de, eine Plattform des Bistums Augsburg. Auf der ist Raphael Schadt mit „Psalmobeats“ vertreten – Videos mit gesungenen und gerappten Bibeltexten, die in sozialen Netzwerken tausendfach aufgerufen werden.
Schadt engagierte sich im Gebetshaus Augsburg. Jetzt arbeitet er als Blog-Koordinator und Medienassistent für credo-online.de. Er zählt zu den Erstunterzeichnern der „Mission Manifest“. Zwischen den einzelnen missionarischen Angeboten, Initiativen und Jugendbewegungen bestehen zahlreiche Überschneidungen – inhaltlich wie personell.
J. Hartl, K. Wallner, B. Meuser (Hrsg.): Mission Manifest: Die Thesen für das Comeback der Kirche. Verlag Herder, 240 Seiten, 20 Euro