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Katholische Kirche: Bischof Zdarsa: Am Anfang flogen ihm noch die Herzen zu

Katholische Kirche

Bischof Zdarsa: Am Anfang flogen ihm noch die Herzen zu

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    Als Konrad Zdarsa sein neues Amt als Augsburger Bischof antritt, wird er begeistert empfangen. Die Stimmung sollte bald kippen.
    Als Konrad Zdarsa sein neues Amt als Augsburger Bischof antritt, wird er begeistert empfangen. Die Stimmung sollte bald kippen. Foto: Imago Stock

    Thomas von Mitschke-Collande blickt auf den Starnberger See, blickt auf das Boot, das am Steg vertäut ist. Es treibt ruhig im Wasser. „Schauen Sie“, sagt der frühere Top-Manager der Unternehmensberatung McKinsey, „das ruhige Wasser des Sees ist ein gutes Bild für den Zustand des Bistums Augsburg.“ Eine Idylle? Da hätte man ihn gründlich missverstanden. „Es ist zu ruhig“, sagt Mitschke-Collande. Und wie er das meint, wird schnell klar, wenn er über Bischof Konrad Zdarsa spricht, der am Sonntag im

    Mitschke-Collande blickt nicht nur als Unternehmensberater, sondern vor allem als engagierter Katholik auf Zdarsas neunjährige Amtszeit. 2012 hat er ein Buch veröffentlicht: „Schafft sich die katholische Kirche ab?“ Der 69-Jährige, der in Tutzing lebt, war im Diözesanrat, im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, er hat die Deutsche Bischofskonferenz beraten. Seine Bilanz? Er beginnt so: „Integrer Mann, kein Hang zur Selbstinszenierung, keine Barock-Allüren.“ Er überlegt. „Die Frage ist, ob das für einen Bischof eines solchen Bistums reicht“, sagt er und gibt sich gleich selbst die Antwort: „Zdarsa war der falsche Bischof zur falschen Zeit. Er ist ein Bischof, der mit seinem Amts- und Kirchenverständnis aus der Zeit gefallen ist. Es lautet: Ich bin der Oberhirte und ich sage euch, wo’s langgeht.“

    Kritiker: „Kerndefizit von Zdarsa liegt im Bereich einer zeitgemäßen Kommunikation“

    Zdarsa sei überfordert gewesen, habe das Bistum nicht geeint, habe nicht einmal Gläubige mit seinen Predigten oder Hirtenworten erreicht. Die Ruhe, die gegenwärtig herrsche, sei nichts anderes als ein Ausdruck der Gleichgültigkeit. Vielen sei die Kirche schlicht egal geworden. „Ein Kerndefizit von Konrad Zdarsa liegt im Bereich einer zeitgemäßen, wirkungsvollen Kommunikation“, meint Mitschke-Collande – und ist damit nicht allein.

    Beispiele für missglückte Kommunikation finden sich beileibe nicht nur im Bistum Augsburg. Dort allerdings kam es zu Vorfällen, die ihresgleichen suchen und Unruhe zur Folge hatten. Ruhig war es im Bistum auch in den letzten Wochen nicht. Es waren Wochen der großen Worte, die bundesweit große Wellen machten. Bischof Zdarsa, der oft wegen seines dröhnenden Schweigens polarisiert hatte, polarisierte nun, weil er sein Schweigen brach und dröhnte: Es stehe jedem frei, „das Schiff der römisch-katholischen Kirche zu verlassen“. Oder: „Ich möchte mich von den Äußerungen mancher Mitbrüder nicht vereinnahmen lassen, weil ich zu manchen Dingen eine dezidiert andere Meinung habe. Dieses undisziplinierte Daherreden ist eines der größten Probleme.“

    Bewunderer loben ihn für seine „klaren Worte“

    Wer so spricht, muss mit Gegenwind rechnen. Der bekannte Theologe Peter Hünermann warf Zdarsa unter anderem „groben Mangel an dem schuldigen Respekt“ gegenüber den deutschen Bischöfen vor. Zugleich herrschte Rückenwind, eine recht wechselhafte Wetterlage gewissermaßen. In sozialen Medien bedankten sich Nutzer für des Bischofs „klare Worte“. „Mutig“ seien sie, wenn auch spät gefallen.

    Was die Wellen der Empörung angeht, war es ein wenig wie in seinen Anfangsjahren. Der Rückblick ist wichtig, um die anhaltende und überaus scharfe Kritik an ihm nachvollziehen zu können.

    Der gebürtige Sachse Zdarsa kommt 2010 aus dem mit 28.700 Katholiken kleinsten deutschen Bistum Görlitz in eines mit über 1,3 Millionen. Aus dem äußersten Osten, wo Katholiken rar, aber kirchenverbunden sind, in ein bayerisches Bistum voller Probleme. Nach dem Rücktritt von Bischof Walter Mixa wegen Prügel- und Veruntreuungsvorwürfen soll Zdarsa die Wogen glätten. Die Sehnsucht nach einem Neuanfang ist mit Händen zu greifen, hohe Erwartungen knüpfen sich an ihn. Zdarsa fliegen die Sympathien zu, als er am 23. Oktober 2010 sein Amt antritt. Die Menschen möchten ihn sehen, ja spüren, als er nach dem Festgottesdienst vom Augsburger Dom zum Haus St. Ulrich geht. Eine ältere Frau umarmt ihn. „Ich bin sprachlos“, sagt er. Lacht ein mitreißendes Lachen. Wirkt offen und bescheiden.

    Tausende Katholiken protestierten gegen die Pläne für eine Bistumsreform 

    Bischof Konrad Zdarsa geht in den Ruhestand. Am Sonntag wird er im Augsburger Dom ab 15 Uhr verabschiedet.
    Bischof Konrad Zdarsa geht in den Ruhestand. Am Sonntag wird er im Augsburger Dom ab 15 Uhr verabschiedet. Foto: Annette Zoepf

    Thomas von Mitschke-Collande hat eine andere Erinnerung an seine erste Begegnung. Im November 2010 besucht Zdarsa Tutzing und das Roncallihaus. „Lieber Herr Bischof Zdarsa, die Deutsche Bischofskonferenz hat ja vor einigen Wochen einen Dialogprozess beschlossen, wie wollen Sie dieses Thema in Augsburg angehen?“, habe er ihn gefragt. Der Dialogprozess war von der Bischofskonferenz angestoßen worden. Um Vertrauen zurückzugewinnen, das die in jenem Jahr publik gewordenen Missbrauchsfälle massiv erschütterten. Canisius-Kolleg Berlin. Benediktinerkloster Ettal. Regensburger Domspatzen. Zdarsa sei „aufgesprungen“ und habe sinngemäß, so Mitschke-Collande, „gewettert, es würde schon genügend geredet, Dialog sei das Falsche. Da ging ein Raunen durch den Raum, auch weil er mir in sehr harschen, ärgerlichen Worten geantwortet hat“.

    Im März 2011 dreht sich die Stimmung bistumsweit. In einem Hirtenwort kündigt der Bischof an, „möglichst rasch“ die Weichen für eine Pastoralreform zu stellen. Es soll deutlich größere „pastorale Einheiten“ geben, gerade so viele, wie noch Pfarrer zur Verfügung stehen. Die Gläubigen stößt sein Diktum, für die Fahrt zum Baumarkt würden sie längere Strecken zurücklegen als zur Messfeier im Nachbarort, vor den Kopf. Einige Priester, die sich Mitsprache erhofften, sind schockiert, als sie erfahren müssen, dass „die Rede nach Art des Guten Hirten auch das richtungweisende, notfalls gebietende Wort kennt“.

    Am 30. Januar 2012 werden sie vor vollendete Tatsachen gestellt: Die „pastorale Raumplanung 2025“ sieht Fusionen und Zentralpfarreien vor. In einem Hirtenwort bestreitet Zdarsa zwar, dass gravierende Veränderungen „quasi über Nacht und von oben“ vorgenommen werden. Die Diözese aber gerät in Wallung. Unter dem Motto „Die Kirche im Dorf lassen“ umarmen tausende Katholiken in rund 150 Pfarreien ihre Gotteshäuser. Einmalig in der Bistumsgeschichte ist die Kundgebung mit 2500 Katholiken vor dem – wegen der Kundgebung – versperrten Dom. „Wegen Reinigungsarbeiten geschlossen“, lesen sie, wie zum Hohn, auf einem Zettel an der Tür. Auf Spruchbändern fordern sie „Dialog statt Diktat“, und: „Bitte Bischof sprich mit uns!“

    Die katholische Kirche befindet sich in einer tiefen Krise

    Das „Schifflein Petri“, wie es Benedikt XVI. nannte, treibt mal mit schlaffen Segeln, mal befindet es sich in schwerer See. „Die Titanic der Volkskirche geht zugrunde“, sagt der Augsburger Domdekan Bertram Meier im Gottesdienst zum 75. Geburtstag Zdarsas vor vier Wochen. Er greift damit ein Bild des Prager Religionsphilosophen Tomás Halík auf. Ein Zeichen der Krise: 2010, im Jahr der „Causa Mixa“, kehren 12073 Katholiken im Bistum der Kirche den Rücken, 2014 sind es 12090. Für Halík liegen die Ursachen der

    Anruf bei Markus Wiesenberg vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Der 32-Jährige forscht über die „Strategische Kommunikation deutscher Großkirchen“. „Ein Bischof ist das Gesicht der Kirche nach außen“, sagt er, und mit Blick auf eines der seltenen ausführlichen Interviews Zdarsas von Ende Mai: Wenn ein Bischof sich weltlichen Medien verweigere oder meine, über seine Predigten müsse berichtet werden – dann habe er weder ein zeitgemäßes Medienverständnis, noch habe er den gegenwärtigen Säkularisierungsprozess begriffen. Zdarsa hatte erklärt: Was er in Predigten sage, werde von Funk und Presse kaum zur Kenntnis genommen. Doch dort sehe er seine Hauptverantwortung.

    Zdarsa sucht und führt in seiner Amtszeit natürlich Gespräche, viele sogar. In ihnen weiß er durchaus zu überzeugen. Er erfährt „herzliche Freundlichkeit, Solidarität und Zuneigung“, wie er selbst sagt. Seine Bewunderer sehen in ihm einen Bischof, der auf die Kirchentradition pocht und sich dem „Zeitgeist“ entgegenstellt. Zdarsa ist im Dialog – nur nicht mit seinen Kritikern. Sagen diese. Er hat andere Vorstellungen von öffentlicher Kommunikation als Wiesenberg oder Mitschke-Collande. Und andere Vorstellungen darüber, wie sich die Kirche verändern sollte, um ihre Krise zu überwinden. Sein Handeln habe, so sein Generalvikar Harald Heinrich, stets die Maxime geprägt: „Von Augsburg aus einen verantworteten Beitrag zu leisten, heißt: ‚still bewahren und leise verwandeln‘.“

    Bischof Konrad Zdarsa polarisierte. Für Kritiker war er der „falsche Bischof“. Bewunderer sehen in ihm jemanden, der sich dem „Zeitgeist“ entgegenstellt.
    Bischof Konrad Zdarsa polarisierte. Für Kritiker war er der „falsche Bischof“. Bewunderer sehen in ihm jemanden, der sich dem „Zeitgeist“ entgegenstellt. Foto: David-Wolfgang Ebener, dpa

    Bischof Zdarsa führte viele Gespräche und kam auch durchaus an

    Bisweilen handelt Zdarsa einfach. Bereits 2013 ruft er die Pfarreien auf, Flüchtlinge in ihren Immobilien unterzubringen. 2015, auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise, tut er es abermals. Auch in Sachen Umstrukturierung tritt die Bistumsleitung schließlich in einen Dialogprozess mit den Pfarreien ein und reagiert auf Einwände mit Korrekturen. Dieser Dialog setzt sich seit Anfang 2015 fort in den Pastoralvisitationen, also Pfarrei-Besuchen. Um vor allem junge Menschen für den Glauben zu begeistern, forciert Zdarsa die „Neuevangelisierung“ mit einem eigenen Institut. Glaubenskurse oder „Abende der Versöhnung“ sollen eine neue Dynamik entfachen.

    Sein Nachfolger kann darauf aufbauen. Wer es auch sein mag, er wird mit hohen Erwartungen konfrontiert. Herbert Tyroller von der reformorientierten Laienbewegung „Wir sind Kirche“ etwa wünscht sich einen Bischof, der kommunikativ sei – und der handele. „Er sollte die Entwicklung hin zu immer größeren Pfarreiengemeinschaften stoppen und Laien mehr einbeziehen.“ Auch die Diözesanratsvorsitzende Hildegard Schütz hofft, dass Zdarsas Nachfolger „einen offenen, wertschätzenden Dialog mit den ehrenamtlich tätigen Menschen auf allen Ebenen unseres Bistums führt, und dass er als Hirte in fruchtbaren Gesprächen die Nähe zu den Menschen sucht“. Wie sagte Markus Wiesenberg, der Medienwissenschaftler, noch? „Kommunikation ist für die Kirche extrem wichtig, sie ist das A und O für sie.“

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