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Justiz: NSU-Prozess: Gericht unter Druck

Justiz

NSU-Prozess: Gericht unter Druck

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    Blick auf den Pressebereich im Sitzungssaal 101 im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße in München.
    Blick auf den Pressebereich im Sitzungssaal 101 im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße in München. Foto: Andreas Gebert (dpa)

    Viel Zeit bleibt nicht. Bevor am Mittwoch in München der Prozess um die rassistischen Morde der Terrorzelle NSU beginnt, muss der Senat von Manfred Götzl die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen: Mindestens drei Plätze soll er für Medien mit besonderem Bezug zu Opfern – also vor allem türkische – bereitstellen. Allseits herrscht große Erleichterung.

    Das höchste Gericht hat Götzl zum Handeln verdonnert. Der hat sich aber bisher nicht geäußert, und so wissen wenige Tage vor Prozessbeginn die türkischen Medien immer noch nicht, wer von ihnen dabei ist. Götzl gilt als unbeirrbarer Jurist, der sich strikt an Regeln hält. Der 59-jährige Franke ist bekannt für harte Urteile, die fast immer unanfechtbar blieben. Nur ein einziges kassierte der Bundesgerichtshof in Götzls sieben Jahren als Vorsitzender des Schwurgerichts.

    Zschäpes Anwälte werfen Richter Diskriminierung vor

    Die Bundesanwaltschaft wirft Beate Zschäpe Mittäterschaft vor, obwohl sie anscheinend bei keinem der Morde, Anschläge und Überfälle des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ dabei war. Zschäpes Anwälte halten Götzl „offene Diskriminierung“ vor, weil er die körperliche Durchsuchung von jedem Prozesstag angeordnet habe. Es ist nicht die einzige Kritik an dem Richter. Ausgerechnet kurz vor Prozessbeginn kommt die Ohrfeige aus Karlsruhe. Weil bei seinem Akkreditierungsverfahren türkische Medien keinen festen Platz ergatterten und er keine Lösung anbot, legte die Zeitung Sabah Verfassungsbeschwerde ein – und bekam im Eilverfahren recht.

    Die Angeklagten im NSU-Prozess

    Das sind die Beschuldigten im Münchner NSU-Prozess:

    Beate Zschäpe: Sie tauchte 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Die drei Neonazis aus dem thüringischen Jena gründeten eine Terrorgruppe und nannten sich spätestens ab 2001 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

    Ralf Wohlleben: Der ehemalige Thüringer NPD-Funktionär mit Kontakten zur militanten Kameradschaftsszene soll Waffen für das Trio organisiert haben. Der 40-Jährige wurde am 29. November 2011 verhaftet. Nach Ansicht der Ermittler wusste er von den Verbrechen - er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

    Carsten S.: Der 35-Jährige hat gestanden, den Untergetauchten eine Pistole mit Schalldämpfer geliefert zu haben. Er ist wie Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

    Andre E.: Der gelernte Maurer (35) war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll die mutmaßlichen Rechtsterroristen zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. E. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.

    Holger G.: Der 40-Jährige gehörte wie Wohlleben und die drei Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft. Er zog 1997 nach Niedersachsen um. G. spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Auch G. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.

    Karlsruhe hat grob einen Weg vorgezeichnet: Das Gericht kann Plätze für türkische Medien von den schon zugelassenen Medien oder dem Publikum abknapsen und per Los oder nach Prioritätsprinzip vergeben. Nicht klar ist, ob eine neue Bewerbung nötig ist oder die bisherige Liste gelten könnte. Während die einen vor einer Verzögerung des Prozesses warnen, fordern andere einen völligen Neubeginn des Akkreditierungsverfahrens. Das wäre kaum zu schaffen – und würde bedeuten, dass der Start verschoben wird oder es erst mal ganz ohne Akkreditierungen losgeht – mit vorprogrammiertem Chaos.

    Tausende demonstrieren in München gegen rechte Gewalt

    Dabei wünschen sich nach all dem Trubel viele vor allem eines: Dass endlich die Verbrechen der Neonazi-Bande in den Vordergrund rücken: zehn Morde an Kleinunternehmern ausländischer Herkunft und einer Polizistin, weitere Mordversuche und Raubüberfälle.

    In München demonstrierten am Samstag mehrere tausend Menschen gegen Rechtsextremismus. Auch sie wollen Täter und Opfer wieder in den Mittelpunkt rücken. (dpa, afp)

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