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Justiz: Hat die Staatsanwaltschaft im Goldfinger-Prozess getrickst?

Justiz

Hat die Staatsanwaltschaft im Goldfinger-Prozess getrickst?

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    Das „Goldfinger“-Strafverfahren um möglicherweise milliardenschwere Steuerhinterziehung hat seinen Namen vom berühmten James-Bond-Film. In dem Streifen lässt Bösewicht Auric Goldfinger eine Geliebte des Geheimagenten töten, indem sie mit Gold überzogen wird.
    Das „Goldfinger“-Strafverfahren um möglicherweise milliardenschwere Steuerhinterziehung hat seinen Namen vom berühmten James-Bond-Film. In dem Streifen lässt Bösewicht Auric Goldfinger eine Geliebte des Geheimagenten töten, indem sie mit Gold überzogen wird. Foto: Bas Czerwinski, dpa

    Es war eine so schöne Erzählung: Auf der Jagd nach reichen Steuersündern wollten Augsburger Ermittler eine Goldhandelsfirma in England überprüfen. Doch ganz in der Nähe der geheimnisvollen Kultstätte Stonehenge fanden sie in dem Polo und Country Club „Druid’s Lodge“ keine Firma, sondern einen Pferdestall. Über dem Stall war zwar ein Büro, doch das schien nur eine Kulisse. Die Steuerfahnder setzten ein gewaltiges Steuerstrafverfahren in Gang, im Zuge dessen gegen etwa 100 Millionäre und rund 20 Rechtsanwälte und Steuerberater ermittelt wurde. Der klangvolle Name des Verfahrens: Goldfinger“ – nach dem berühmten James-Bond-Film. Doch nun könnte auf diese Erzählung vom bösen reichen Steuerbetrüger, die jahrelang kolportiert wurde, ein dunkler Schatten fallen.

    Was wäre, wenn dieses Büro über dem Pferdestall eben doch die echte Betriebsstätte einer Goldhandelsfirma war? Was wäre, wenn die Augsburger Ermittler das früh zumindest geahnt haben? Und was wäre, wenn sie diese Erkenntnisse nicht in die Akten hätten einfließen lassen, die dem Gericht und der Verteidigung nunmehr im Prozess vorliegen?

    Verteidigung erhebt heftige Vorwürfe

    Es sind heftige Vorwürfe, die die Verteidigung erhebt. Der Prozess gegen die beiden Münchner Rechtsanwälte und Steuerberater Martin H. und Diethard G. am Landgericht Augsburg läuft seit Mitte November. Er wird auch in der Corona-Krise fortgeführt. Jedes Verfahren kann bis zu drei Wochen unterbrochen werden. In einem Großverfahren – und um ein solches handelt es sich bei „Goldfinger“ – besteht nach Angaben des Landgerichtssprechers Peter Grünes zudem die Möglichkeit, nach jedem Block von zehn Verhandlungstagen das Verfahren für einen Monat zu unterbrechen. So geht die Verhandlung in reduzierter Form weiter.

    Doch die Emotionen in diesem Megaprozess sind alles andere als reduziert. Es kracht gewaltig. Neueste Attacke: Rechtsanwalt Richard Beyer wirft der Staatsanwaltschaft vor, den Verteidigern und dem Gericht wichtige Aktenvermerke vorenthalten zu haben. Und er sagt, er könne das belegen.

    Richard Beyer
    Richard Beyer

    Es geht genau um die Frage, ob es in der „Druid’s Lodge“ eine Betriebsstätte, also ein echtes Büro der Goldhandelsfirma „Global Trading“ gegeben hat. Die Staatsanwaltschaft behauptet nein. So steht es in der Anklage und so steht es in einem Haftbefehl gegen seinen Mandanten Martin H., der ein halbes Jahr lang in U-Haft saß. Doch nun ist ein Aktenvermerk der Augsburger Steuerfahndung aufgetaucht, aus dem hervorgeht, dass in diesem Büro sogar eine Zeugenvernehmung in Anwesenheit zweier deutscher Ermittler stattgefunden hat. Eine Skizze und eine Beschreibung des Büros sind überdies in dem Vermerk enthalten.

    Rechtsanwalt Beyer: Eine rote Linie überschritten

    Das Pikante daran: Dieser Vermerk ist laut Beyer bislang nicht Teil der Prozessakten. Das hätte er aber seiner Ansicht nach zwingend sein müssen. Beyer tobt deshalb: Die Staatsanwaltschaft habe schon bei Erhebung der Anklage gewusst, dass eine Betriebsstätte der Goldfirma in England existiert habe. „Da hat die Staatsanwaltschaft eindeutig eine rote Linie überschritten. Die bewegen sich auf ganz dünnem Eis“, schimpft Beyer. Er hat eine Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Dort heißt es: „Der Haftbefehl ist erschlichen...“ Die Staatsanwaltschaft habe dem Gericht und der Verteidigung wesentliche Ermittlungsergebnisse vorenthalten und tue dies weiterhin.

    Nun ist dies nicht das erste Mal in diesem spektakulären Prozess, dass es Krach gibt. Schon zum Auftakt haben die Verteidiger versucht, das Verfahren zum Platzen zu bringen. Die Angeklagten Martin H. und Diethard G. nannten die Anklage „Unsinn“ und Gehirndurchfall“. H. führte dann in einem mehrstündigen Vortrag aus, warum er sich für unschuldig hält. Zuletzt hatte Anwalt Beyer beantragt, die Staatsanwälte aus dem Verfahren zu beordern, da sie seiner Meinung nach verfassungswidrig agierten. Sogar mit der Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts drohte Beyer.

    In dem Prozess geht es um die Frage, ob das „Goldfinger“-Steuermodell der Münchner Rechtsanwälte rechtens ist oder nicht. Während die Staatsanwaltschaft es für eine unrechtmäßige Steuerhinterziehung in ganz großem Stil hält, sagen Verteidiger und Angeklagte, es handle sich um völlig legale Steuergestaltung für Reiche. Der Steuerschaden für den Fiskus würde bei einer Unrechtmäßigkeit in diesem Fall bei rund einer Milliarde Euro liegen.

    500 „Goldfinger“-Modelle in Deutschland

    Rund 500 dieser „Goldfinger“-Modelle gab es in den vergangenen rund 15 Jahren in Deutschland. Der Bundesfinanzhof in München hat zwei dieser Modelle 2017 für rechtens erklärt. Der Gesetzgeber hatte schon 2013 eine Lücke im Steuerrecht gesehen und diese geschlossen. Für die beiden Angeklagten ist das Verfahren eine Tragödie. Sie waren renommierte Steuerexperten in einer bekannten Münchner Kanzlei und machten Geschäfte mit großen Konzernen. Bis vor gut zwei Jahren die Augsburger Staatsanwaltschaft kam und Razzien durchführte. Mehrere Anwälte wanderten für Monate hinter Gitter. Für sie steht ihre gesamte Karriere und Lebensplanung auf dem Spiel. Daher kämpfen sie auch so hartnäckig und mit harten Bandagen.

    Die 10. Strafkammer des Augsburger Landgerichts tut sich mit dem Verfahren nicht leicht. Nach den Anfangsattacken brach dem Gericht ein guter Teil des Beweisprogramms weg. Alle Zeugen, die direkt mit dem „Goldfinger“-Modell zu tun hatten, hatten ihr Erscheinen vor Gericht abgesagt. Sie müssen nicht als Zeugen aussagen, weil gegen sie selbst ermittelt wird. Darunter sind auch drei ehemalige Augsburger Unternehmer, die seinerzeit mit dem Verkauf ihrer Medizinfirma Millionen gemacht und zum Zwecke der Steuerersparnis in „Goldfinger“ investiert haben.

    Gut möglich, dass der Prozess nicht so lange dauert, wie geplant

    Und nun hat die Kammer das Programm erneut umgestellt. Gut möglich, dass der Prozess nicht so lange dauert, wie ursprünglich geplant. Nachdem auch die Vermögensverwalter der Millionäre ihre Aussagen abgeblasen haben – auch sie haben zumeist in Goldfinger investiert –, sollen jetzt laut Landgericht am 20. April mehrere Zeugen zur grundsätzlichen Abwicklung der Geschäfte und zur Organisation der Firmenstrukturen befragt werden. Ein besonders spannender Termin steht dann am 22. April an: Der Hauptermittler der Augsburger Steuerfahndung soll als Zeuge aussagen. Die Verteidiger der Steuerexperten bereiten sich schon intensiv vor. Der Finanzbeamte wird sich auf eine beinharte Zeugenvernehmung einstellen müssen.

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