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Justiz: Ex-Wirecard-Chef Markus Braun kämpft um seine Freiheit

Justiz

Ex-Wirecard-Chef Markus Braun kämpft um seine Freiheit

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    Ex-Wirecard-Chef Markus Braun ist in Untersuchungshaft. Dieses Bild entstand am Rande des Bundestags-Untersuchungsausschusses.
    Ex-Wirecard-Chef Markus Braun ist in Untersuchungshaft. Dieses Bild entstand am Rande des Bundestags-Untersuchungsausschusses. Foto: Michael Kappeler, dpa

    In den fetten Jahren der Wirecard AG wohnte Markus Braun in einer herrlichen Villa im noblen Wiener Viertel Hietzing. Seit mehr als einem halben Jahr sitzt der einstmalige Milliardär in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen. Dort sind zwar die Wände bunt, aber die Tage trist. 6.30 Uhr Wecken, Heißwasserausgabe, schlechtes Frühstück. Nur zwei Stunden Besuchszeit sind Untersuchungshäftlingen erlaubt, die man auf viermal eine halbe Stunde aufteilen kann. Den Rest der Zeit verbringt man mit anderen Gefangenen oder allein in seiner Zehn-Quadratmeter-Zelle. Markus Braun, 52, will da raus. Und das sicher nicht nur wegen des schlechten Frühstücks oder weil er lieber in einem seiner Feriendomizile in Kitzbühel oder Saint-Tropez wäre.

    Ex-Chef Markus Braun hält sich für unschuldig am Wirecard-Skandal

    Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Dax-Wunderkinds Wirecard hält sich für unschuldig. Er bestreitet die Vorwürfe und versucht derzeit mit seinem Verteidiger Alfred Dierlamm alles, um aus der Untersuchungshaft zu kommen. Doch, ob das bis zu einem Prozess klappt, darf bezweifelt werden. Die Vorwürfe gegen Braun haben es in sich: Geldwäsche, Untreue, Marktmanipulation. Doch am schwersten wiegt der Vorwurf, der nach den Aussagen anderer Wirecard-Führungsleute Ende des vergangenen Jahres aufkam: Das dubiose System Wirecard funktionierte demnach nur so lange, weil der Vorstand den engsten Führungskreis auf Linie gebracht haben soll. Die Rede ist von Treueschwüren und einem Korpsgeist, wie er sonst nur beim Militär zu finden sei. Und die Staatsanwaltschaft nennt derlei Treiben im Juristendeutsch „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“. Allein darauf können bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen.

    Nun muss die bayerische Justiz entscheiden, wie es mit Braun bis zu einem Prozess weitergeht. Nach Informationen unserer Redaktion will das Oberlandesgericht (OLG) München bis Freitagmittag eine Entscheidung treffen, ob Braun in U-Haft bleiben muss oder ob er freikommt. Die Staatsanwaltschaft München I hat Haftfortdauer beantragt. Sie sieht weiter einen hinreichenden Tatverdacht und Haftgründe der Flucht- und Verdunklungsgefahr. Es wäre angesichts der Komplexität der Wirecard-Ermittlungen nicht überraschend, wenn das OLG Braun nicht auf freien Fuß setzen würde.

    Im Wirecard-Skandal häufen sich die Unterlagen und die Aussagen von Insidern

    In der JVA in Gablingen saß auch der Ex-Audi-Chef Rupert Stadler in U-Haft.
    In der JVA in Gablingen saß auch der Ex-Audi-Chef Rupert Stadler in U-Haft. Foto: Marcus Merk (Archiv)

    Das Verfahren wächst in seinen Ausmaßen offenbar wöchentlich, so ist aus der Justiz zu hören. Weitere Aussagen von Insidern und immer mehr Unterlagen machen die Sache nicht einfacher. In vergleichbaren Fällen saßen Beschuldigte lange in U-Haft. Nur der frühere Audi-Chef Rupert Stadler war vor dem Beginn des Strafprozesses freigelassen worden. Auch er saß in der JVA Augsburg-Gablingen.

    Bei Markus Braun ist die Lage ganz anders. Er wird von mehreren Kronzeugen belastet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Verfahrenstaktisch aber bleibt ihm zunächst nur eine Wahl: Er muss versuchen, sich als Opfer hinzustellen. Als jemand, der von den Luftnummern und den fehlenden 1,9 Milliarden Euro in Asien nichts wusste. Sinngemäß lassen sich die Eingaben von Brauns Rechtsanwälten so zusammenfassen. Und das führt automatisch zu Brauns untergetauchtem Vorstandskollegen Jan Marsalek.

    Der schillernde Manager mit den angeblichen Geheimdienstkontakten, den guten Manieren und dem Hang zum Paramilitärischen soll in Asien mit Vertrauten eine Art Schattenreich aufgebaut haben. Von den angeblichen Megasummen habe er nie etwas gesehen, sagt Braun. Zudem versuchen Brauns Verteidiger, die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Oliver B. unter Beschuss zu nehmen. B. war lange einer der engsten Vertrauten des Vorstandsmitglieds Marsalek. Als der Milliardenbetrug im Sommer 2020 aufflog, stellte sich B. der Justiz. Es ist davon auszugehen, dass er sich durch seine Angaben einen Strafrabatt erhofft.

    Mehrere Zeugen belasten Markus Braun im Wirecard-Skandal

    Doch B. ist nicht er Einzige, der ein schlechtes Bild des ehemaligen Wirecard-Chefs zeichnet. Auch andere Mitarbeiter belasten ihn. Neben eher charakterlich schwierigen Zügen habe Braun dem Unternehmen und den Mitarbeitern Ziele gesetzt, die sich nicht an den tatsächlichen Zahlen orientiert hätten. Sondern daran, was die Investoren gerne wollen. Brauns Augenmerk habe immer auf dem Aktienkurs gelegen und auf dem Ziel, dass der Umsatz in jedem Quartal dauerhaft um 30 Prozent wachse, sagt ein Manager aus der zweiten Reihe.

    Es wäre also keine Riesenüberraschung, wenn das Oberlandesgericht Braun in der Haft ließe. Das würde bedeuten, dass er weiterhin mit den für ihn äußerst ungewohnten Lebensbedingungen hinter Gittern zurecht kommen müsste.

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