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Justiz: Am Ende

Justiz

Am Ende

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    Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Linus Förster wenige Augenblicke vor dem Urteil. Das Gesicht ist wie versteinert. Förster wird vom Landgericht Augsburg zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt.
    Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Linus Förster wenige Augenblicke vor dem Urteil. Das Gesicht ist wie versteinert. Förster wird vom Landgericht Augsburg zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Foto: Ulrich Wagner

    Vor einem Jahr war er noch ein geachtetes Mitglied des Bayerischen Landtags. Jetzt ist er ein verurteilter Sexualstraftäter. Linus Försters Gesicht ist wie versteinert, als Richter Lenart Hoesch ihm verkündet, dass er für drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis muss. Fast wirkt es so, als habe er sich bis zuletzt der Illusion hingegeben, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen.

    Doch das Urteil ist nicht der einzige Tiefschlag für den ehemaligen SPD-Politiker. Er muss sich vom Richter den Vorwurf gefallen lassen, dass er gelogen habe. Hoesch nimmt Förster nicht ab, dass er die hunderten von Kinderpornos auf seinen Rechnern nicht angeschaut haben will. „Das ist widerlegt“, sagt der Richter. Um die Schmuddel-Dateien so strukturiert in Ordner zu sortieren, habe man sich mit den Inhalten befassen müssen.

    Zudem muss sich Linus Förster, 52, eine schonungslose Analyse seines überbordenden Sexualtriebs anhören. „Dr. Förster hat Frauen wie Trophäen gesammelt“, sagt Hoesch. Er sei eine „stark narzisstisch geprägte Persönlichkeit“, immer auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Der ehemalige Abgeordnete habe dabei ein „Beuteschema bei Frauen“ entwickelt: „blond, klein, zierlich.“

    Die Worte des Richters sind so unangenehm für Förster wie der gesamte Prozess. Ist doch das ausschweifende Sexualleben des früheren schwäbischen SPD-Chefs zum Kernthema geworden. Das war auch peinlich für seine früheren Geliebten, die als Zeuginnen vor Publikum über ihr Intimleben berichten mussten. Letztlich bleibt der Eindruck, dass sich Linus Förster in den vergangenen fünf, sechs Jahren vorwiegend mit Sex und Pornografie beschäftigt hat und die politische Arbeit in den Hintergrund trat.

    Die Rolle als unbedeutender Oppositionspolitiker kratzte so sehr an Försters Ego, dass er in Depressionen verfiel. Und spätestens seit einem Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik am Chiemsee driftete er bei seinen häufig wechselnden und oft parallel geführten Affären in die Illegalität ab. „Seitdem suchte er einen Kick durch Grenzüberschreitungen“, so der Richter.

    Zum Verhängnis wurde dem Ex-Politiker, dass er unbedingt seine eigenen Privatpornos drehen wollte. Anfangs filmte er den Geschlechtsverkehr noch mit dem Einverständnis der Frauen. Später fragte er nicht mehr, sondern drehte mit versteckten Kameras, von denen die Ermittler in jedem Raum seiner Augsburger Wohnung eine fanden. Seine Freundin, die er in der Psychoklinik kennengelernt hatte, missbrauchte er zweimal, nachdem sie Schlafmittel genommen hatte und komplett weggedämmert war. Auch diese Übergriffe filmte Förster und unterlegte einen der Filme später mit der Textzeile „And the sex goes on“ – und der Sex geht weiter. Eine andere Frau missbrauchte er, als sie sich volltrunken während einer Party am Lagerfeuer schlafen gelegt hatte. Sie erfuhr erst durch die Ermittlungen von der Tat.

    Als Linus Förster auch noch einen heimlichen Film vom Sex mit einer Prostituierten drehen wollte, flog er auf. Die Chinesin brachte den Speicherchip seiner Mini-Kamera an sich und ging damit zur Polizei. Mitte November 2016 wurden Försters Büros in Augsburg und München sowie seine

    Dort wird der Hobbymusiker einige Zeit bleiben müssen. Überraschend hat die Jugendkammer aber keine Sexualtherapie angeordnet, sondern eine tiefenpsychologische Einzeltherapie empfohlen. Sie folgt damit dem Rat des psychiatrischen Gutachters. Förster solle im Strafvollzug „erst büßen“ und „an seinen Persönlichkeitsdefiziten arbeiten“, so Richter Hoesch. Damit hat Förster die Chance, nach zwei Dritteln der Strafe auf freien Fuß zu kommen. Bei Sexualstraftätern wird wegen der Sexualtherapie sehr selten eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis gewährt.

    Und noch einen Lichtblick gibt es für Linus Förster: Er hat sich vor dem Prozess verlobt. Die Frau steht in dieser schweren Zeit zu ihm.

    Nach der Verurteilung drohen dem 52-Jährigen jedoch finanzielle Probleme. Seine Abgeordnetenpension von rechnerisch 3600 Euro brutto ist er los. Die Kosten des Prozesses in fünfstelliger Höhe muss er ebenfalls tragen. Darüber hinaus hat er seinen Opfern Entschädigungen von mehr als 30000 Euro gezahlt.

    Viele Prozessbesucher hätten sich eine höhere Strafe für Linus Förster gewünscht – zum Beispiel die vier Jahre und neun Monate, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Doch das Gericht hat neben dem Geständnis und den Schmerzensgeldzahlungen noch einen weiteren gewichtigen Grund gefunden, die Strafe zu mildern. Richter Hoesch drückt es so aus: Linus Förster ist „gesellschaftlich erledigt“.

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