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Jubiläum: Eine Zuflucht aus der Hölle

Jubiläum

Eine Zuflucht aus der Hölle

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    Das Kloster Sankt Ottilien erinnert in den nächsten Monaten mit einigen Gedenkveranstaltungen an ein wichtiges Kapitel in seiner Geschichte.
    Das Kloster Sankt Ottilien erinnert in den nächsten Monaten mit einigen Gedenkveranstaltungen an ein wichtiges Kapitel in seiner Geschichte. Foto: Ulrich Wagner

    Es ist zwar kein Gras über die Sache gewachsen, aber jede Menge Moos. Wie ein grünes Polster überzieht es den Boden, auf dem kurz vor Kriegsende so viele Tote lagen. Es ist der 27. April 1945 an der Bahnstrecke bei Schwabhausen in Oberbayern. Ein Zug mit KZ-Häftlingen fährt von Kaufering nach Dachau. Als ein amerikanischer Luftwaffenangriff naht, flüchten die den Konvoi begleitenden SS-Männer und lassen ihre Gefangenen hilflos auf den Gleisen zurück. Bis zu 200 Menschen sterben.

    Einige aber überleben und können sich retten: in die nahe Erzabtei Sankt Ottilien. Die Mönche sind damals vertrieben, das Kloster dient als Militärkrankenhaus. Die Zugflüchtlinge – meist Juden – erhalten Obdach und Behandlung, weil damals gerade die Amerikaner einrücken. Rund 500 frühere KZ-Häftlinge kommen auf dem Benediktiner-Gelände zusammen. Das dortige Militärkrankenhaus wird für sie bald darauf und bis zum 6. Mai 1948 in ein Hospital für „Displaced Persons“ (DP) umgewandelt, für im Krieg verschleppte Menschen wie die Ex-Häftlinge. Doch bevor es so weit ist, tun die DPs etwas Frivoles.

    Frivol sei es ihm zumindest erschienen, als er erfahren habe, was die gerade erst dem Tod Entronnenen veranstalten wollten, schreibt Robert L. Hilliard. In dem Buch „Von den Befreiern vergessen – Der Überlebenskampf jüdischer KZ-Häftlinge unter amerikanischer Besatzung“ schildert er seine Erlebnisse als US-Soldat im besiegten Nazi-Deutschland – darunter auch das sogenannte Befreiungskonzert von Sankt Ottilien am 27. Mai 1945.

    Hilliard beschreibt, wie er bei seiner Ankunft im Kloster eine notdürftige Bühne erblickte und davor viele KZ-Überlebende: „Hunderte spindeldürrer, abgemagerter, blasser, skeletthafter und ausdrucksloser Gestalten.“ Er ergänzt: „Männer und Frauen brachten Geigen, Hörner und Gamben auf die Bühne. Über die Jahre hatte man Holz, Saiten und Metallteile von Instrumenten in die Konzentrationslager geschmuggelt und zusammengesetzt, Erinnerungen an eine kultivierte Zivilisation.“ Nun habe man das Leben feiern wollen.

    „Die Musiker spielten Mahler, Mendelssohn und andere Musik, die jahrelang verboten gewesen war“, notiert Hilliard. Die schönen Klänge seien jedoch in Schmerzen übergegangen. „Die Bewegungen und Gesichter der Musiker waren verkrampft, angespannt, ängstlich, als ob sie es nicht glauben konnten, dass es genug Raum gab, um einen Bogen zu bewegen, oder genug Luft, um eine Note zu blasen.“

    Längst lebt niemand mehr von diesen Menschen. Doch an ihr Schicksal erinnern manche bis heute. „Es kommen Angehörige aus aller Welt her, um sich über ihre Vorfahren zu informieren“, sagt Pater Cyrill Schäfer. Der Benediktiner hat eine Internetseite über Sankt Ottiliens Zeit als DP-Hospital erstellt. Diese Ära endete vor 70 Jahren. In den kommenden Monaten sind daher einige Gedenkveranstaltungen geplant. So soll es am 23. September in der Klosterkirche eine Wiederholung des Befreiungskonzerts von 1945 geben, im Rahmen des Klassikfestivals „Ammerseerenade“. Schirmherrin ist Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

    Pater Cyrill hofft, dass dies nur ein erster Schritt zu einem offensiveren Erinnern ist. „Die Zeit Sankt Ottiliens als DP-Hospital war die vielleicht wichtigste in der Geschichte des Klosters: Damals hat es Menschen eine Zuflucht aus der Hölle geboten“, meint der 51-Jährige. Doch die Abtei habe diese Vergangenheit lange ignoriert und sich lieber in die Rolle als Nazi-Opfer zurückgezogen. Dabei gebe es viel zu tun: „Große Teile dieser Geschichte sind noch nicht erforscht, unsere jüdischen Grabmale in Sankt Ottilien müssten teilweise erneuert werden und die Gedenkstätten bei Schwabhausen bekannt und gut zugänglich gemacht werden.“ Drei Denkmäler erinnern an der dortigen Bahnstrecke an die Schrecken von einst. Erreichbar sind sie allerdings nur über matschige Feldwege, Info-Tafeln gibt es nicht. Nur viel Moos. Christopher Beschnitt, kna

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