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JVA Stadelheim: NSU-Prozess: Tino Brandt soll Mithäftling von Falschaussage erzählt haben

JVA Stadelheim

NSU-Prozess: Tino Brandt soll Mithäftling von Falschaussage erzählt haben

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    Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München. Hat der einstige Neonazi Tino Brandt im NSU-Prozess falsch ausgesagt?
    Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München. Hat der einstige Neonazi Tino Brandt im NSU-Prozess falsch ausgesagt? Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Es war ein Zufall, der den früheren V-Mann und Anführer des "Thüringer Heimatschutzes", Tino Brandt, mit einem vergleichsweise harmlosen Mann aus München zusammenbrachte. Letzterer stand wegen einer Trunkenheitsfahrt vor Gericht, verbrachte nur ein paar Tage in Untersuchungshaft in der JVA Stadelheim. Dort traf er Brandt im Juli 2014 bei einem Hofgang - der saß wegen Verdachts auf Kindesmissbrauch in U-Haft und war für eine Zeugenaussage im NSU-Prozess nach Stadelheim gebracht worden. Jetzt hat der Münchner schriftlich niedergelegt, was der Neonazi und einstige Freund des NSU-Trios ihm dabei erzählt habe. Die Niederschrift liegt der dpa vor.

    Darin heißt es, Brandt habe als Zeuge im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer exakt nur das ausgesagt, was Gericht und Bundesanwaltschaft ohnehin schon aus den Akten wüssten. Er habe "natürlich" mehr Fragen beantworten können, aber nicht wollen. "Ich bin doch kein Kameradenschwein", habe Brandt gesagt. Damit er keine Strafverfolgung riskiere - Zeugen sind gesetzlich zu vollständigen Aussagen verpflichtet -, habe er behauptet, "dass ich mich nicht erinnern kann".

    NSU: Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sollten "zu ihren Wurzeln zurückkehren"

    Dabei erinnere er sich in Wahrheit recht gut - etwa auch daran, dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und

    Die hätten darin bestanden, "Volk und Heimat zu schützen" - eine Aufgabe, von der Brandt behauptete, er widme sich ihr bis heute. Er habe zynisch hinzugefügt, "unsere Kultur" werde von "knoblauchstinkenden Salafisten" unterwandert.

    Dem NSU werden zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge vorgeworfen, begangen in den Jahren 2001 bis 2007. Als Motiv sieht die Bundesanwaltschaft bei fast allen Taten rassistischen Hass.

    Brandt soll seinem Gefängniskameraden auch verraten haben, wie er den Kontakt zu dem Trio hielt: Von Zeit zu Zeit habe er auf seiner Arbeitsstelle, einem rechtsradikalen Verlag im fränkischen Coburg, einen Anruf erhalten. Dabei seien ihm ein Codewort und die Nummer einer Telefonzelle in Zwickau mitgeteilt worden. Dort habe er sich zur vereinbarten Zeit gemeldet. Am Apparat sei dann meist Uwe Böhnhardt gewesen.

    Treffen mit V-Mann-Führern: "Märchenstunde für gutes Geld"

    Die Treffen mit seinen V-Mann-Führern des Thüringer Verfassungsschutzes soll Brandt der Niederschrift zufolge als "Märchenstunde für gutes Geld" bezeichnet haben. Das Geld habe er von der Behörde stets in bar erhalten und den Empfang mit seinem Decknamen "Otto" quittiert. "Ich hätte auch mit Micky Maus oder Dagobert unterschreiben können", will der Mitgefangene erfahren haben, "das spielte keine Rolle und wurde auch nicht hinterfragt".

    Brandt soll außerdem damit geprahlt haben, das Gericht über seinen Gesundheitszustand getäuscht und damit seine ersten Ladungstermine gekippt zu haben. Er habe die Symptome einer Hepatitis-Erkrankung gekannt und simuliert, "so dass ich die Zeugentermine im April (2014) platzen lassen konnte". Das Gericht habe ihm daraufhin vorgeworfen, er habe damit unnötige Kosten verursacht, "die sich auf etwa 150.000 Euro pro Verhandlungstag belaufen". Das seien für ihn aber "hohle Phrasen" gewesen, soll Brandt gesagt haben. Er glaube außerdem sowieso nicht, "dass meine Freunde damit zu tun haben". 

    Brandt ist nicht nur als hochrangiger Neonazi bekannt, sondern wurde zudem Ende 2014 wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Zeitpunkt, zu dem er sich seinem Mithäftling offenbart haben soll, deckt sich mit den Daten seiner Zeugenaussage im Juli 2014. Das Gericht lässt die Aussagen des Mitgefangenen überprüfen. dpa

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