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Interview: "Wir wollen das Reh nicht ausrotten. Aber der Wald muss Vorrang haben"

Interview

"Wir wollen das Reh nicht ausrotten. Aber der Wald muss Vorrang haben"

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    Der Wald vom Leonhard Rist bei Weitnau im Landkreis Oberallgäu ist ein Beispiel für eine Waldverjüngung. Junge Bäume wachsen neben alten.
    Der Wald vom Leonhard Rist bei Weitnau im Landkreis Oberallgäu ist ein Beispiel für eine Waldverjüngung. Junge Bäume wachsen neben alten. Foto: Jörg Sigmund

    Herr Rist, der CSU-Umweltexperte Georg Nüßlein ist mit seinen Äußerungen zum dringend nötigen Waldumbau in Zeiten des Klimawandels auf zum Teil scharfe Kritik gestoßen. Wie beurteilen Sie als Waldbesitzer die Lage?

    Leonhard Rist: Er hat zweifellos recht, dass der Klimawandel im Forst sichtbar ist. Das ist auch nichts Neues. Aber wenn Herr Nüßlein gleichzeitig sagt, das Wild verhindere den Waldumbau nicht, liegt er damit schlichtweg falsch und ist auf einem Irrweg. Ich bin über die Aussage gelinde gesagt empört. Denn genau das Gegenteil ist der Fall.

    Das müssen Sie erklären.

    Rist: In der Jagdgenossenschaft Weitnau mit rund 3600 Hektar Wald sind jahrzehntelang keine Tannen und Buchen ohne Schutz gewachsen, weil die Wildbestände zu hoch waren. Bis 1990 hatten wir die Jagd verpachtet, dann haben wir auf Eigenbewirtschaftung umgestellt und in den 13 Pirschbezirken nur noch Begehungsscheine an Jäger für jeweils ein Jahr ausgegeben. Dafür haben wir übrigens lange gegen erhebliche Widerstände kämpfen müssen. Seither wurden die Wildbestände – bei uns das Reh – deutlich reduziert und Bäume wie Buche, Eiche oder Tanne kommen ohne Verbiss hoch. Wenn die Jäger mitziehen, kann das übrigens auch in verpachteten Revieren gelingen.

    Aber sind nicht auch die Monokulturen, hier vor allem die Fichte, ein Problem, weil sie besonders unter dem Klimawandel leiden?

    Rist: Nochmals: Wir hätten schon heute weitaus mehr stabile Mischwälder, wenn die Wildbestände frühzeitig angepasst worden wären. Der Grundsatz Wald vor Wild heißt ja nicht Wald ohne Wild, wir wollen das Reh auch nicht ausrotten. Aber der Wald muss ganz klar Vorrang haben und die Abschusszahlen müssen sich an der Waldverjüngung orientieren. In Bayern haben noch immer 23 Prozent der Hegegemeinschaften zu hohe oder deutlich zu hohe Verbissschäden. Sie machen eine Verjüngung ohne Zaun nicht möglich. Und der stabilste Mischwald ist nun einmal der, der sich selbst natürlich verjüngt.

    Gerade dieses forstliche Gutachten, das die Verbissschäden aufzeigt, wird in Jägerkreisen bisweilen doch angezweifelt.

    Rist: Es ist unverschämt, wenn man das Gutachten in Frage stellt. Es ist Grundlage für die Abschussplanung und eine Richtschnur. Und das muss auch so bleiben. Die Förster leisten hier vorbildliche Arbeit.

    Nun hat auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder betont, im Wald müsse die Ökologie künftig Vorrang vor der Ökonomie, also der Wirtschaftlichkeit haben.

    Rist: Auch das ist ein Irrweg. Denn ein gesunder und stabiler Mischwald erfüllt sowohl die ökologischen wie auch die ökonomischen Anforderungen der Zukunft. Wenn ein Waldbesitzer kein Geld mehr verdient, wird auch das Interesse für die Bewirtschaftung ungemein schwinden. Ein Wald braucht drei Generationen, bis Bäume gewinnbringend geerntet werden können. Wenn er nicht mehr kostendeckend ist, macht es niemand mehr. Die Motivation geht verloren und der Wald vergammelt.

    Söder hat auch angekündigt, 30 Millionen neuer Bäume für die Aufforstung pflanzen zu lassen.

    Rist: Das ist rausgeschmissenes Geld, wenn nicht nachhaltig gejagt wird. Wir brauchen eine Reform des Jagdgesetzes und fordern eine Abschaffung der Pflichttrophäenschau. Aber mit der jetzigen Koalition in Bayern aus CSU und Freien Wählern wird das nur schwer zu machen sein, weil in ihren Reihen viele Jäger sitzen.

    Zur Person: Leonhard Rist, 48, ist Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Weitnau im Landkreis Oberallgäu und Waldbesitzer.

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