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Interview: Viele Tierheime vor der Insolvenz: "Emotionale Erpressung"

Interview

Viele Tierheime vor der Insolvenz: "Emotionale Erpressung"

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    Viele Tierheime kämpfen um ihre Existenz.
    Viele Tierheime kämpfen um ihre Existenz. Foto: Andrea Warnecke (dpa)

    Diese Woche hat er auf einer Demonstration in München das Tierschutzgesetz als „grausam“ bezeichnet, weil es noch Tierqual zulasse: Am Freitag war der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, zu Besuch im Augsburger Tierheim. Wir haben mit ihm am Rande der Veranstaltung über die schwierige Zukunft der

    Herr Schröder, die Spenden gehen zurück, die Kommunen zahlen zu wenig. Jedes zweite Tierheim in Bayern steht vor der Pleite. Wie sieht das schlimmstenfalls aus, wenn sich nichts tut?

    Schröder: Wenn es zu dem Zusammenbruch kommt, dann werden die Zimmer des Bürgermeisters voller Tiere sein. Am Ende ist die Kommune verpflichtet, Fundtiere zu betreuen. Im Moment übernehmen das die Tierheime. Wenn die Kommunen das alles selbst organisieren, wird das massiv teurer, als die Struktur des Tierschutzverbandes zu unterstützen. Derzeit stellen nur die Spenden sicher, dass es in vielen Gemeinden noch Tierheime gibt. Die Kommunen drücken sich seit Jahren um ihre Pflichtaufgaben.

    Wieso ist es so schwer, die Kommunen zum Zahlen zu bewegen?

    Schröder: Die Bürgermeister versuchen es uns gegenüber mit emotionaler Erpressung nach dem Motto: „Ihr lasst doch kein Tier vor der Tür sitzen“, um Geld zu sparen. Die Tierheime kümmern sich zu 80 Prozent nur um die Aufgabe der Kommunen, gleichzeitig tragen diese nur 20 Prozent der Kosten.

    Wie Spitz auf Knopf steht die Situation der Tierheime derzeit?

    Schröder: Wir haben einige Tierheime, die kurz vor der Insolvenz stehen. Kommt es so weit, müssen die Tiere anderweitig untergebracht werden. Dann müssen die Nachbarvereine einspringen. Es gibt noch keinen flächendeckenden Zusammenbruch. Über die Jahre sind aber während der Finanzkrise die Rücklagen, die aus Spenden da waren, aufgebraucht. Die Tierschutzvereine haben keine Luft mehr, um etwas aufzufangen. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir 2016 einige Tierheime verlieren werden, wenn sich die Kommunen nicht bewegen. Deshalb fordern wir schon lange, dass es aus dem Landes- und Bundeshaushalt Geld gibt. Ganz konkret: In seiner Zeit als Umweltminister hat Markus Söder angekündigt, etwas für die Tierheime in Bayern zu tun, wenn er einmal Finanzminister wird. Jetzt ist er in dem Amt und das Thema ist bei ihm weg. Da ist Herr Söder eine Dampfplaudertasche im klassischen bayerischen Wahlkampfsinne. Rein für Investitionen braucht es in Bayern für Tierheime einen Fördertopf von fünf Millionen Euro. Dafür sollten die drei Millionen Euro Hundesteuer-Einnahmen zweckgebunden werden.

    Gleichzeitig sind Sie mit 800000 Mitgliedern im Rücken und einem Büro in Berlin die größte Lobby-Organisation für den Tierschutz. Es tut sich wenig. Wieso ist es bei dem Thema so schwer, Einfluss auf die Politik zu nehmen?

    Schröder: Mittlerweile geht es ja schon in die richtige Richtung. Bis in die 90er war das Thema unter Politikern hübsch für den Wahlkampf, mehr nicht. In den vergangenen zehn Jahren sehen wir immer stärker einen Wertewandel. Wenn es zum Beispiel um Nutztiere geht, werden wir aber noch von der Lobby der Betreiber blockiert. Da gibt es immer noch Strukturen aus alter Zeit, die wir aufbrechen müssen.

    Wie kurzfristig kann das passieren?

    Schröder: Was Nutztiere angeht, wird in nächster Zeit etwas vorwärtsgehen, das haben die ersten Erfolge der letzten Jahre gezeigt. Bei der Tierheimförderung kann ich das nicht vorhersagen. Ich hoffe, dass Bayern begreifen wird, dass nächstes Jahr im Haushalt etwas passieren muss. Sonst werden die Kommunen höhere Mittel beantragen, weil sie eigene Tierheime bauen müssen.

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