Herr Glauber, Sie haben den Entwurf für ein bayerisches Klimaschutzgesetz verfasst, doch die Pläne der Staatsregierung zum Klimaschutz sind bisher nur aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten bekannt. Wann und wie geht es denn jetzt weiter mit dem Gesetz?
Thorsten Glauber: Wir arbeiten seit einiger Zeit an unserem Klimaschutzgesetz 2.0. Mit einem klaren roten Faden: Wir wollen in Bayern bis 2040 klimaneutral werden, fünf Jahre früher als der Bund. Die Staatsregierung bereits 2023, denn wir haben eine Vorbildfunktion. Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Klimaschutzgesetz zum Ende des dritten Quartals, spätestens Anfang des vierten Quartals in den Landtag gehen. Das Klimaschutzgesetz ist aber ein Gemeinschaftswerk. Es braucht das Bau- und Verkehrsministerium, das Wirtschafts-, das Wissenschafts- und auch das Landwirtschaftsministerium dafür. Diese Häuser sind in Sachen Klimaschutz zusammen mit dem Umweltministerium besonders gefragt. Und gemeinsam gilt es seit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, das Gesetz endgültig abzustimmen.
Der Ministerpräsident hat nicht nur ein Klimaschutzgesetz angekündigt, sondern eigentlich ist es ja ein Dreiklang für mehr Klimaschutz: Klimaschutzgesetz, -programm und -finanzierung. Was ist der Unterschied?
Glauber: Das Klimaschutzgesetz ist der rechtliche Rahmen, den wir haben. Darin ist definiert, welche Ziele wir erreichen wollen und wer alles daran teilhaben muss, um das zu schaffen.
Und das Programm?
Glauber: Das sind die Maßnahmen, also der Weg zu diesem Ziel. Sie sollen das Gesetz am Ende zum Erfolg werden lassen. Wir brauchen sie, um bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Sie stehen bewusst nicht im Klimaschutzgesetz.
Was bedeutet das?
Glauber: Würde man die Maßnahmen in das Klimaschutzgesetz packen, müsste man jedes Mal mit dem Gesetz in den Landtag und es ändern, wenn man in einzelnen Bereichen noch mal nachschärfen muss. Weil die Maßnahmen aber nicht im Gesetz stehen, ist man auf diese Weise schnell und flexibel. Dazu kommt eine ambitionierte Finanzierung als dritter Punkt. Die Klimamilliarde finanziert die Maßnahmen und auf diese Weise den Erfolg des Gesetzes. Von Moorschutz über den Ausbau erneuerbarer Energien bis hin zur technologischen Transformation.
Was droht, wenn man damit nicht erfolgreich ist? Wenn die gesetzten Klimaziele nicht erreicht werden?
Glauber: Klimaschutz ist eine globale Aufgabe. Uns muss klar sein: Wenn in internationalen Verhandlungen am Ende nichts rauskommt und manche Staaten Klimaschutz nicht ernst nehmen, dann können wir in Bayern machen, was wir wollen und werden trotzdem das Weltklima nicht retten. Aber wir gehen als Hightech-Nation voran. Wir könnten ansonsten nur noch reagieren und versuchen, uns an die Veränderungen anzupassen. Eine drohende Erwärmung in Bayern von 4,8 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts und die Nicht-Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens würden uns alle treffen.
Machen Sie doch mal eine Bestandsaufnahme: Wo in Bayern zeigt sich die Klimakrise schon jetzt?
Glauber: Lassen Sie mich ein paar Punkte aufzählen: Wir messen im Freistaat bereits eine Erwärmung von 1,9 Grad Celsius. Alle 30 Sekunden schmelzen 250 Liter allein aus einem unserer bayerischen Gletscher, bis Anfang der 2030er Jahre werden alle fünf verschwunden sein. Wir haben bisher in Bayern jährlich vier Tropentage. Wenn es so weitergeht, werden wir in Zukunft zusätzliche 36 Tropentage und fast 20 Tropennächte pro Jahr bekommen – und damit natürlich auch tropische Regenereignisse. Das heißt Starkregen in einer Menge, die uns richtig herausfordert. Es müsste weniger heftig und dafür kontinuierlich regnen. Denn sind die Böden an der Oberfläche vollgesaugt wie ein Schwamm, bleibt es darunter trotzdem staubtrocken. Die Folge ist insbesondere weniger Grundwasserneubildung. Außerdem werden Tier- und Pflanzenarten verschwinden, die sich an solche Temperaturen nicht mehr anpassen können.
Angesichts solcher Auswirkungen haben manche Bürgerinnen und Bürger, besonders viele jüngere, das Gefühl, es wird zwar viel debattiert, aber so richtig passieren tut seit Jahren eigentlich nichts. Was entgegnen Sie ihnen?
Glauber: Innerhalb Deutschlands haben wir uns Photovoltaik soll auf Neubauten in Bayern Pflicht werdenKlimaschutzin Bayern mit der Klimaneutralität bis 2040 das schnellste Ziel vorgenommen und mit der Klimamilliarde sind wir das Bundesland mit dem größten finanziellen Budget in Sachen Klimaschutz. Jetzt kann man natürlich sagen, das ist immer noch zu wenig. Ich kann nur sagen: Wir machen finanziell und gesetzgeberisch das, wovon wir sicher annehmen, dass es zur Erreichung der Ziele führt. Die Erfolge werden wir zukünftig in regelmäßigen Berichten aufschlüsseln.
Politische Maßnahmen sind das Eine. Aber was ist denn von den Bürgerinnen und Bürgern zu erwarten? Welchen Beitrag können sie leisten?
Glauber: Meine Empfehlung: Jeder sollte sich erst mal ein Steckenpferd raussuchen und sich mit einem seiner Lieblingsthemen auseinandersetzen. Der eine sagt: Weg mit dem Auto und rauf aufs Rad. Der andere sagt, ich stehe auf Upcycling. Der nächste will seine Ernährung umstellen. Auf diese Weise findet jeder einen Zugang zum Thema Klimaschutz. Die Jugend ist da schon mittendrin, aber einige der Älteren wollen wir noch mehr mitnehmen und begeistern.
Begeisterung also anstatt Regeln und Vorschriften?
Glauber: Wenn man die Leute maximal frustrieren will, fängt man damit an, was sie alles nicht dürfen. Ich sage klar: So werden wir den Klimawandel nicht meistern.
Sondern?
Glauber: Jeder sollte erst mal mit einem Thema anfangen, das ihm Spaß macht. Dann wächst man da langsam rein. Klimaschutz muss Bestandteil des Alltags werden, sodass man beim Kaffee am Morgen und beim Abendessen darüber spricht. Warum nicht mal ein Familienprojekt daraus machen? Eine Challenge, Eltern gegen Kinder: Wer schafft es, in der Woche am meisten CO2 einzusparen? Über solche Projekte wird das Thema herzensgängig. Politik wird es auf diese Weise nie verordnen können. Wenn wir Klimaschutz nur über Verbote regeln müssten, behaupte ich, wird das Thema scheitern.