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Interview: Seehofer zu Gewalt gegen Polizei: Brauchen "harte Hand und starken Staat"

Interview

Seehofer zu Gewalt gegen Polizei: Brauchen "harte Hand und starken Staat"

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    Bundesinnenminister Horst Seehofer betrachtet nach der Krawallnacht von Stuttgart ein beschädigtes Polizeiauto.
    Bundesinnenminister Horst Seehofer betrachtet nach der Krawallnacht von Stuttgart ein beschädigtes Polizeiauto. Foto: Marijan Murat, dpa

    Wie geht es Ihnen denn, Herr Seehofer? Sie haben ja mächtig Gegenwind wegen Ihres Streits mit der Tageszeitung taz.

    Horst Seehofer: Mir geht es sehr gut, weil wir jetzt endlich über diesen unsäglichen Artikel in der taz auch eine öffentliche Debatte haben.

    War das der ganze Zweck Ihres Vorstoßes, einer Journalistin mit Strafanzeige zu drohen, damit darüber geredet wird, was Sie ärgert?

    Seehofer: Das war und ist mein Hauptziel.

    Dass ein Bundesminister eine Strafanzeige stellt, wäre ja schon ungewöhnlich. Einem Ihrer berühmten Vorgänger, Franz Josef Strauß, bekam das vor knapp 60 Jahren gar nicht gut. Er verlor in der Spiegel-Affäre sein Amt.

    Seehofer: Ich habe in meinem ganzen politischen Leben keinen Artikel gelesen mit einer so menschenverachtenden Sprache gegenüber Polizisten. Mir geht es vor allem darum, dass wir für unser Zusammenleben klären, wo die Grenzen des Anstands und die der Meinungs- und Pressefreiheit sind.

    Nun ist es aber doch so, dass der Staat Pressefreiheit nicht gewähren, sondern nur achten oder verletzen kann. Und Strafanzeigen waren ja ohnehin schon gestellt. Muss man Ihre Drohung somit als symbolischen Akt verstehen?

    Seehofer: Nein, das war ein ganz ernsthafter Vorgang, der mit einer ganz ernsthaften Absicht verbunden war. Jetzt haben wir nach sehr sorgfältiger Abwägung entschieden, dass ich auf die Strafanzeige verzichte. Ich werde mich stattdessen an den Deutschen Presserat wenden, der gerade erklärt hat, dass er sich mit diesem Artikel beschäftigen wird. Zudem werde ich die Chefredaktion der taz in das Innenministerium einladen, um über die Wirkungen dieses Artikels auf die Polizei und auf das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung zu reden. Und ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass hier Straftatbestände durch diesen Artikel erfüllt sind. Dies zu prüfen, obliegt jetzt den Ermittlungsbehörden.

    Es geht Ihnen also um das Ansehen und die Stellung der Polizei?

    Seehofer: Ich habe sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass die Politik hinter der Polizei und ihrer wichtigen Tätigkeit steht. Die Aussage ist ganz deutlich: Die gesamte Bundesregierung steht hinter unserer Polizei! Die Polizei ist ein ganz wichtiger Pfeiler in unserem Staat. Sie verkörpert das staatliche Gewaltmonopol, schützt die Bürger und verdient deshalb Respekt. Dass wir in einem stabilen Rechtsstaat leben, verdanken wir zu einem großen Teil der Polizei. Sie ist Freund und Helfer, nicht Feind.

    Es war zu lesen, dass Ihre Ankündigung einer Anzeige bei Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Freude ausgelöst habe und Sie sich letztendlich dem Druck Merkels hätten beugen müssen. Ist da etwas dran?

    Seehofer: Da muss ich schon schmunzeln. Ich hab’ das und vieles andere in den letzten Tagen auch gelesen. Aber ich habe mir, wie Sie wissen, schon lange angewöhnt, zu solchen Mutmaßungen nichts zu sagen. Solche Spekulationen gehören in Berlin zur Handelsware. Nur so viel: Mein Verhältnis zu Angela Merkel ist sehr, sehr gut.

    Wir beschäftigen uns in dieser Ausgabe sehr intensiv mit dem Thema Polizei. Die Beamten sind offenbar immer öfter Anfeindungen und gewaltsamen Angriffen ausgesetzt. Haben Sie einen Plan, was man dagegen tun kann?

    Seehofer: Wir beobachten schon seit langer Zeit eine stetige Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte, aber auch gegen Angehörige von Feuerwehr und Rettungsdiensten – und zwar durch Taten wie durch Worte. Aus diesem Grund hat der Bundestag auch die Strafbarkeit und das Strafmaß für solche Taten erhöht. Das Allerwichtigste aber ist, dass es zu einem nationalen Konsens gehören muss, hinter der Tätigkeit der Polizei zu stehen. Ich habe das in meiner früheren Funktion als bayerischer Ministerpräsident schon oft erlebt, dass Polizeibeamte mir gerade nach schwierigen Einsätzen gesagt haben, was das Wichtigste für sie sei: zu wissen, dass sie die Rückendeckung der Politik haben. Das ist auch der Hintergrund meiner Auseinandersetzung mit der taz. Darüber hinaus müssen wir kontinuierlich dafür sorgen, dass unsere Polizei von ihren Befugnissen, ihren Fähigkeiten und ihren Instrumenten her auf Augenhöhe ist mit all jenen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen.

    Sie sagen, der Staat müsse hinter der Polizei stehen. Noch wichtiger aber ist doch, dass auch die Bevölkerung hinter der Polizei steht. Woher kommt die zunehmende Ablehnung?

    Seehofer: Wir haben es mit einer besorgniserregenden Entwicklung zu tun. Gerade auch die jüngsten Ereignisse in Stuttgart oder Göttingen zeigen, dass der Respekt gegenüber der Polizei nicht mehr so vorhanden ist, wie das für einen demokratischen Rechtsstaat erforderlich ist, und dass ein kleiner Teil der Bevölkerung die Polizei geradezu als Feind betrachtet. Das gilt für Extremismus – rechts wie links. Ich möchte dieses Thema aber nicht nur auf die Polizei beschränken. Es gibt auch Angriffe gegen Rettungskräfte und Feuerwehrleute, also gegen diejenigen, die kommen, um Menschen in akuter Not zu helfen. Leider erleben wir ja auch zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Mitarbeitern von Behörden oder gegenüber Kommunalpolitikern. Da hilft nur eine harte Hand und ein starker Staat, um diese schlechte Entwicklung zu beenden. Ich hoffe da sehr auf die Unterstützung der Bevölkerung.

    Darf ich die Frage nach den Ursachen noch einmal stellen? Woher kommen aus Ihrer Sicht Ablehnung, Respektlosigkeit und Gewalt? Könnte das auch etwas mit Corona zu tun haben oder ist das eine längere Entwicklung?

    Seehofer: Das ist mit Sicherheit eine längere Entwicklung. Bei der Frage nach den Ursachen – das zeigt ja auch das Beispiel in Stuttgart – muss man sich immer davor hüten, das monokausal zu betrachten. Da spielen viele Dinge zusammen. Wir beobachten eine Verrohung und Radikalisierung der Sprache. Es gibt Entwurzelungen, die bei vielen stattfinden. Es gibt einen stärker werdenden Hang zu politischer Kriminalität. Und was Corona betrifft: In Göttingen am Wochenende war ja Corona der Hintergrund, weil es dort Leute gibt, die nicht einsehen wollen, dass ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden muss, damit andere nicht angesteckt werden. Oft kommen dann auch noch Verschwörungstheorien hinzu, die so absurd sind, dass man sie mehrfach lesen muss. Da mischt sich plötzlich Corona mit antisemitischen, politisch extremen oder anderen abstrusen Einstellungen. Kurz gesagt: Das sind sehr vielschichtige Phänomene, denen allein mit den Mitteln der Polizei nicht beizukommen ist. Das sind nicht nur Leute mit Migrationshintergrund, die hier nicht zurechtkommen. Wenn ich aber für einen starken Staat plädiere, dann setze ich vor die Klammer immer die Notwendigkeit der Prävention durch Bildung und Erziehung. Das Ächten von Gewalt muss wieder Staatsräson in Deutschland werden.

    Um die Verrohung der Sprache, die Sie anprangern, geht es auch in Ihrem Konflikt mit der taz. Was antworten Sie denen, die Ihre Drohung mit Strafanzeige als Angriff auf die Pressefreiheit werten?

    Seehofer:

    Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein großer Anhänger von freiheitlichen Strukturen gerade bei Medien bin. Wir brauchen eine freie Presse zur Kontrolle der Macht. Es wäre nicht auszudenken, was los wäre, wenn es diese Kontrolle nicht gäbe. Aber jede Freiheit hat auch ihre Grenzen. Auch in einer Demokratie kann nicht jeder machen, was er will. Deshalb gibt es für jeden von uns rechtsstaatliche Schranken. Wenn Polizeibeamte in die Nähe von Terroristen und Nazis gebracht werden und am Schluss noch die These aufgestellt wird, sie gehörten auf den Müll, dann sind ganz eindeutig Grenzen überschritten. Niemand hat das Recht, andere Menschen, egal welcher Gruppe sie angehören, mit so einer menschenverachtenden Sprache herabzusetzen. Das darf in einer freien Gesellschaft einfach nicht passieren.

    In unserem aktuellen Schwerpunkt beschäftigen wir uns mit Gewalt gegen Polizisten und Debatten um Polizeigewalt. Hier finden Sie weitere Artikel zum Thema:

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