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Interview: Politikwissenschaftler Lars Holtkamp: "Ohne Quote geht es nicht"

Interview

Politikwissenschaftler Lars Holtkamp: "Ohne Quote geht es nicht"

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    Im bayerischen Landtag sitzen künftig noch weniger Frauen.
    Im bayerischen Landtag sitzen künftig noch weniger Frauen. Foto: Matthias Balk, dpa

    13 Jahre ist es her, dass Angela Merkel Kanzlerin wurde. Damals hatte man das Gefühl, dass das jetzt ein richtiger Aufschwung für Frauen ist, die in der Politik Karriere machen wollen. Was ist von dieser Euphorie geblieben?

    Lars Holtkamp: Tja, ob das überhaupt so eine Euphorie gewesen ist, weiß ich nicht. Wir haben viele Interviews geführt und immer wieder festgestellt, dass die Parteifunktionäre der CDU meinten, dass sie damit ihren Beitrag für die Gleichberechtigung geleistet hätten. Mit anderen Worten: Was wollt ihr eigentlich von uns? Wir haben die erste Kanzlerin gemacht.

    Das heißt, es gab zwar eine Frau an der Spitze, aber weiter unten ist alles beim Alten geblieben?

    Holtkamp: Ja, es hat sich kaum was geändert. Wobei das Bundeskabinett in den letzten Jahren dann doch etwas gleichberechtigter aufgestellt war.

    In Bayern ist die Frauenquote im Landtag weiter gesunken. Aktuell sind es noch 26,8 Prozent. Warum haben es Frauen so schwer?

    Holtkamp: Da muss man nach Parteien differenzieren. Und dementsprechend wie das Parteiergebnis ist, kann man auch schnell auf die Frauenanteile des Landtages kommen. Das heißt, die Parteien, die rechts-konservativ sind, haben in der Regel keine Frauenquoten. Wenn diese Parteien insgesamt einigermaßen gut abschneiden – und das war ja in Bayern mit CSU, Freie Wähler und FDP der Fall –, hat man in der Regel auch einen niedrigeren Frauenanteil im Landtag, als wenn jetzt zum Beispiel SPD und Grüne die Mehrheit gestellt hätten.

    Also: Je konservativer eine Partei, desto weniger Chancen haben Frauen?

    Holtkamp: Im Prinzip ist das so. Es ist da schwieriger, weil es keine Quoten gibt. Und häufig wollen die Frauen in diesen Parteien selbst auch keine Quote, weil sie das als diskriminierend empfinden. Obwohl das eigentlich eine Hilfskrücke ist, um in Richtung Parität zu kommen. Und so stehen die Frauen untereinander in einem extremen Wettbewerb.

    Das heißt, Frauen machen es sich selbst oft schwer?

    Holtkamp: Ja. Gerade die konservativen Frauen machen es sich selbst schwer. Und es gibt bei ihnen nicht so eine große Solidarität wie in anderen Parteien.

    Sie hatten das Thema gerade angesprochen: Braucht es Ihrer Ansicht nach eine verpflichtende Frauenquote?

    Holtkamp: Im Prinzip ja. Denn wir sehen jetzt schon seit 20 Jahren eine Stagnation – sowohl im Bundestag als auch in den Landtagen. Wir haben immer so um die 30 Prozent – Bayern ist noch etwas schlechter. Und diese Zahl ergibt sich aus den freiwilligen Parteiquoten. Erst haben es die Grünen gemacht und die SPD hat nachgezogen. Dann kam die Linke noch dazu. Aber bei den anderen tut sich nichts. Wer den Frauenanteil im Landtag erhöhen will, der muss eben Parteien, die etwas konservativer sind und nichts von der Quote halten, dazu zwingen, dass sie es tun müssen.

    Welche Möglichkeiten sehen Sie neben einer verpflichtenden Frauenquote noch, um den Anteil weiblicher Politikerinnen in Landtagen und im Bundestag zu erhöhen?

    Holtkamp: In den Parteien kann man natürlich auch Frauenförderung machen. Etwa Tandems mit erfahrenen Abgeordneten. Aber damit wird man den Frauenanteil nicht groß erhöhen. Die Quote ist aus meiner Sicht das härteste, aber auch das effektivste Instrument.

    Vergleicht man den Frauenanteil in den Länderparlamenten, schneidet Bayern ziemlich schlecht ab. Nur in vier anderen Bundesländern ist der Anteil noch niedriger. In Thüringen dagegen deutlich höher. Warum gibt es da so große Unterschiede?

    Holtkamp: Da geht es wieder darum, wo eher linke Parteien stark sind. In Thüringen ist zwar auch die CDU stärkste Kraft, aber die Linke ist auf Platz zwei.

    Auffällig ist, dass hohe politische Ämter nicht mit Frauen besetzt werden. Es gibt in ganz Deutschland nur zwei Ministerpräsidentinnen. Auch im bayerischen Kabinett wird die Zahl der Ministerinnen wohl niedrig sein.

    Holtkamp: Ein Grund ist, dass Frauen es sich selbst nicht so leicht zutrauen, einen wichtigen politischen Job auszuüben. Sondern sie überlegen, ob sie das Ressort eines Ministeriums übernehmen können – was ja auch richtig ist. Männer hingegen überlegen da nicht. Die sagen: Ich kann jedes Ministerium übernehmen. Und wenn man da als Frau nicht am Ball bleibt, dann ist der Stürmer schon unterwegs und schießt sein Tor.

    Es liegt also auch daran, dass Frauen oft zurückhaltender sind und auch keine Lust auf Machtspielchen haben?

    Holtkamp: Genau. Es sind diese Machtspielchen, die vielen Frauen nicht gefallen. Und dann gibt es so etwas wie homosoziale Kooptation. Das heißt: Männer fühlen sich unter Männern etwas wohler. Sie glauben, dass dann die Kommunikation unkomplizierter ist. So entstehen solche alten Männerriegen – und die ziehen eigentlich wieder nur junge Männer nach sich.

    Wird eine Politikerin anders gesehen als ein Politiker?

    Holtkamp: Es werden ihr oft in anderen Politikfeldern Kompetenzen zugetraut. Also vor allem in den Bereichen Soziales, Jugend, Familie. Das ist noch immer an der alten Geschlechterrolle aufgehängt. Die harten Geschichten übernehmen gerne die Männer.

    In der Wirtschaft wird ein niedriger Frauenanteil oft mit der Unvereinbarkeit von Job und Familie erklärt. Gilt dieses Argument in der Politik auch?

    Holtkamp: Klar, das spielt natürlich eine Rolle. Aber bei diesen Argumenten muss man immer sehen: Ja, da fallen bestimmte Frauen raus aus dem Raster. Aber es gibt mehr als genügend Frauen, die für den Landtag kandidieren würden. Das ist doch ein brillanter Job. Es kann nicht die Erklärung sein, dass alle Frauen aufgrund dieser Unvereinbarkeit von Beruf und Familie nicht in die Politik kommen können.

    Jenseits der großen Politik: Wie sieht es mit der Repräsentation von Frauen in der Kommunalpolitik aus?

    Holtkamp: In den Großstädten Bayern eigentlich schon ganz gut. Zumindest, was die Ratsmitglieder angeht. Aber das lässt nach, wenn die Kommunen kleiner werden.

    Warum?

    Holtkamp: Es gibt da einen extrem starken Anteil an Wählergemeinschaften, die meist auch nur einen Frauenanteil wie die CSU erreichen. Das Zweite ist, dass es in so kleinen Gemeinden schwieriger ist, sich durchzusetzen – sowohl in gesellschaftlichen Bereichen als auch in der Politik.

    Wenn Sie eine Prognose wagen müssten: Wie geht es weiter?

    Holtkamp: Es gibt auf jeden Fall keinen eindeutig positiven Trend. Was wir beobachten, ist, dass es deutliche Unterschiede gibt. Die Anzahl an Oberbürgermeisterinnen etwa ist im Vergleich zu vor zehn Jahren um zehn Prozentpunkte gesunken. Die Anteile auf Landes- und Bundesebene sind in etwa gleich geblieben. Fakt ist: Ohne Quote geht es nicht. Wenn man nicht gesetzlich eingreift, wird sich von alleine wenig ändern.

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