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Interview: Neue BR-Intendantin: "Über das Gendern wird gerade sehr intensiv debattiert"

Interview

Neue BR-Intendantin: "Über das Gendern wird gerade sehr intensiv debattiert"

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    "Historischer Schritt für den BR": Katja Wildermuth nach ihrer Wahl zur Intendantin am 22. Oktober 2020.
    "Historischer Schritt für den BR": Katja Wildermuth nach ihrer Wahl zur Intendantin am 22. Oktober 2020. Foto: L. Mirgeler, dpa

    Frau Wildermuth, Sie wurden vor wenigen Monaten als erste Frau in der Geschichte des BR zur Intendantin gewählt. Wird das Thema Gleichstellung ein besonders wichtiges für Sie sein?

    Katja Wildermuth: Das Thema hat natürlich meine Wahl begleitet: "erstmals eine Frau", "historischer Schritt für denBR", hieß es. Für mich ist es ein Schritt in Richtung Selbstverständlichkeit. Wir haben eine vielfältige Gesellschaft, und das sollte sich auf allen Ebenen und in allen Positionen abbilden. Ich bringe bestimmte Erfahrungen und Qualifikationen für die Intendantenstelle mit, das Geschlecht ist da sekundär. Aber natürlich, und das wissen wir aus Studien, ändert es auch Rollenbilder und -zuschreibungen, wenn es weibliche Führungskräfte gibt. Ich bin mir dessen und der Verantwortung, die das mit sich bringt, durchaus bewusst.

    Wird es im BR bald mehr weibliche Führungskräfte geben?

    Wildermuth: Mir ist wichtig, dass es eine moderne Unternehmenskultur gibt, die auf Veränderungen kreativ, positiv und flexibel reagiert. Das ist in Zeiten, in denen sich die Medienwelt und wir uns rapide ändern müssen, ganz wichtig. Ich meine mit moderner Unternehmenskultur die Stärkung von Eigenverantwortung, Wertschätzung, Vertrauen, Zuhören, Transparenz. Und dafür ist eine zeitgemäße Zusammensetzung der Teams wichtig.

    Und Frauenförderung?

    Wildermuth: Frauenförderung ist ein wichtiger Teil von Personalentwicklung. Was ich jetzt als erstes machen werde, ist, mir anzuschauen, was es im BR im Bereich Gleichstellung an Maßnahmen bereits gibt und wie Gleichstellung gelebt wird. Aber es geht ja nicht nur um Frauen. Wir sollten als Sender insgesamt darauf achten, dass wir vielfältig in der Belegschaft bleiben: Dazu gehören unter anderem auch soziale Herkunft, städtische oder ländlich geprägte Biografie, verschiedene Lebensentwürfe. Nur so können wir die bayerische Gesellschaft glaubwürdig in ihrer gesamten Breite wahrnehmen und wiedergeben.

    Beim Thema Gendern geht es darum, die Unterschiede zu betonen. Dass man sagt: "Zuschauerinnen und Zuschauer" – und eben nicht die männliche Form nimmt und Frauen einfach mitdenkt. Wird also im BR bald gegendert? Zum Beispiel das geschlechtergerecht geschriebene Wort "ZuschauerInnen" mit einer kleinen Pause zwischen "Zuschauer" und "Innen" gesprochen? ARD-Moderatorin Anne Will oder ZDF-Nachrichtenmann Claus Kleber machen das schon...

    Wildermuth: Über das Gendern wird gerade sehr intensiv debattiert – in vielen gesellschaftlichen Bereichen, bis hin zu Redaktionen oder beim Duden. Ich finde es gut, dass durch diese Debatte die Sensibilität für Sprache gewachsen ist – und damit auch für Rollenklischees. So eine Sprachdebatte bringt einen Perspektivwechsel mit sich und kreative Ausdrucksformen. ImBR wurde auch viel diskutiert. Ende vergangenen Jahres hat die Geschäftsleitung in Abstimmung mit dem Diversity-Beirat erst einmal beschlossen, auf geschlechtsneutrale Formulierungen zu setzen: also zum Beispiel auf "Mitarbeitende" oder "Publikum".

    Kein gesprochenes Binnen-I im BR.

    Wildermuth: So wurde das beschlossen, ja, und, bis auf wenige Ausnahmen, auch kein Genderstern in der gedruckten oder gesprochenen Form. Ich habe mir vorgenommen, dass wir die BR-Redaktionen jetzt Erfahrungen sammeln lassen und gegen Ende des Jahres evaluieren und schauen, wie weit wir mit dieser Regelung kommen, oder ob wir sie ändern möchten.

    Das Funkhaus des Bayerischen Rundfunks in München.
    Das Funkhaus des Bayerischen Rundfunks in München. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Wohin wollen Sie den BR in Ihrer Amtszeit von fünf Jahren steuern?

    Wildermuth: Ganz wichtig ist mir, dass der BRidentitätsstiftend wirkt für die gesamte bayerische Gesellschaft. Er braucht eine breite Akzeptanz.

    Das ist ein großes Ziel. Was genau verstehen Sie darunter?

    Wildermuth: Die Menschen sollen sagen: "Es ist gut, dass es den Bayerischen Rundfunkgibt." Wir waren ja lange der Meinung, dass Akzeptanz sich vor allem in Quoten, Marktanteilen oder Klicks ausdrückt. Und natürlich möchten wir viele Leute erreichen, um relevant zu bleiben. Aber es geht auch um die Anerkennung des Mehrwerts für die Gesellschaft und den Einzelnen, den wir bieten. 2020 haben wir laut Umfragen hohe Glaubwürdigkeitswerte erreicht, doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Das andere ist: Wir wollen ein glaubwürdiger Kommunikationsraum sein.

    Kommunikationsraum?

    Wildermuth: Ein Raum für Dialog. Wir müssen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Positionen vermitteln und ein Bindeglied für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sein. Wir dürfen nicht nur senden. Mich treibt eine Sorge sehr um: Was machen wir, wenn unsere Gesellschaft in immer mehr Teilöffentlichkeiten zerfällt?

    Nun gibt es ja bereits seit langem beim BR "Tage der offenen Tür" oder die Sendung "Jetzt red i", bei der Bürger das Wort haben...

    Wildermuth: Das – und vieles andere – sind gute Angebote. Wir brauchen eine medienmündige Gesellschaft. Das ist eine Gesellschaft, die Smartphones nicht nur bedienen, sondern Medieninhalte auch beurteilen kann. Ich sehe unsere Aufgabe unter anderem darin, Menschen Handwerkszeug zu vermitteln, wie sie zum Beispiel Fake News erkennen. Was wir sicher auch noch mehr tun können, ist, transparent zu zeigen, wie wir Journalisten arbeiten – indem wir Menschen ins Studio einladen, mehr Publikumsbeteiligung ermöglichen oder verstärkt mit Bildungseinrichtungen kooperieren.

    Schwebt Ihnen dafür eine Programmoffensive vor?

    Wildermuth: Ich verstehe mich als Intendantin so, dass ich gute Rahmenbedingungen für das Haus schaffe, große Strategien im Team erarbeite und intern und extern kommuniziere. Es gibt im BR ganz hervorragende Programmverantwortliche. Ich glaube, ich würde den Kollegen und Kolleginnen keinen Gefallen tun, wenn ich ihnen dauernd mit lauter tollen Programmvorschlägen kommen würde. Meine Aufgabe ist es, zuzuhören, welche Ideen es im Haus gibt.

    Eigentlich sollte der Rundfunkbeitrag zu Jahresbeginn auf 18,36 Euro pro Monat und Haushalt steigen. Dazu kam es aber nicht.
    Eigentlich sollte der Rundfunkbeitrag zu Jahresbeginn auf 18,36 Euro pro Monat und Haushalt steigen. Dazu kam es aber nicht. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Weil Sachsen-Anhalt die für Jahresbeginn geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 Euro blockierte, kommt es in den Programmen von ARD, ZDF und Deutschlandradio möglicherweise zu Einschnitten. Auch beim BR?

    Wildermuth: Wir schauen uns das erst einmal genau an. Unabhängig von der Frage der Beitragserhöhung erwarten wir einen Fehlbetrag und müssen unseren Konsolidierungskurs der letzten Jahre fortsetzen. Bleibt die Erhöhung tatsächlich aus, fehlen uns 2021 darüber hinaus weitere 31,5 Millionen Euro. Ich werde aber in jedem Fall versuchen, vorschnelle Kürzungen im Programm zu vermeiden. Dafür werden wir in Vorleistung gehen, wie es uns das Bundesverfassungsgericht geraten hat. Das ist aber nur für eine gewisse Zeit möglich, sonst müssten wir grundsätzlicher rangehen. Wir hoffen sehr, dass die Entscheidung der Richter im Hauptsacheverfahren nicht zwei oder drei Jahre dauert.

    Trifft es die Gehälter der Belegschaft?

    Wildermuth: Die für April tariflich bereits 2020 verhandelte Anhebung der Vergütungen unserer festangestellten und freien Mitarbeiter werden wir jedenfalls durchführen, obwohl sie unter dem Vorbehalt einer Beitragsanpassung stand. Das sind wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Pandemiezeiten seit Monaten hervorragende Arbeit leisten, einfach schuldig.

    Sie arbeiteten zuletzt für den MDR in Halle in Sachsen-Anhalt. In jenem Bundesland also, das die Beitragserhöhung scheitern ließ. Wäre es zur Abstimmung gekommen, hätte wohl die CDU mit der AfD gegen den erhöhten Beitrag gestimmt. Ein Politikum.

    Wildermuth: In der Debatte über die Beitragsanpassung wurde vieles miteinander vermengt. Grundsätzlich finde ich es immer legitim, über den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen zu diskutieren. Wir müssen aber aufpassen, dass die Rundfunkfreiheit nicht zum Spielball politischer Interessen wird.

    Zur Person:

    • Katja Wildermuth wurde 1965 in Berlin geboren und wuchs in Anzing bei München auf. An der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München studierte sie Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für Lehramt am Gymnasium. Danach war sie Dozentin für Alte Geschichte an der LMU und promovierte über die Römische Republik.
    • 1994 kam sie zum Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Erst arbeitete sie dort als TV-Autorin für Politikmagazine, später als Redakteurin für Reportagen zum Zeitgeschehen. 2004 wurde sie Leiterin der MDR-Redaktion Geschichte und Gesellschaft. Sie verantwortete unter anderem preisgekrönte Filme wie "Putins Spiele" oder "Night Will Fall – Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen". Die Doku über die NS-Verbrechen in den Konzentrationslagern erhielt 2016 in New York einen "Emmy Award".
    • 2016 wurde Wildermuth auch Kulturchefin des Norddeutschen Rundfunk (NDR). Von April 2019 an war sie schließlich Programmdirektorin beim MDR in Halle.
    • Am 22. Oktober 2020 wurde sie zur neuen Intendantin des Bayerischen Rundfunksgewählt. Am 1. Februar trat sie ihr Amt an. Wildermuth hat zwei erwachsene Kinder. (wida)

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