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Interview: Landshuter Landrat: "Der fehlende Wohnraum ist ein Riesenthema"

Interview

Landshuter Landrat: "Der fehlende Wohnraum ist ein Riesenthema"

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    Der Landshuter Landrat Peter Dreier im Januar 2016 vor dem Kanzleramt in Berlin.
    Der Landshuter Landrat Peter Dreier im Januar 2016 vor dem Kanzleramt in Berlin. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa

    Es war eine bundesweit beachtete Protestaktion: Mitte Januar vergangenen Jahres schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) 31 anerkannte Flüchtlinge per Bus bis ans Kanzleramt nach Berlin. Der Landrat spricht ein Jahr danach im Interview über die Folgen der Aktion.

    Was hat sich seitdem geändert, verbessert, verschlechtert?

    Peter Dreier: Geändert hat sich, dass wir seit März 2016 kaum noch Zugänge zu verzeichnen haben, diesen Umstand haben jedoch andere Länder ermöglicht. Verbessert hat sich, dass wir uns auf Verwaltungsebene nun wieder auf die eigentlichen Kernthemen konzentrieren können und anstelle von "unterbringen, unterbringen" nun uns auf die Integration konzentrieren können. Verschlechtert hat sich die Stimmung im Land. Die Menschen in unserem Land fühlen sich zusehends verunsichert und sind auch entsprechend verärgert über die Bundespolitik. Die letztjährigen Landtagswahlen waren ein erster Hinweis, dass sich die Bürger dies nicht mehr länger gefallen lassen werden.

    Hat sich die Situation für die Menschen, die damals im Bus saßen, verändert?

    Dreier: Viele der damaligen Mitfahrer leben mittlerweile nicht mehr in unserem Landkreis. Sie sind hauptsächlich in größere Städte nach Nordrhein-Westfalen oder anderswo umgezogen. Ansonsten haben sie ja keinen Schaden von dieser Busfahrt davon getragen - im Gegenteil, sie haben sich bei mir bedankt, dass ich mich so um sie gekümmert habe, und waren eher enttäuscht darüber, dass von diesen Versprechen, die sie aus Berlin oder Deutschland in ihrem Land erfahren, nicht viel zu sehen war.

    Ist inzwischen genug Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge vorhanden?

    Dreier: Der fehlende Wohnraum für die anerkannten Asylbewerber ist immer noch ein Riesenthema. Der Freistaat Bayern hat zwar ein millionenschweres Investitionsprogramm aufgelegt, jedoch braucht es auf der einen Seite Zeit, bis die Wohnungen gebaut sind, und auf der anderen Seite haben die Städte und Gemeinden nicht diese Ressourcen und auch nicht die Bereitschaft, in diesem Umfang Wohnungen zu bauen und selber zu investieren. Es ist also keinesfalls genügend Wohnraum vorhanden. Gebaut wurde, zumindest in unserer Region, nur in ganz überschaubarem Umfang.

    Wie viele Flüchtlinge hatte der Landkreis vor einem Jahr untergebracht und wie viele sind es jetzt?

    Dreier: In den dezentralen Unterkünften des Landkreises leben derzeit rund 1150 Asylbewerber. Hinzu kommen rund 150 Flüchtlinge in der staatlichen Gemeinschaftsunterkunft in Geisenhausen und 130 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in elf Wohngruppen oder bei Pflegefamilien untergebracht sind. Der Höchststand lag im Frühjahr 2016 bei über 2000 Asylbewerbern. Der Landkreis Landshut hat in 34 von 35 Gemeinden insgesamt 86 dezentrale Unterkünfte geschaffen, die Platz für 1926 Menschen bieten beziehungsweise geboten haben.

    Gab es nach der Aktion viele negative Reaktionen und würden Sie die Fahrt wiederholen?

    Dreier: Die Frage nach einer Wiederholung dieser Aktion stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Negative Reaktionen gab es nur von den Bundespolitikern. Vor allem aber Tausende von Bürgern haben sich überaus positiv zu diesem Zeichen geäußert und auch Mut zugesprochen. Als Landrat trage ich Verantwortung für meinen Landkreis und in einer Demokratie wird es wohl noch erlaubt sein, seine Meinung - manchmal auch mit einem friedlichen Zeichen - zum Ausdruck zu bringen. Die Entwicklungen und Ereignisse in den letzten Tagen, Wochen und Monaten haben diese Befürchtungen mehr als bestätigt.

    Zur Person: Peter Dreier (50) ist seit 2014 Landrat in Landshut. Bis zum Start des Flüchtlingsbusses nach Berlin hatte er eine eher unscheinbare politische Vita: Er arbeitete zunächst im Einwohnermeldeamt und Standesamt in der Verwaltung der Gemeinde Hohenthann. 2002 wurde er erster Bürgermeister der Gemeinde. Mit der Aktion hatte er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Bedrängnis gebracht.

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