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Interview: Innenminister Herrmann attackiert Gegner von Polizeigesetz

Interview

Innenminister Herrmann attackiert Gegner von Polizeigesetz

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    Blau statt Grün: Innenminister Joachim Herrmann (links) am Sonntag bei der Vorstellung der neuen Schutzanzüge (Mitte) für die bayerischen Motorrad-Polizisten.
    Blau statt Grün: Innenminister Joachim Herrmann (links) am Sonntag bei der Vorstellung der neuen Schutzanzüge (Mitte) für die bayerischen Motorrad-Polizisten. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Bayern Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wirft den Kritikern des umstrittenen neuen Polizeiaufgabengesetzes eine Fehlinformations-Kampagne vor.

    Die Behauptung, der Freistaat sei auf dem Weg zum Überwachungsstaat, sei grober Unfug, sagte der CSU-Politiker im Interview mit unserer Zeitung:

    Ist Bayern auf dem besten Weg zum Polizei- und Überwachungsstaat?

    Joachim Herrmann: Solche Behauptungen sind natürlich grober Unfug. Jeder weiß: Wir leben in Bayern nach dem Motto „Leben und leben lassen“. Wir haben eine sehr gut arbeitende Polizei und zurecht fühlen sich die allermeisten Menschen von dieser Polizei gut beschützt, aber nicht überwacht. Und das wird auch in Zukunft so sein.

    Aber das neue Polizeiaufgabengesetz ist doch das schärfste seit 1945, oder?

    Herrmann: Nein, das ist auch so ein unsinniger Vergleich: Als ob wir die Terroristen von heute, die zum Beispiel mit Smartphone kommunizieren und im Darknet Kriegswaffen kaufen, mit den Methoden der Polizei nach dem Krieg bekämpfen könnten. Man muss zunächst sehen, dass der Anlass für die Änderungen daher rührt, dass wir die neue EU-Datenschutzgrundverordnung umsetzen müssen. Das bedeutet mehr Datenschutz. Zum zweiten setzen wir Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anlässlich des BKA-Gesetzes um, wo das Gericht Änderungen verlangt hat. Daher passen wir unsere Rechtslage den Ansichten des

    Aber wird nicht die Erlaubnis eines Richters in der Praxis häufig erst nachträglich eingeholt?

    Herrmann: Das ist bei den meisten Maßnahmen nur zulässig, wenn unmittelbar Gefahr im Verzug besteht. Das kann mal so sein. Es ist also die Ausnahme und nicht die Regel. Es ist zum Teil in den letzten Wochen behauptet worden, die bayerische Polizei dürfe dann jemanden ohne richterliche Anordnung über einen längeren Zeitraum einsperren. Eine Falschbehauptung! Richtig ist: Niemand darf ohne die Entscheidung eines Richters länger als bis zum Ablauf des folgenden Tages eingesperrt werden.

    Was ist nun mit Handgranaten und Drohnen?

    Wenn wir schon bei den konkreten Punkten sind: Stimmt es, dass die Polizei in Bayern künftig Handgranaten einsetzen und Drohnen als Waffen benutzen darf?

    Herrmann: Für Ausnahmesituationen ist schon lange gestattet, Handgranaten oder Maschinengewehre zu benutzen. Das bleibt aber ausschließlich den beiden Spezialeinsatzkommandos vorbehalten und auch nur mit Genehmigung des Landespolizeipräsidenten im Einzelfall. Neu ist, dass die Spezialkommandos in besonderen Fällen auch Sprengstoff einsetzen können, um zum Beispiel eine Türe aufzusprengen, hinter der ein bewaffneter Terrorist lauert. Das ist aber alles nichts, was eine normale Polizeieinheit betrifft.

    Und die Drohnen? Im Gesetzentwurf steht, dass die „zum Einsatz unmittelbaren Zwangs“, also als Waffen eingesetzt werden dürften. Zumindest interpretiere ich das so...

    Herrmann: Wir beabsichtigen nicht, Drohnen als Waffen einzusetzen. Das ist ein Thema, das nur die Bundeswehr derzeit diskutiert.

    Vor wenigen Wochen haben Sie bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik gesagt, die Sicherheitslage in Bayern sei „exzellent“. Wozu braucht es dann eine Verschärfung des Polizeigesetzes?

    Herrmann: Bayern ist das sicherste Bundesland, aber das nicht ohne Grund. Das ist das Ergebnis einer hervorragenden Polizeiarbeit und einer konsequenten Politik über viele Jahre hinweg. Wir haben auch so viele Polizisten wie nie und stellen trotzdem tausende neu ein, weil wir sehen, dass die Herausforderungen wachsen, unter anderem ja auch deshalb, weil Bayern stark wächst. Unsere Polizei darf der technischen Entwicklung der Kriminellen nicht hinterherhinken.

    Unterschied zwischen Polizei und Nachrichtendienst

    Viele neue Befugnisse zielen auf Gefahrenabwehr und Prävention. Vermischen sich mit dem neuen Gesetz nicht zu sehr die Aufgaben von Polizei und Nachrichtendiensten?

    Herrmann: Nein. Gefahrenabwehr und Prävention sind Kernaufgaben der Polizei. Es ist doch viel besser, wenn die Polizei beispielsweise einen Mord verhindern kann. Die originäre Aufgabe der Polizei ist, einen Mord erst gar nicht geschehen zu lassen. Das sieht im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht so, das einen Grundrechtseingriff eher erlaubt, wenn ein Mord verhindert werden kann, als wenn er schon passiert ist.

    Damit sind wir bei dem umstrittenen Begriff „drohende Gefahr“, an dem sich die Gegner sehr stören.

    Herrmann: Dieser Begriff stammt vom Bundesverfassungsgericht, das die „drohende Gefahr“ bewusst unterhalb der „konkreten Gefahr“ ansiedelt. Die „drohende Gefahr“ kann sein, wenn jemand im Internet ein Attentat ankündigt, aber nicht klar ist, wann und wo es geschehen soll. Aber gerade hier, wenn die Drohung ernst zu nehmen ist, muss die Polizei doch eingreifen können.

    Zielen all die neuen Maßnahmen nur auf die Terrorabwehr oder gelten sie auch für „normale“ Kriminelle?

    Herrmann: Es geht sicherlich um viele Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem internationalen, gerade dem islamistischen Terrorismus. Die Maßnahmen können aber auch andere schwere Straftaten umfassen. Beispiel: Ein Ehemann, der aus Rache androht, seine Frau umzubringen. Da muss die Polizei ermittelkönnen, wo dieser Mann sich aufhalten und auf welche Weise er die Tat ausführen könnte.

    Kein anderes Bundesland verschärft das Polizeigesetz so sehr wie Bayern. Schießt der Freistaat nicht über das Ziel hinaus?

    Herrmann: Keineswegs. Wir wollen, dass unsere Bürger auch in Zukunft in Bayern frei und sicher leben können. Auch sind wir das erste Land, das das BKA-Urteil umsetzt. Sogar der Bund selber hat seine Gesetze noch nicht geändert, obwohl das Urteil schon zwei Jahre her ist, sondern die Änderung auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Uns war es wichtig, die Rechtslage schnell anzupassen. Dass wir uns entschlossen haben, schnell weitere Möglichkeiten für die Polizei zu schaffen, das ist natürlich unsere ureigenste bayerische Entscheidung. Das tun wir bewusst, um der Polizei die Möglichkeit zu geben, mit den aktuellsten Herausforderungen Schritt halten zu können.

    Interview: Holger Sabinsky-Wolf

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