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Interview: „Immerhin wusste ich, wie Kühe aussehen“

Interview

„Immerhin wusste ich, wie Kühe aussehen“

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    Die neue Bezirksbäuerin Christiane Ade aus Gerlenhofen (Landkreis Neu-Ulm) betreibt mit ihrem Mann einen Hof mit 55 Milchkühen und einen kleinen Laden. Außerdem ist sie Mama und Vorsitzende des Musikvereins.
    Die neue Bezirksbäuerin Christiane Ade aus Gerlenhofen (Landkreis Neu-Ulm) betreibt mit ihrem Mann einen Hof mit 55 Milchkühen und einen kleinen Laden. Außerdem ist sie Mama und Vorsitzende des Musikvereins. Foto: Alexander Kaya

    Frau Ade, Sie haben Medizin studiert – sind jetzt aber Chefin von 55 Milchkühen, Mutter von drei Kindern, neue Bezirksbäuerin und ganz nebenbei noch Vorsitzende des Gerlenhofer Musikvereins. Schon irgendwie verrückt, oder?

    Ja, das können Sie laut sagen. Bei mir ist alles anders gekommen als erwartet. Und was die Landwirtschaft angeht: Ich hab’ von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt. Ich habe nicht einmal die technischen Geräte gekannt. Immerhin hab’ ich gewusst, wie Kühe aussehen. Dass sie nicht lila sind.

    Sie hatten vorher keinen Schimmer von Landwirtschaft, haben aber steil Karriere gemacht und sind nun Bezirksbäuerin – wie geht das?

    Nach meiner Ausbildung als Krankenschwester habe ich unbedingt Medizin studieren wollen. Ich wurde in Ulm angenommen und habe in Gerlenhofen in einer Wohngemeinschaft mit einer Freundin gelebt. Und von dort aus ist alles ganz schnell gegangen.

    Wie meinen Sie das?

    Ich hab’ meinen Mann Klaus kennengelernt und wenig später war ich schwanger. Ja, das klingt alles sehr verrückt. Aber manchmal ist’s halt so im Leben. Mein Mann und ich haben uns für das Kind entschieden. Was anderes kam für mich nicht infrage, nur weil es nicht in meine Lebensplanung gepasst hätte.

    Und dann: Raus aus dem weißen Kittel und rein in die Gummistiefel?

    So ungefähr. Als das Kind da war, bin ich aus meiner WG ausgezogen und zu meinem Mann auf den Hof gegangen. Da war ich 27. Die Mutter meines Mannes ist kurz zuvor gestorben. Also war ich plötzlich die einzige Frau im Haus – neben vielen vierbeinigen Damen…

    Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Arbeit auf dem Hof?

    Ja, ich war von jetzt auf gleich beim Melken eingeteilt. Das war schon eine Herausforderung. Ich hatte Respekt vor den Kühen. Und wenn ich drüber nachdenke: Die Tragweite war mir nicht so ganz bewusst. Ich bin da mit einer Unbeschwertheit rein. Ich hab’s halt einfach gemacht.

    Bei all den Problemen wie die Milchpreiskrise oder die schlechten Getreidepreise: Hatten Sie und Ihr Mann je Zweifel daran, einen Hof zu führen?

    Als ich in die Familie gekommen bin und der Generationenwechsel angestanden ist, haben wir alle Möglichkeiten durchgespielt – aufhören, nur noch Hühner oder etwas ganz anderes aus dem Hof machen. Mein Mann hat auch über eine andere Arbeit nachgedacht. Aber da kam der Moment, an dem ich gesagt habe: Nein. So sehr das manchmal auch nervt, an Hof und Tiere gebunden zu sein – die Arbeit macht mir Spaß und er ist schließlich da aufgewachsen. Das wäre für ihn unrealistisch gewesen, aus der Selbstständigkeit heraus Angestellter zu sein.

    Was verbinden Sie mit dem Wort „Bäuerin“ und an was denkt die Gesellschaft dabei?

    Für manche ist eine Bäuerin noch eine altbackene Frau in Gummistiefeln und Kopftuch. O.k., eine Kopfbedeckung in Form einer Schildkappe trag’ ich auch, aber mit der altmodischen Vorstellung hat eine Bäuerin heutzutage nichts mehr zu tun. Meine Generation oder Jüngere vermitteln ein anderes Bild, fernab der Klischees. Ich glaube, da findet schon ein Umdenken statt.

    Inwiefern?

    Die jungen Bäuerinnen, die sich bewusst für den Hof entscheiden, lieben die Arbeit. Und wenn man selbst den Begriff Bäuerin nicht als negativ empfindet, tun es andere auch. Ich hatte keine Zeit zum Hadern. Ich hab’ mich zurechtfinden müssen.

    Sich als Neu-Bäuerin zurechtfinden – haben Sie sich deshalb dem Bauernverband angeschlossen?

    Ich bin eher ganz plötzlich drin gewesen. Das zieht sich irgendwie durch mein Leben (lacht). Die damalige Ortsbäuerin hat mich mit zur Versammlung genommen – rausgegangen bin ich als stellvertretende Vorsitzende. Dann bin ich 2012 Kreisbäuerin geworden. Das alles habe ich mir nicht vorgenommen.

    Seit ein paar Wochen sind sie Bezirksbäuerin. Was sind Ihre Aufgaben?

    Als Bezirksbäuerin bin ich Scharnierstelle zwischen den Kreisverbänden in Schwaben und dem Landesverband. Man vertritt die Belange der Mitgliedsbetriebe sowohl innerhalb des Verbandes als auch nach außen in Sachen Gesellschaft und Politik. Mir ist es wichtig, ein realistisches Bild der Landwirtschaft zu vermitteln, oft wird von ihr zu viel Romantik erwartet. Zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Betriebe gehören nicht nur soziale und ökologische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche. Aktuell organisiere ich Abschiede langjähriger Vorsitzender in Kreisverbänden. Wir befinden uns in einem Generationswechsel.

    Wie unterscheiden Sie und Ihr Verband sich vom männlichen Pendant?

    Früher war das strikt getrennt: Männer haben über agrarpolitische Themen gesprochen, die Frauen waren schönes Beiwerk. Heute hat sich das gewandelt – wir sprechen mit und bringen frischen Wind, andere Sichtweisen ein. Aber klar, die Wohlfühlthemen oder Organisation von Vorträgen oder Ausflügen liegen schon auch bei uns.

    Wenn Sie zurückblicken: Bereuen Sie, dass Sie das Medizin-Studium abgebrochen haben?

    Das Studium war damals mein Traum. Aber um ehrlich zu sein, war mir das alles zu theoretisch. Eher bereue ich, dass ich nach meinem Melk- und Tierhaltungskurs und meiner Ausbildung zur Hauswirtschafterin nicht noch die Landwirtschaftsschule besucht habe. Interview: Katharina Dodel

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