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Interview: Herr Jarausch, warum ist es so schwer, Notarzt-Schichten zu besetzen?

Interview

Herr Jarausch, warum ist es so schwer, Notarzt-Schichten zu besetzen?

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    Thomas Jarausch ist Anästhesist und erster Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte.
    Thomas Jarausch ist Anästhesist und erster Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte. Foto: Stefan Bausewein

    Herr Jarausch in der jüngsten Zeit kommt es immer wieder vor, dass an verschiedenen Standorten Notarzt-Schichten unbesetzt sind. Kennen Sie dieses Problem?

    Thomas Jarausch: Das Problem, dass an einzelnen Standorten zu bestimmten Zeitpunkten die Besetzung mit Notärzten schwierig geworden ist, ist schon seit längerer Zeit bekannt. Aber es gibt 227 Notarztstandorte in Bayern, die alle an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag besetzt sein sollen. Und bayernweit ist die Besetzung übers Jahr gesehen zu  97 bis 98 Prozent auch gewährleistet.

    Wo treten Dienstplanlücken besonders häufig auf?

    Jarausch: In Großstädten wie München, Nürnberg, Würzburg, Augsburg und Regensburg werden die Standorte regelmäßig besetzt sein. An kleineren Standorten ist es in den letzten Jahren teilweise schwieriger geworden.

    Woran liegt das denn?

    Jarausch: Die Problematik ist vielschichtig. Zum einen nimmt in ländlichen Regionen der Ärztemangel zu. Wenn es etwa um die Besetzung von Hausarztpraxen in der Peripherie geht, gibt es einen Nachwuchsmangel. Wenn es schon schwierig ist, eine Hausarztpraxis nachzubesetzen, dann nimmt die Zahl der Allgemeinmediziner ab. Und für die verbleibenden Ärzte ist es dann nicht mehr möglich, neben ihrem Praxisbetrieb auch den Notarztdienst abzudecken. Die Belastung ist zu groß.

    Oft wird der Notarzt-Dienst ja von Krankenhäusern übernommen.

    Jarausch: Aber auch Kliniken haben Probleme, Stellen zu besetzen und damit den Krankenhausbetrieb zu garantieren. Also wird es für sie auch zunehmend schwerer Notärzte zu stellen neben dem regulären Krankenhausbetrieb. Diese Problematik schlägt auf dem Land natürlich eher durch als in der Stadt. Dazu kommt: Vor wenigen Jahren war es für Notärzte noch möglich von zu Hause aus zu fahren. An kleineren Standorten gibt es in einer 24-Stunden-Schicht vielleicht einen bis zwei Einsätze. Dort würden die Kollegen den Dienst gerne von zu Hause aus machen und wollen nicht 24 Stunden auf der Rettungswache sitzen. Das ist aber schwierig geworden, weil sich die Fahrer auf der Wache aufhalten und so der Notarzt gezwungen ist, ebenfalls auf der Wache seine einsatzfreie Zeit zu verbringen. So groß ist dann der Idealismus doch nicht, wenn man weiß, dass es auch anders ginge. Zumal auch die Bezahlung nicht wirklich überragend ist.

    Wie viel verdient ein Notarzt?

    Jarausch: Im Moment bekommt der Notarzt eine Bereitschaftspauschale von 21 Euro in der Stunde. Und etwa zwischen 63 und 83 Euro - nachts und am Wochenende werden die Einsätze etwas höher vergütet - pro Einsatz. Das klingt nach viel Geld. Aber wenn man das mit dem Schlüsseldienst vergleicht, wird es schon anders: Für 80 Euro kommt am Samstagabend um 23 Uhr kein Schlüsseldienst.

    In Bayern melden sich Notärzte freiwillig zum Dienst. Wäre es nicht sinnvoll sie zu verpflichten, wenn es immer mehr Dienstplan-Lücken gibt?

    Jarausch: Man kann niemanden zwangsrekrutieren. Dann wird die Bereitschaft wegbrechen. Weit über 90 Prozent der Notärzte sind mit hohem Engagement und mit viel Begeisterung im Einsatz. Aber alle haben ein originäres Berufs- und Privatleben. Ich selber bin niedergelassener Anästhesist in einem großen OP-Zentrum. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung zu mir käme und sagen würde: Sie müssen morgen Notarzt fahren. Dann müsste ich den OP stehen lassen und alle Patienten könnten zu Hause bleiben. Das ist nicht umsetzbar.

    Wie lässt sich das Problem dann lösen?

    Jarausch: Jeder Patient, der in Bayern einen Notarzt braucht, muss sofort einen bekommen. Um das zu garantieren, gibt es verschiedene Ansätze. Es gibt Überlegungen, zu prüfen, ob ein Notarzt immer vor Ort nötig ist und ob nicht über eine bessere örtliche Verteilung der Notarztstandorte gerade in niedrig frequentierten Gegenden eine bessere Auslastung möglich wäre ohne dabei die Abdeckung der gesamten Fläche zu vernachlässigen. Damit machen wir den Notarzt nicht überflüssig, wir setzen ihn nur differenzierter ein. Das Problem ist erkannt, aber gewachsene Strukturen sinnvoll zu verändern, dauert eben.

    Was meinen Sie, wie lange das dauert?

    Jarausch: Ich glaube die Protagonisten haben das Problem erkannt und arbeiten daran, es besser zu machen. Aber einen Schnellschuss wird und darf es nicht geben. Es gibt voraussichtlich noch dieses Jahr eine Novelle des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes und ich denke, dass damit Veränderungen kommen werden. Das Allerwichtigste bleibt für uns eine optimale und schnelle notärztliche Versorgung der Bürger.

    Zur Person: Thomas Jarausch ist zusammen mit Alexander Beck erster Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte. Er selbst ist Notarzt und niedergelassener Anästhesist in Würzburg.

    Lesen Sie dazu auch: Warum in Bayern immer wieder Notärzte fehlen

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