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Interview: Helmut Schleich: „Wir sind eingesperrt mit Seppl-Hut“

Interview

Helmut Schleich: „Wir sind eingesperrt mit Seppl-Hut“

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    Helmut Schleich in seiner Paraderolle als Franz-Josef Strauß, hier auf dem Münchner Nockherberg.
    Helmut Schleich in seiner Paraderolle als Franz-Josef Strauß, hier auf dem Münchner Nockherberg. Foto: Tobias Hase, dpa

    Wer sind wir eigentlich? Zusammen mit dem Münchner Autor Thomas Merk hat sich Kabarettist Helmut Schleich auf die Spuren der Befindlichkeit der bayerischen Seele im 21. Jahrhundert begeben. Die beiden gossen ihre Erkenntnisse in ein Buch, das sie am Freitag vorstellten. Man trifft sich unweit des Isartors über den Dächern Münchens. Schleich ist in Hochform und erzählt, warum Hitler nie eine Autobahnraststätte hätte bauen dürfen. Bei Wasser und Weißwürsten wird hinterher über weißblaue Ein- und Durchblicke debattiert.

    Darf ich gemein sein, Herr Schleich?

    Helmut Schleich: Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.

    Gründen Sie Ihren Erfolg nicht zuletzt darauf, dass Sie aussehen wie eine Mischung aus Ottfried Fischer und Franz Josef Strauß?

    Schleich: Das ist wirklich sehr gemein, weil es ja auch nicht stimmt. Da ist noch jede Menge Luft nach oben, würde ich sagen!

    Was Schleich mit Ottfried Fischer und Franz-Josef Strauß verbindet

    Aber es kommt Ihnen als Kabarettist schon entgegen, dass Sie so eine klassisch bayerische Optik haben?

    Schleich: Ja klar. Das ist möglicherweise auf eine spezielle Genetik zurückzuführen, aber auch auf einen gewissen Lebenswandel. Ja, ich glaube, das verbindet Fischer, Strauß und Schleich.

    In dieser Grundgenetik ist das Klischee des Seppl-Huts nicht enthalten. Diese Verallgemeinerungen gehen Ihnen ja gewaltig auf die Nerven. Aber was haben Sie gegen die Seppl-Idylle? Damit lässt sich doch trefflich leben.

    Schleich: Freilich kann man mit den Klischees leben. Aber die Frage lautet: Was gibt das den Menschen? – Wir sind doch eingesperrt mit Seppl-Hut. Da kommt dann aber nicht viel außer: Wir sind alle die Gleichen und denken in die gleiche Richtung. So verkommt die Vielfalt zur Einfalt. Mich interessiert das echte Land abseits der Allgemeinplätze.

    Ihr Buchtitel heißt: „Daheim is ned dahoam“. Welche Botschaft verbinden Sie damit?

    Schleich: Dieser feststehende Ausdruck „Dahoam is dahoam“ gehört zu den Klischeebildern der „Mir san Mir“-Mentalität. Weil wir uns immer mehr von der globalisierten Welt bedrängt fühlen, greifen wir gerne danach. Aber kann man sich in dieser Klischeewelt wirklich zu Hause fühlen? Daheim ist für mich etwas ganz anderes als dieses Dahoam-Klischee.

    Bayern ist ein sehr interessantes Gebilde

    Und was ist dann Bayern in Ihren Augen?

    Schleich: Mei, das kann man nicht mit einem Satz sagen.

    Versuchen Sie es trotzdem.

    Schleich: Bayern ist ein erstaunlich vielfältiges Land, ein ganzer Kosmos. Was dabei immer vergessen wird, ist, wenn wir immer nur auf das Altbayern-Klischee eingehen. Dieses kleine Weltreich, das sich die Wittelsbacher zusammengeholt haben, ist aber ein viel interessanteres Gebilde, als wir es oft wahrhaben.

    Sie schreiben, als Bayer fühlt man sich in Bonn mehr als Ausländer als im Ausland. Woher kommt das?

    Schleich: Ich komme gerade aus Köln. Ich bin da übrigens sehr gerne. Aber man wird da sofort mit der These konfrontiert: Ja bei euch Bayern, da ist ja alles ganz, ganz anders! Beispielsweise der Papst. „Ja, sagen die

    "München ist eine Weltstadt"

    Als Münchener sind Sie ja als Bayer sowieso in der Fremde, oder?

    Schleich: Also. München ist politisch und geografisch Bayern. Die meisten Entscheidungen, die Bayern geprägt haben, sind hier getroffen worden. Vom Traditionalisten- Standpunkt her würde ich München aber tatsächlich nicht als bayerisch bezeichnen. Es ist eine Weltstadt.

    In der kaum einer Dialekt spricht.

    Schleich: Ja, das ist fast komplett weg. Meine Kinder verstehen zwar Bayerisch, selbst starken Oberpfälzer Dialekt. Aber sie würden niemals ein Wort Bayerisch sprechen. Dabei bin ich sogar einer, der das pflegt und davon lebt.

    Franken sind die Tibeter Bayerns

    Warum behaupten Sie, die Franken seien die Tibeter Bayerns? Das müssten doch die Allgäuer sein.

    Schleich: Die Allgäuer wären schon bizarr genug. Aber bei den Franken ist es so, dass sie sich von den Bayern besetzt fühlen wie die Tibeter von den Chinesen. Ich sag Ihnen, wenn einem in einem fränkischen Wirtshaus eine Bedienung anschaut, dann hat man manchmal das Gefühl, sie denkt sich: „Da sitzen sie, diese Kolonialherren, und fressen unser Schäufele!“

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