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Interview: Ettaler Schüler und Pfarrer in einer Person

Interview

Ettaler Schüler und Pfarrer in einer Person

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    Ein "Vorsicht Kinder"-Schild, in Ettal in Sichtweite des Klosters Ettal. Foto: Steffi Loos/ddp
    Ein "Vorsicht Kinder"-Schild, in Ettal in Sichtweite des Klosters Ettal. Foto: Steffi Loos/ddp Foto: sl/mw

    Die katholische Kirche befindet sich in einer tiefen Krise. Die Misshandlungs- und Missbrauchsfälle in der oberbayerischen Benediktinerabtei Ettal und das Verhalten des Augsburger Bischofs Walter Mixa haben Gläubige erschüttert. Ein Gespräch mit Florian Wörner (40), Diözesanjugendpfarrer der Diözese Augsburg und ehemaliger Schüler am Benediktinergymnasium in

    Herr Wörner, was ist nur mit der katholischen Kirche los?

    Wörner: Es sind stürmische Zeiten. Die Situation ist für uns alle schwierig. Da müssen wir durch. Es muss aufgearbeitet werden, was aufzuarbeiten ist. Wir haben es aber auch mit einer öffentlichen Wahrnehmung zu tun, die nicht immer so differenzieren kann, wie es notwendig ist. Dabei wird manches verzerrt. Dennoch: Es muss Umkehr geschehen und Erneuerung.

    Nicht genug, dass fast täglich neue Misshandlungs- und Missbrauchsvorwürfe publik werden: Es kommt auch zu innerkirchlichen Konflikten wie vor Kurzem zwischen der Benediktinerabtei Ettal und dem Erzbistum München und Freising. Man streitet um die richtige Aufarbeitung der Ettaler Vorfälle.

    Wörner: Ich kann zu diesem Streit nicht viel sagen. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass man im Eifer des Gefechts nicht immer richtig entschieden hat. Dass in einer aufgewühlten Situation Fehler passieren, ist verständlich. Ich habe die Hoffnung, dass es sich wieder klärt.

    Was halten Sie vom früheren Sonderermittler Thomas Pfister? Er wurde vom Erzbistum München und Freising eingesetzt, um die Vorfälle in Ettal zu untersuchen. Er soll dies nicht unvoreingenommen getan haben, meinen zahlreiche Altettaler, also ehemalige Schüler.

    Wörner: Er hat nicht nur über das berichtet, was vorgefallen ist, sondern sehr stark seine Emotionen eingebracht. Und da stelle ich mir schon die Frage, ob das ein Ermittler tun soll. Ich habe als externer Schüler eine schöne Zeit in Ettal erlebt. Was ich schade finde, ist, dass der Ruf des Klosters und der Schule beschädigt worden sind. Den Opfern muss Gerechtigkeit widerfahren, aber es muss auch die andere Seite gesehen werden.

    Wurde in Ihrer Schulzeit über Misshandlungen und Missbrauch geredet?

    Wörner: Ich habe nie mitbekommen, dass jemand eine Watschn bekommen hat oder gewalttätig behandelt worden ist.

    Sie haben kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle vor Hunderten von Altettalern in der Basilika gepredigt. Wie kam es dazu?

    Wörner: Ich wurde als ehemaliger Schüler darum gebeten. Ich kann mir vorstellen, dass die Mönche in dieser aufgewühlten Situation einfach nicht in der Lage waren, klare Gedanken für eine Predigt zu fassen.

    Sie sagten in Ihrer Predigt, dass Sie in Ettal viel Gutes für Ihr Leben mitbekommen haben. Dafür erhielten Sie Applaus.

    Wörner: Der Applaus war für die Mönche, die Lehrer und Erzieher. Ich habe wegen der Predigt sehr viele E-Mails und Telefonate erhalten. Die Leute sagten, dass sie dankbar sind, dass ich das so gesagt habe, wie ich es gesagt habe.

    Es scheint zwei Gruppen von Altettalern zu geben: Die einen, die in Internat oder Schule eine glückliche Zeit verbracht haben. Und die anderen, die großes Leid erfahren haben. Die einen wollen sich ihre Erinnerungen nicht zerstören lassen, die anderen wollen als Opfer anerkannt werden.

    Wörner: Ich weiß nicht, ob es diese zwei Gruppen gibt. Ich gehöre zu denen, die auf eine schöne Schulzeit zurückblicken. Das heißt jedoch nicht, dass ich kein Verständnis habe für diejenigen, die es anders sehen.

    Erschreckt Sie die hohe Zahl der Kirchenaustritte?

    Wörner: Die ist problematisch, aber ich nehme auch ein gewisses Zusammenrücken wahr. Ich bemerke ein intensiveres Nachdenken über Glauben und Kirche.

    Wie reagieren denn die Jugendlichen, denen Sie begegnen, auf die Misshandlungs- und Missbrauchsfälle in der Kirche?

    Wörner: Sie unterscheiden zwischen dem, was in den Medien verhandelt wird, und dem, was sie konkret in ihrer Pfarrei oder einem Jugendhaus erfahren. Dort erleben sie eine offene Atmosphäre. Daher sind die Vorfälle erstaunlicherweise kaum ein Thema bei jungen Leuten.

    Wie sollte die Kirche mit der gegenwärtigen Situation umgehen?

    Wörner: Ehrlich.

    Interview: Daniel Wirsching

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